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Polizisten droht Anklage
Beamte müssen sich wohl bald wegen Tötung eines jungen Geflüchteten in Dortmund verantworten
Nach Angaben aus Justizkreisen stehen die Ermittlungen zum Tod eines 16-jährigen unbegleiteten Flüchtlings aus dem Senegal, der Anfang August 2022 in der Dortmunder Nordstadt von einem Polizisten erschossen wurde, vor dem Abschluss. Der Dortmunder Oberstaatsanwalt Carsten Dombert, der Presseanfragen lange ins Leere laufen ließ, sagte bereits Anfang des Jahres auf nd-Nachfrage, dass Ende Januar 2023 die »Abschlussentscheidung in diesem Verfahren voraussichtlich erfolgen wird«. Durchgesickert ist, dass fünf beschuldigten Beamten der Prozess gemacht werden soll. An dem Einsatz waren insgesamt zwölf Polizisten beteiligt.
Vor allem der Todesschütze und der Einsatzleiter stehen im Fokus. Die Vorwürfe reichen von gefährlicher Körperverletzung im Amt über Anstiftung bis hin zu Körperverletzung mit Todesfolge beziehungsweise Totschlag. Weder die Dortmunder Polizei noch die Staatsanwaltschaft wollten dazu Stellung nehmen.
Die Ermittlungen, die aus »Neutralitätsgründen« von der Polizeibehörde im benachbarten Recklinghausen geführt wurden, zogen sich über Monate hin. In dieser Zeit haben Protest- und Solidaritätskundgebungen sowie eine große Demonstration im November 2022 in Dortmund stattgefunden. Auch kritische Medien, Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft haben den Druck auf Justiz und Polizei enorm erhöht. Nicht wenige Beobachter kritisieren die Polizei für ihr unangemessenes Vorgehen beim Einsatz und haben Sorge, dass der Fall nicht korrekt aufgeklärt wird.
Bislang sollen sich die Aussagen der Polizisten und der Sozialarbeiter der katholischen Jugendhilfeeinrichtung aus der Nordstadt über die Geschehnisse an jenem Nachmittag im Sommer weitgehend decken. Der Schütze schweigt bisher, heißt es. Noch gibt es offene Fragen, die Ermittlungen sind nicht abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft geht einem Zeitungsbericht zufolge davon aus, dass der Einsatz unverhältnismäßig ablief – folglich der Tod des Jugendlichen durch falsche Polizeitaktik verursacht worden war.
Lisa Grüter ist die Nebenklagevertreterin der Familie des getöteten Mouhamed. Somit können von ihrer Seite als Prozessbeteiligte auch Anträge gestellt werden. Die Dortmunder Rechtsanwältin kommuniziert fast täglich mit Vater und Bruder des Opfers im Senegal via Whatsapp. Grüter sagte gegenüber »nd«: »Wenn die Beamten nur wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt würden, was derzeit ja noch nicht sicher ist, fände ich das juristisch hoch fragwürdig.« Wenn ein Polizist mit einer schweren Waffe wie einer Maschinenpistole auf einen Menschen schieße, müsse unbedingt auch ein Tötungsvorsatz in Betracht gezogen werden. Entsprechend könne von grober Fahrlässigkeit nicht die Rede sein. Mouhameds Familie fordert eine einwandfreie juristische Aufarbeitung und Verantwortlichkeitsklärung. Die derzeitige Anklage sei »nur schwer zu verstehen«. Unabhängig davon, ob die Beamten dann später im Prozess tatsächlich für schuldig erklärt werden.
Fatma Karacakurtoglu, Linke-Stadträtin in Dortmund, verfolgt den Fall ebenfalls von Beginn an. »Es wird auch Zeit, dass eine Anklage erhoben wird. Schließlich ist das, was hier passierte, keine Bagatelle, sondern etwas, das sich bis zu dem Tod des jungen Mannes gesteigert hat. Es deckt neben dem Versagen der Flüchtlingspolitik und dem Mangel an Auffangsystemen für traumatisierte Geflüchtete viele Missstände auf«, sagte sie. Der Tod eines 16-jährigen traumatisierten Flüchtlings im Beisein und durch zwölf Erwachsene sei das Resultat der sich stetig steigernden Aggressivität und des strukturellen Rassismus. »Jetzt müssen Konsequenzen daraus folgen. Wir brauchen eine Abrüstung der Polizei in solchen Situationen, dafür eine stärkere Zusammenarbeit mit fachlichen Pädagogen oder Therapeuten sowie interkulturelle Inhalte in der Polizeiausbildung«, forderte Karacakurtoglu im Gespräch mit »nd«.
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