Blauäugig im Grünen Gewölbe

Rico Gebhardt rügt mangelnde politische Aufarbeitung nach dem Dresdner Kunstdiebstahl

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

2019 gab es einen spektakulären Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden. Ende 2022 tauchten die entwendeten Schätze in Teilen wieder auf – ein »Weihnachtswunder«, hieß es. Wie festlich war Ihnen zumute?

Über die Rückkehr kann und soll man sich freuen. Sie ist aber nicht einem Wunder geschuldet, sondern dem Verhandlungsgeschick der Verteidiger einiger der mutmaßlichen Täter, die in Dresden vor Gericht stehen. Es handelt sich schlicht um einen sogenannten Deal: Rückgabe des Diebesgutes gegen mildere Strafen.

Das Gericht scheint dazu gewillt. Gleichzeitig ist klar, dass die Schmuckgegenstände unvollständig und in desolatem Zustand sind. Wie schauen Sie auf den Deal?

Es bleibt ein fader Beigeschmack. Es sind Schäden durch den Einbruch und die schlechte Lagerung der Schmuckstücke entstanden, und man darf nicht vergessen, dass die Täter ein Fluchtfahrzeug in der Tiefgarage eines Wohnhauses anzündeten und bewusst das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner gefährdeten. Das Entgegenkommen von Staatsanwaltschaft und Gericht erweckt angesichts dessen einen unguten Eindruck, auch wenn ich natürlich weiß, dass das Gesetz solche Verfahrensabsprachen zulässt.

Die juristische Aufarbeitung geht zu Ende. Wie arbeitete die Politik den Einbruch auf?

Gar nicht. Die Staatsregierung gibt keine Signale, dass sie dazu bereit wäre. Alles, was öffentlich wurde, geschah auf Nachfragen, viele von mir. Wir wissen heute, dass man es den Straftätern leicht gemacht hat und dass das Grüne Gewölbe nie so sicher war wie Fort Knox, wie gern behauptet wurde. In ihren jetzt abgelegten Geständnissen vor Gericht haben sie sich selbst erstaunt geäußert, dass sie etwa Tage vorher ungestört ein Fenster für den Einstieg präparieren konnten. Es stellen sich viele Fragen an Finanzministerium, Sächsischen Immobilienbetrieb (SIB) und Staatliche Kunstsammlungen Dresden (SKD).

Bei wem sehen Sie die Verantwortung?

Da können wir nur Vermutungen anstellen. Es scheint, dass man sich bei der SKD mit dem abspeisen ließ, was die SIB zu finanzieren bereit war, und auch der Finanzminister eher auf der Bremse stand. Es ist klar, dass absolute Sicherheit nie zu erreichen ist. Aber hier deutet vieles darauf hin, dass man im Grünen Gewölbe sehr blauäugig agierte.

Um die Vermutungen zu erhärten, wäre ein Untersuchungsausschuss gut geeignet.

Richtig. Das braucht aber im Landtag ein Quorum von einem Fünftel der Abgeordneten, was wir als Linksfraktion nicht erreichen. Die Koalition enthält sich bei solchen Schritten in der Regel, und parlamentarische Absprachen mit der ebenfalls oppositionellen AfD kommen für uns nicht infrage.

Wie passt fehlende politische Aufarbeitung dazu, dass der Diebstahl von CDU-Politikern sehr überhöht wurde, die von einem Anschlag auf Sachsens Identität sprachen?

Das ist typisch sächsisch. Es passiert ein Ereignis, das selbst die Regierung als Skandal bezeichnet, über das man dann aber sofort den Mantel des Schweigens breitet, weil man weiß, dass man selbst die Verantwortung trägt. Das kennen wir im Freistaat seit über 30 Jahren.

Wären in diesem Fall personelle Konsequenzen geboten gewesen? Falls ja: Wo?

Eine schwierige Frage. Der Einbruch fand im November 2019 in einer Zeit statt, als die alte Regierung nur noch geschäftsführend und die neue noch nicht im Amt war. Viele derjenigen, die in der Zeit für die Sanierung des Grünen Gewölbes verantwortlich waren, sind längst nicht mehr im Amt, bis hin zu dessen Direktor. Die SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann war damals noch nicht lange in dieser Position. Sie hat sicherlich keine glückliche Figur abgegeben, etwa mit dem gescheiterten Versuch, Diebesgut zurückzukaufen, der damit endete, dass der vermeintliche Vermittler mit 40 000 Euro durchbrannte. Aber von dieser Aktion dürften auch politisch Verantwortliche gewusst haben. Ackermann wäre da also eher ein Bauernopfer.

Sind die Kunstsammlungen gegen künftige Einbruchversuche besser gewappnet?

Es gab bauliche Veränderungen am Dresdner Schloss, in dem das Grüne Gewölbe untergebracht ist. Es gibt neue Videokameras. Mit dem Haushalt, der im Dezember vom Landtag beschlossen wurde, gibt es bessere finanzielle und personelle Möglichkeiten, um die Sicherheit zu erhöhen. Ich finde es trotzdem wichtig, dass aus dem Museum kein Hochsicherheitstrakt wird. Man denkt ja zum Beispiel über personalisierte Tickets nach, auch als Konsequenz aus Aktionen der Letzten Generation, von denen auch die Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister mit der »Sixtinischen Madonna« betroffen war. Ich hielte das für falsch. Insgesamt scheint einiges für eine bessere Sicherheit getan worden zu sein. Ich bedaure aber, dass darüber nicht geredet wird. Ich hätte es für richtig gehalten, Abgeordnete, Presse und die ja sehr interessierte Öffentlichkeit zu informieren, natürlich ohne in Details zu gehen. Die Botschaft hätte aber sein müssen: Wir haben gelernt; das Grüne Gewölbe ist künftig sicherer.

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