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Worüber man nicht gerne spricht

In der Silvesternacht randalierten nicht nur junge Migranten

  • Tom Uhlig
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Silvesternacht zogen etwa 200 junge Männer durch die Innenstadt und randalierten. Sie demolierten Verkehrsschilder, sprengten Briefkästen, feuerten Silvesterraketen auf öffentliche Gebäude sowie die anrückende Polizei und brüllten dabei immer wieder »Sieg Heil«. Von jenen Männern ist in der Öffentlichkeit allerdings bislang selten die Rede. Ihren kleinen Feldzug veranstalteten sie nicht in Berlin, sondern im sächsischen Borna.

Anders als in Berlin ist hier kaum von einem Angriff auf den Staat die Rede, und Spitzenpolitiker übertrumpfen sich auch nicht mit der Ankündigung immer härterer Repression. Schuld daran ist wohl nicht allein Hauptstadtrelevanz, sondern dass sich die Ereignisse in Berlin besser in ein populäres Feindbild integrieren lassen: »Wir haben in deutschen Großstädten ein großes Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten, Gewalttaten begehen und mit Bildungs- und Integrationsprogrammen kaum erreicht werden«, sagt die Innen- und Heimatministerin Nancy Faeser. Bürgermeisterin Franziska Giffey spricht gar von einem »Wertverfall«, von »Respektlosigkeit« und einer »Zäsur«.

Diesem Narrativ eilt vor allem einer zu Hilfe: Ahmad Mansour. Immer als Erster zur Stelle, muslimisch-migrantischen Jugendlichen die Grenzen des Rechtsstaats aufzuzeigen, schwadroniert er in jedes Mikrofon, was ein Großteil der Bevölkerung gerne hören möchte. Im ARD-»Morgenmagazin« behauptete er, dass es sich bei den Randalierern von Berlin um »junge Männer, vor allem mit Migrationshintergrund« handele. Das sei in Deutschland nicht einfach zu sagen, aber enorm wichtig.

Auch im Hessischen Rundfunk behauptet Mansour, die Integration sei »teilweise ein Tabuthema«, und die Herkunft spiele für die Tatmotive eine Rolle. Im NDR schränkte er zwar auf Nachfrage ein, die Gewalt sei »kein rein migrantisches Phänomen«, behandelt sie danach aber als solches. Die Gründe würden in einer »schiefgelaufenen Debatte über Rassismus in der Polizei« liegen. Zudem würde bei den Menschen mit Migrationshintergrund aufgrund autoritärer Erziehung die »Rechtsstaatlichkeit, wie wir sie in Deutschland haben, als schwach wahrgenommen«.

Die Lösung liegt für Mansour auf der Hand: Der Staat soll sich auf eine Art Kräftemessen mit Jugendlichen einlassen, Stärke zeigen, wo diese Schwäche vermuten. Mit einer vulgären Sozialpsychologie bietet Mansour der Öffentlichkeit in zitierfähigen Hauptsätzen eine billige Lösung für die zuvor dramatisierte Eskalationsdynamik an: Die Jugendlichen würden aggressiv, weil ihre Familien sie aus kulturellen Gründen so erziehen. Ihre Wut sei nicht ziellos, sondern gegen die Staatlichkeit selbst gerichtet, gegen das »Wir«, an das Mansour unentwegt appelliert. Da »wir« alle angegriffen werden, haben wir alles Recht, unsere Straflust an den mutmaßlichen Gewalttätern auszulassen.

Mansour wechselte für diese so einfache wie erkenntnisarme Nachricht öfter den Sprechort: Trat er zunächst primär als geläuterter Salafist und Islamismusexperte auf, wurde er zum Pädagogen, Psychologen und schließlich Integrationsspezialisten – ohne auf einem der Gebiete fachlich anerkannt zu sein. Der performative Selbstwiderspruch, sich als mutiger Tabubrecher zu inszenieren, während man von etlichen Medien hofiert wird, gehört zu seinem Auftritt allerdings immer dazu. Können schon weder Analysen noch Lösungen überzeugen, sollen sie doch zumindest möglichst verwegen daherkommen, und wenn sie in Wahrheit nur stumpfe Ressentiments wiedergeben.

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