Treu zur Tariftreue stehen

DGB und Linke fordern vom Land Brandenburg die im Koalitionsvertrag versprochene Klausel ein

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

»Gemeinsam blicken wir auf anstrengende Monate zurück, in denen sich die Sozialpartnerschaft in Brandenburg einmal mehr eindrucksvoll bewährt hat«, meint Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). So sei es der Landesregierung mit Hilfe des Bundes gelungen, eine Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter der PCK-Raffinerie in Schwedt für die nächsten zwei Jahre zu erreichen. »Unser Anspruch ist und bleibt, dass wir in Brandenburg gute Arbeit gewährleisten wollen«, versichert Woidke.

Doch da klaffen Wunsch und Wirklichkeit noch weit auseinander. Nur noch 14 Prozent der Betriebe in Brandenburg fühlen sich an die mit den Gewerkschaften ausgehandelten Tarifverträge gebunden. In Berlin ist die Quote mit 18 Prozent ähnlich katastrophal. Bestenfalls fielen noch 50 Prozent der Beschäftigten in der Hauptstadtregion unter die Regelungen der Tarifverträge, bedauert die DGB-Landesbezirksvorsitzende Katja Karger am Donnerstag.

Im Land Berlin trat immerhin Ende 2022 eine Tariftreuepflicht in Kraft. Firmen müssen sich in der Hauptstadt an die geltenden Tarifverträge halten, wenn sie weiterhin öffentliche Aufträge erhalten wollen.

In Brandenburg steht in dem 2019 von SPD, CDU und Grünen abgeschlossenen Koalitionsvertrag, dass die Einführung einer solchen Tariftreueklausel geprüft werden soll. »Die kommen keinen Schritt weiter, obwohl es ein Leichtes wäre, mit Berlin gleichzuziehen«, beklagt jedoch Katja Karger. Irgendjemand scheine diese Tarifklausel nicht zu wollen und deswegen zu bremsen. Das sei schade. Warum es nicht klappt, ist Karger schleierhaft. Es würde sie nicht wundern, wenn es an den Kosten für den Landeshaushalt liege. Denn das Land und die Kommunen müssten mit einer Tarifklausel für die Erledigung bestimmter Arbeiten mehr bezahlen und Finanzministerin Katrin Lange (SPD) müsste dafür zusätzliches Geld auftreiben.

Die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen seien »total offen« für das Vorhaben einer Tariftreueklausel und hätten eine Arbeitsgemeinschaft mit der CDU-Fraktion gebildet, berichtet Karger. »Da ist es verhungert.« Teilweise rechtfertigten sich die Abgeordneten, Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) wolle es nicht. Er wiederum sage, er wolle »total gerne«, so Karger. Sie habe den Eindruck, die Brandenburger warteten ab, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der Sache etwas unternehme. Unter dem Strich sagt Karger: »Ich versuche seit einem Jahr zu verstehen, warum es nichts wird.« Sie fordert: »Kein öffentliches Geld für schlechte Arbeit. Da muss Brandenburg endlich aus dem Knick kommen.«

Karger fehlt auch das Verständnis, warum sich eine große Zahl von Unternehmern gegen Tarifverträge stemme. Denn am Ende müsse die Politik das in die Hand nehmen und den gesetzlichen Mindestlohn erhöhen. Da habe die Wirtschaft dann weniger mitzureden. Das könne nicht in deren Interesse sein.

Im laufenden Jahr steht eine Reihe harter Tarifverhandlungen an, unter anderem für die Post, wo die Gewerkschaften 15 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten verlangen. Auch der Tarifvertrag der Länder steht auf dem Programm. »Die Beschäftigten dürfen für die aktuellen Krisen nicht alleine den Preis bezahlen, sondern brauchen gerade jetzt gute Perspektiven – auch was die Einkommen betrifft«, sagt Karger. Sie verlangt »deutliche Lohn- und Gehaltssteigerungen, die die Inflation und Kostenexplosion ausgleichen«. Wenn die Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe schlecht blieben, dürften sich die Gastronomen nicht wundern, wenn sie kein Personal fänden.

Viele Kellner und Köche suchten sich während der Corona-Pandemie, als Hotels und Gaststätten vorübergehend schließen mussten, andere Jobs. Sie kehren nicht in ihren erlernten Beruf zurück, wenn sie anderswo mehr verdienen und weniger Stress und mehr Zeit für die Familie haben.

»Wir brauchen eine gesetzliche Tariftreueregelung für öffentliche Aufträge, aber auch für die Vergabe von Fördermitteln«, unterstützt Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter die Forderung des DGB. Betriebe, die keine Tariflöhne zahlten, dürften demzufolge keine Fördermittel mehr erhalten. »Allein wegen warmer Worte wird kein neuer Tarifvertrag abgeschlossen«, erklärt Walter, warum in dieser Frage Druck auf die Wirtschaft ausgeübt werden müsse. Sonst werde es nie etwas mit einer besseren Tarifbindung. Im Gegenteil: Sie habe in den vergangenen Jahren sogar noch abgenommen. »Brandenburg redet und Berlin handelt – nicht nur in diesem Fall«, kreidet der Oppositionspolitiker der Regierungskoalition an.

Die Linke wolle dafür kämpfen, so verspricht Walter, dass in Brandenburg eine Tariftreueregelung noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werde. Die nächste Landtagswahl steht hier im Jahr 2024 an. Bislang haben bundesweit nur Berlin und das Saarland eine Tariftreueklausel.

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