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  • Leopard-Panzer an die Ukraine

Kriegsbeteiligung ohne Soldaten

Kanzler Olaf Scholz erklärt, wo bei der Unterstützung für die Ukraine rote Linien verlaufen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

Olaf Scholz ist ein Meister darin, unangenehme Fragen nicht zu beantworten und um das eigentliche Thema einen Bogen zu machen. Am Mittwoch wollte der CDU-Abgeordnete Jürgen Hardt bei einer Fragestunde im Bundestag vom Kanzler wissen, warum er erst jetzt die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine befürwortet und ein solcher Schritt offensichtlich vor einigen Monaten noch als Provokation gegenüber Russland gesehen wurde und nun nicht mehr. Scholz erwiderte, dass nur der Angriff auf die Ukraine eine Provokation gewesen sei. Er wolle den Frieden und die Sicherheit in Deutschland und Europa gewährleisten und gleichzeitig der Ukraine helfen. »Wir haben uns bei den Schritten zur Unterstützung des Landes immer mit unseren Partnern abgesprochen, anstatt alleine zu handeln«, erklärte der SPD-Politiker. Dabei haben Staaten in Mittel- und Osteuropa schon lange die Lieferung von modernen, westlichen Kampfpanzern an die Ukraine gefordert. Hardt sprach von einem »politischen Flurschaden«, der von der rot-grün-gelben Regierung im Verhältnis etwa mit Polen und den baltischen Staaten angerichtet worden sei.

Die Entscheidung der Bundesregierung, zunächst 14 Leopard-Kampfpanzer des Typs 2A6 an Kiew zu liefern, war am Dienstagabend bekannt geworden. Nach den Worten von Scholz wird die Bundesrepublik die Ausbildung, Logistik und Wartung der Systeme gewährleisten. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen, die auf deutschem Boden stattfindet, kann völkerrechtlich eine Kriegsbeteiligung darstellen. Das geht aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hervor.

Auch aus diesem Grund wird die Entscheidung von der Linkspartei kritisiert. Sie spricht sich dafür aus, den Druck auf die Kriegsparteien zu erhöhen, damit diese in Verhandlungen miteinander eintreten. Auch die AfD hat sich gegen die Entscheidung der Bundesregierung positioniert. Ihr Abgeordneter Petr Bystron sagte, dass dies ein historischer Tag sei. Die Bundesregierung habe die Fundamente der westdeutschen Politik nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges über Bord geworfen. Bystron erinnerte an die sechs Millionen ermordeten Juden und die mehr als 20 Millionen Sowjetbürger, die dem Naziterror zum Opfer gefallen waren. Trotz dieser Erfahrungen liefere Deutschland nun Kampfpanzer in ein Kriegsgebiet.

Diese Ausführungen waren skurril, weil die Bundesrepublik seit Jahren keine Hemmungen hat, solche Panzer in Staaten zu exportieren, die diese auch in Kriegen einsetzen. Das zeigt etwa das Beispiel Türkei. Hinzu kommt, dass Bystron, der sich nun im Bundestag als Mann des Friedens inszenierte, noch vor wenigen Jahren in Südafrika ein gemeinsames Schießtraining mit der rechtsradikalen Suidlanders-Gruppe absolviert hatte.

Nun hielt Bystron dem Kanzler vor, mit der Entscheidung zu Kampfpanzern gegen den Mehrheitswillen der deutschen Bevölkerung zu handeln und Wahlversprechen zu brechen. Scholz ging darauf nicht ein. Er machte aber deutlich, dass aus seiner Sicht allein Russland die Schuld an dem Krieg trage. »Man darf nicht mit Gewalt die Grenzen verschieben. Das ist Imperialismus und gegen die Grundsätze der Politik von Willy Brandt und Helmut Schmidt«, sagte Scholz.

Auch bei der Nachfrage von Bystron, welche Kriegsziele nach den Panzerlieferungen verfolgt würden, wurde Scholz nicht konkret. »Die Ukraine will ihre territoriale Integrität verteidigen«, antwortete der Kanzler. Der Präsident des Landes, Wolodymyr Selenskyj, hatte in den vergangenen Monaten erklärt, auch die Halbinsel Krim von Russland zurückerobern zu wollen. Das würde bedeuten, dass der Krieg sehr lange weitergehen und die Ukraine weitere Forderungen an die westlichen Partner in Bezug auf Waffenlieferungen stellen wird.

Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, tut das bereits jetzt. Er begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung zu den Kampfpanzern und schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: »Und nun, liebe Verbündete, lasst uns eine starke Kampfjet-Koalition für die Ukraine auf die Beine stellen, mit F-16 und F-35, Eurofightern und Tornados, Rafale und Gripen-Jets – und allem, was ihr der Ukraine liefern könnt.« Melnyk ist inzwischen stellvertretender Außenminister und hatte sich kürzlich dafür ausgesprochen, dass sein Land zudem Kriegsschiffe erhalten sollte.

Scholz äußerte sich im Bundestag zurückhaltend zu diesem Forderungskatalog. »Dass es nicht um Kampfflugzeuge geht, habe ich ja sehr früh klargestellt und mache das auch hier«, erklärte er. Als kurz nach Kriegsbeginn über Flugverbotszonen diskutiert worden sei, hätten er und US-Präsident Joe Biden gesagt: »Das werden wir nicht tun. Und an dieser Haltung hat sich gar nichts geändert und wird sich auch nichts ändern.«

Auch westliche Bodentruppen sollten in keinem Fall in das Kriegsgebiet geschickt werden. »Ich habe gesagt, es wird keine direkte Beteiligung von Nato-Soldaten in dem Ukraine-Krieg geben. Das ist bisher nicht der Fall und das wird auch in Zukunft nicht der Fall sein. Und darauf können sich alle verlassen«, verkündete Scholz. »Das ist von Anfang an so gesagt worden, nicht nur von mir, sondern auch vom amerikanischen Präsidenten. Und zusammen sollte das ja wohl ein gewichtiges Wort sein.«

Allerdings hatte der Bundeskanzler sich auch monatelang bedeckt gehalten, was die Lieferung von Kampfpanzern angeht. Möglich ist also, dass weitere Schritte folgen könnten, wenn dies nach Absprachen mit den westlichen Verbündeten, insbesondere den USA, für notwendig erachtet wird. Deutschland ist bereits jetzt einer der größten Waffenlieferanten der Ukraine. In der Europäischen Union liegt die Bundesrepublik sogar an der Spitze. Nur die Vereinigten Staaten und Großbritannien liefern mehr Waffen und anderes Gerät.

Trotzdem war Scholz zuletzt nicht nur von Politikern der Union, sondern auch aus den Reihen seiner eigenen Koalition von Grünen und FDP-Abgeordneten attackiert worden. Sie warfen dem Bundeskanzler Zögerlichkeit und eine zu große Zurückhaltung vor. Das führt noch immer zu Verstimmungen in dem rot-grün-gelben Bündnis. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich stellte sich am Mittwoch hinter den Kanzler und rechnete mit dessen Kritikern ab. »Die ständigen Querschüsse haben mehr geschadet als genutzt und das eng abgestimmte Vorgehen gefährdet. All die vorschnellen Urteile lösen sich in heiße Luft auf. Weder bremst Deutschland noch ist es isoliert«, schrieb Mützenich in einem Brief an die SPD-Bundestagsabgeordneten.

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