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  • Rekommunalisierung der Fernwärme

Berlin will »Wärme nach Hause holen«

Zusammen mit der Gasag plant der Senat, das Fernwärmenetz der Hauptstadt zu übernehmen

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 5 Min.
Fernwärmeleitungen in Lichtenberg: Bald könnten diese Rohre, die den Osten Berlins mit Heizungswasser versorgen, dem Land gehören.
Fernwärmeleitungen in Lichtenberg: Bald könnten diese Rohre, die den Osten Berlins mit Heizungswasser versorgen, dem Land gehören.

Das Land Berlin will die Wärmeversorgung der Hauptstadt wieder in kommunale Hand bringen und dafür die entsprechenden Anteile des Energieversorgungsunternehmens Gasag erwerben. Bislang gehört dieses den Konzernen Vattenfall, Eon und Engie. Berlin will nun die Anteile Vattenfalls kaufen. »Die Wärme zurück nach Hause holen«, so nennt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) in der Senatspressekonferenz am Dienstag das Ziel der Regierung. 1,3 Millionen Haushalte, also mehr als die Hälfte der Berliner*innen, würden durch Fernwärme versorgt, daher sei ein Wärmenetz in kommunaler Hand – nach Strom und Wasser – »ein wichtiger Schritt für die Zukunft der Daseinsvorsorge«, so Giffey.

Schon im vergangenen Jahr kündigte Vattenfall an, das Netz verkaufen zu wollen. Bis vergangenen Freitag lief ein Bieterverfahren, in dem nun auch das Land Berlin offiziell Interesse bekundete. Zusammen mit den anderen beiden Anteilseignern der Gasag, den Energieversorgern Eon und Engie, sei eine gemeinsame Verständigung zustande gekommen mit dem Zielbild, dass Berlin Mehrheitseigner der Gasag wird, erläutert Stephan Schwarz (parteilos, für SPD), Senator für Wirtschaft, Energie und Betriebe.

In Zusammenarbeit mit Eon und Engie entstünde ein integriertes Wärmeversorgungsunternehmen unter einem Dach, in dem die Geschäftsfelder von Vattenfall und Gasag verknüpft würden. Diese Mehrheitsbeteiligung stellt seiner Ansicht nach jedoch keinesfalls eine Privatisierung, sondern eher eine Rekommunalisierung dar. »Wir wollen in den Driver Seat kommen. Wir wollen steuern«, betont Schwarz.

Noch handelt es sich laut Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) jedoch nur um eine unverbindliche Interessenbekundung. Vermutlich gäbe es einige Dutzend Mitbewerber*innen. Im nächsten Schritt konkretisiere Vattenfall seine Rahmenbedingungen. »Wir glauben, dass wir gute Chancen haben, da wir ein gutes Angebot machen«, so Wesener. Unter anderem stehe das Land für eine integrierte Versorgung mit Wärme und anderen Energieträgern. Denn die Fernwärme sei nicht nur der Schlüssel für Versorgungssicherheit, sondern auch für die Dekarbonisierung. »Durch den direkten Einfluss auf das Unternehmen kann das Land sicherstellen, dass bei der Berliner Fernwärme künftig die Wärmewende und das Gemeinwohl im Mittelpunkt der Entwicklung stehen«, so Wesener.

Bislang bauen viele Heizkraftwerke auf klimaschädliche fossile Energieträger wie Kohle und Gas, am Kraftwerk Reuter West plant Vattenfall sogar neue Gasinfrastruktur. Um bis 2045 klimaneutral zu werden, so das Ziel des Senats, und auf erneuerbare Energien umzusteigen, müssen die Netze also umgerüstet werden, dafür seien massive Investitionen notwendig, erklärt Schwarz. Gasleitungen könnten zum Beispiel »wasserstofffähig« gemacht werden. Tatsächlich gilt die Nutzung von Wasserstoff zur Wärmeerzeugung laut einer Potenzialstudie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) in Kassel als äußerst ineffizient.

Fest steht jedoch: »Wir haben eine gigantische Aufgabe, die Transformation technisch und baulich zu bewältigen«, wie Finanzsenator Wesener sagt. Genauso wichtig sei aber, dass am Ende die Preise für die Kund*innen stimmen. Auch private Unternehmen hätten daran ein Interesse »und wir glauben, dass Vattenfall durchaus davon überzeugt werden kann«, erklärt er. Um das Berliner Wärmenetz vom Weltmarkt und dessen schwankenden Preisen unabhängig zu machen, müssten andere, dezentrale Konzepte der Energieversorgung her, zum Beispiel in Form von Abwärme, so Wirtschaftssenator Schwarz.

Im vergangenen Jahr forderten Umweltverbände und ‑initiativen wie Kohleausstieg Berlin, BUND Berlin, Robin Wood und Bürgerbegehren Klimaschutz in einer gemeinsamen Erklärung, dass das Land »die Chance zum Rückkauf der Netze nutzt, um die Fernwärme bis spätestens 2035 vollständig zu dekarbonisieren und die Energieversorgung der Stadt ohne Kohle, Gas und Holz sicherzustellen«. Laut der Fraunhofer-Studie wäre eine vollständige Dekarbonisierung der Berliner Fernwärme bis 2035 möglich – allerdings müssten dafür vier Milliarden Euro investiert werden.

Die Linkspartei möchte, dass die Wärme der Stadt immerhin bis 2040 klimaneutral erzeugt wird und hat sich in ihrem Sofortprogramm zur Berlin-Wahl 2023 ebenfalls der Kommunalisierung von Fernwärme- und Gasnetz »zur Umsetzung der Energiewende« verschrieben. Gruppen wie Gasexit und die Grüne Jugend Berlin fordern außerdem die entschädigungslose Vergesellschaftung des hauptstädtischen Fernwärmenetzes, denn »im Kaufpreis muss sich widerspiegeln, dass die fossile Infrastruktur nicht mehr viel wert ist«, betonte Benedikt Heyl von Gasexit im vergangenen Jahr gegenüber »nd«.

Wie hoch der Kaufpreis für Wärmenetz und Kraftwerke letztendlich sein werde, hänge auch von den Investitionserfordernissen ab. Das Land Berlin dürfe Unternehmensanteile nur dann erwerben, wenn es wirtschaftlich ist, betont Wesener. So weit ist es aber noch lange nicht. Schwarz rechnet mit einer ersten Rückmeldung von Vattenfall in den kommenden drei Monaten, eine endgültige Entscheidung könne noch in diesem Jahr fallen.

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