Republikaner drehen den Spieß um

Ein neuer Untersuchungsausschuss im US-Repräsentantenhaus beschäftigt sich mit dem angeblichen politischen Missbrauch der Justiz gegen das konservative Amerika

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 3 Min.
Wird der Gejagte zum Jäger? Scott Perry, republikanischer Abgeordneter aus Pennsylvania, könnte dem neuen Ausschuss angehören.
Wird der Gejagte zum Jäger? Scott Perry, republikanischer Abgeordneter aus Pennsylvania, könnte dem neuen Ausschuss angehören.

Die Geschehnisse vom 6. Januar 2021, als Anhänger*innen des damals amtierenden US-Präsidenten Donald Trump das Kapitol in Washington D.C. erstürmten, um die Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden zu verhindern, bewegen die US-amerikanische Politik weiter. Ein Untersuchungsausschuss unter einer demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus beschäftigte sich anderthalb Jahre lang mit der Aufklärung und veröffentlichte einen Abschlussbericht, der die Ereignisse als Teil eines perfiden Plans von Trump darstellte, sich die Macht zu sichern. In der Tat wiegen die Beweise schwer, dass Trump entscheidend zur Eskalation am Kapitol beitrug und über Stunden nichts unternahm, um die Situation zu entschärfen.

Doch die Republikaner sind anderer Ansicht. Nachdem sie die Mehrheit im Repräsentantenhaus wieder übernommen haben, wollen sie nun den Spieß umdrehen: Für die prekäre Lage am Kapitol seien Pannen der Sicherheitsbehörden verantwortlich gewesen, die Untersuchung der Demokraten sei Teil einer politisch motivierten Hexenjagd, der Ex-Präsident diene als Sündenbock, seine Anhängerschaft solle kriminalisiert werden.

Als Bedingung für die Wahl des politisch eher blassen Kevin McCarthy zum Sprecher des Repräsentantenhauses forderte eine Gruppe rechter Abgeordneter deshalb einen neuen Untersuchungsausschuss, der ihre Sicht auf die Lage herausarbeiten soll. Und der als Teil der neuen Geschäftsordnung der Kammer beschlossene Entwurf für das Statut des Komitees hat es in sich: Es soll sich damit befassen, wie Bundesbehörden, insbesondere die Polizei, als »Waffe« gegen US-Bürger*innen missbraucht werden. Die Republikaner, die sich über Jahrzehnte in Sachen Law and Order gegenseitig überboten, machen sich scheinbar über Nacht plötzlich Sorgen um die Lage der Bürgerrechte in den USA. Im Zuge der Verhandlungen mit McCarthy wurde das Mandat des neuen Ausschusses immer breiter: Dieser soll sich mit den Aktivitäten sämtlicher Bundesbehörden sowie mit laufenden Ermittlungsverfahren beschäftigen.

Einige Kommentator*innen sehen darin den Versuch republikanischer Abgeordneter, sich der Strafverfolgung im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol und Trumps sonstigen Manövern, den Ausgang der Präsidentschaftswahlen von 2020 zu unterlaufen, zu entziehen. Der Abgeordnete Scott Perry aus Pennsylvania, gegen den ein Ermittlungsverfahren läuft, wollte gegenüber dem Fernsehsender ABC nicht ausschließen, dass er selbst Mitglied des Untersuchungsausschusses werden könnte.

Doch es ist keinesfalls sicher, dass diese Strategie der Republikaner Erfolg haben wird. Sollten Justiz und Ermittlungsbehörden die Behinderung von Verfahren befürchten, würden sie wohl gerichtlich gegen die Weitergabe von Informationen an den Ausschuss vorgehen. Die Herausgabe solcher Informationen war in der Vergangenheit immer wieder Streitpunkt zwischen dem Kongress und Bundesbehörden.

Die Republikaner sehen den neuen Ausschuss in der Tradition des Church-Komitees, das Mitte der 70er Jahre CIA-Operationen wie »MK Ultra«, »Cointelpro« und »Mockingbird« aufarbeitete, die Grundrechte massiv verletzt und in den Prozess der demokratischen Meinungsbildung eingegriffen hatten. Sie sprechen von einer Verschwörung von Bundesbehörden gegen das konservative Amerika als Ganzes.

Die Demokraten befürchten hingegen eine Verfolgung politisch unliebsamer Beamt*innen und Institutionen. »Ich nenne es das McCarthy-Komitee, und ich meine nicht Kevin, sondern Joe«, so der demokratische Abgeordnete Jim McGovern aus Massachusetts gegenüber der »New York Times« in Anspielung auf den berüchtigten Kommunistenjäger der 50er Jahre, Senator Joseph »Joe« McCarthy, und seine jahrelangen Anhörungen im Kongress. »Dieser Ausschuss ist nichts weiter als ein wahnwitziger Plot von extremistischen Trump-Anhängern, die bei den Republikanern das Ruder übernommen haben und nun Steuergelder dafür verwenden wollen, ihren rechten Verschwörungsunsinn zu verbreiten«, so McGovern.

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