• Politik
  • Gewalt gegen Journalisten

Anklage wegen Angriffs auf Journalisten

Fast drei Jahre nach Prügelattacke gegen ZDF-Team könnte es zum Prozess gegen fünf Verdächtige kommen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Angriff sorgte für großes Entsetzen: Am Rande einer rechtsoffenen Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung wurde am 1. Mai 2020 ein ZDF-Team in Berlin-Mitte in einer Seitenstraße des Alexanderplatzes brutal angegriffen. Nach mehr als zweieinhalb Jahren hat die Berliner Staatsanwaltschaft jetzt Anklage gegen drei Männer und eine Frau im Alter von 27 bis 33 Jahren beim Amtsgericht Tiergarten eingereicht. Ihnen wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Bei den Angegriffenen handelt es sich um ein Team um den Comedian Abdelkarim Zemhoute, das für das ZDF-Satiremagazin »Heute-Show« die »Hygienedemo« der Coronakritiker*innen gefilmt hatte. Mehrere Personen der Gruppe waren bei dem Angriff schwer verletzt worden. Die Angreifer*innen sollen teilweise mit Metallstangen auf ihre Opfer eingeschlagen haben, die ihre Arbeit bereits beendet hatten und auf dem Rückweg von ihrem Einsatz waren. Bereits am Boden Liegenden sollen Täter*innen »mit großer Wucht« gegen die Köpfe getreten haben.

Nach Polizeiangaben ging der Angriff von einer größeren Gruppe von bis zu 25 dunkel gekleideten Vermummten aus. Der für politisch motivierte Taten zuständige Staatsschutz des Landeskriminalamtes übernahm die Ermittlungenn. Diese gestalteten sich kompliziert, weil die Täter*innen auf der Flucht ihre Kleidung gewechselt haben sollen. In mehreren Aufrufen suchten Ermittler nach Zeugen und baten um Foto- und Videoaufnahmen.

Die Polizei hatte nach dem Angriff zunächst sechs Verdächtige festgenommen, von denen es hieß, sie gehörten zum Teil zur linken Szene. Sie kamen wenig später aber wieder frei. Am Tatort waren auch DNA-Spuren gesichert worden. Nach einem Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten durften die Ermittler schließlich von sechs Verdächtigen DNA-Proben nehmen und verwenden.

Nach der anfänglichen großen Empörung über die Gewalttat gegen Medienvertreter*innen war es schnell ruhig um den Fall geworden. Das dürfte auch daran liegen, dass bis heute nicht klar ist, welchem politischen Spektrum die Angreifer*innen zuzurechnen sind. Es ist nicht einmal klar, ob überhaupt politische Motive hinter der Attacke standen.

Anfangs hatten antifaschistische Beobachter*innen die Täter*innen im rechtsoffenen Spektrum der Corona-Maßnahmenkritiker*innen vermutet. Schließlich wetterten Redner*innen auf deren Demonstrationen stets gegen die »Lügenpresse«, bedrohten Journalist*innen, nannten gar Namen und Adressen. Doch eine Verbindung zwischen den mutmaßlichen Angreifer*innen und der rechten bzw. rechtsoffenen Szene konnte nicht nachgewiesen werden.

Auch Versuche rechter Kreise, die Tat der linken Szene zuzuordnen, scheiterten. Nach ihrer Festnahme wurden zwei Personen aus Baden-Württemberg von Medien »geoutet«. Doch linken Aktivist*innen der Region sind sie völlig unbekannt. »Wir kennen die Menschen, die bei uns in der linken Szene aktiv sind. Die in den Medien vorgeführten Personen gehörten nicht dazu«, sagt eine Frau, die sich im Südwesten seit vielen Jahren gegen Antisemitismus und Neonazis engagiert, gegenüber »nd«.

Die Antifaschistin zeigt sich auch verwundert darüber, dass die Beschuldigten trotz der schweren Vorwürfe nicht in Untersuchungshaft genommen wurden. Gegen Linke werde nach Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungsverfahren hingegen oft sehr schnell U-Haft verhängt – mit der Begründung, es bestehe Flucht- oder Verdunkelungsgefahr. Das zeigte sich unter anderem im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren.

Das öffentliche Interesse dürfte groß sein, eben weil der Fall so viele Fragen aufwirft. Doch noch ist nicht klar, ob es dazu kommt, denn das Gericht hat bislang nicht entschieden, ob es die Anklage zulässt. Entscheidet es sich dafür, dürfte der Prozess frühestens im Sommer beginnen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.