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Eskalation in der Luft

Westliche Staaten wollen Kampfjets an die Ukraine liefern – auch aus eigennützigen Gründen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Robert Habeck hat dieser Tage im ZDF auf die Frage, inwieweit Deutschland die Ukraine weiter militärisch unterstützen wolle, gesagt, dass es zwischen Kampfjets und Kampfpanzern einen Unterschied gebe. Als Wirtschaftsminister ist der Grüne letztlich für die Ausfuhr deutscher Waffen zuständig. Kanzler Olaf Scholz hat überdies klargemacht, dass Deutschland der Ukraine im Krieg mit Russland keine Kampfjets liefern werde. Ablehnend hatte sich der SPD-Politiker aber zunächst auch geäußert, als es um den Export von Kampfpanzern ging. Trotzdem werden nun 14 Leopard 2 aus dem Bestand der Bundeswehr an die Front geschickt.

Noch bedeutender ist, dass Berlin keine Einwände mehr erhebt, wenn andere Staaten in Deutschland produzierte »Leoparden« an die ukrainischen Streitkräfte abgeben. Dieses Nicht-Einspruchsverfahren könnte auch angewendet werden, wenn es um die Weitergabe von MiG-29-Jets durch Polen geht. Ein Dutzend davon flog einst bei den Luftstreitkräften der DDR.

Vor Monaten hätte Kiew sich über westliche MiGs noch gefreut. Inzwischen will man aber hochwertige westliche Technik, mit der die Luftüberlegenheit zurückerobert werden soll und die Bodentruppen bei geplanten Offensivhandlungen unterstützt werden. Das französische Angebot, unter bestimmten Bedingungen Rafale-Jets zu liefern, fand daher in Kiew kaum Interesse.

Die Präferenz der ukrainischen Luftwaffe liegt auf F-16-Jets. Zahlreiche westliche Staaten suchen derzeit nach Möglichkeiten, ihre gedienten F-16 loszuwerden. Weil sie auf die angebliche Wunderwaffe F-35 umrüsten, gibt es ein Überangebot an F-16. Kiew ist darüber nicht unglücklich, denn die F-16 haben ihre überlegene Mehrrollenfähigkeit weltweit und mehrfach unter Beweis gestellt. Erwartungen, dass die Jets – wie unter Nato-Kommando – mit den an den Grenzen zur Ukraine präsenten Aufklärungsmaschinen der Allianz verlinkt bleiben, werden sich vorerst wohl nicht erfüllen.

Hersteller der F-16 ist der US-Konzern Lockheed und bereits im vergangenen Jahr gab es auf militärischer Ebene Gespräche über einen möglichen Deal. Danach hatte die Ukraine Piloten zur Ausbildung an F-16 und A-10-Erdkampfjets über den Teich geschickt. Washington soll für diese geheime Aktion im vergangenen Jahr rund 100 Millionen Dollar bereitgestellt haben.

Nun wurde vermeldet, US-Präsident Joe Biden stelle sich in der Lieferfrage quer. Der Präsident hatte am Montag aber nur gesagt, die USA hätten keine Pläne, F-16-Kampfjets in die Ukraine zu schicken. Dass die gewünschten Flugzeuge aus anderen Nutzerstaaten geliefert werden, schloss Biden nicht aus.

Es ist davon auszugehen, dass die Nato-Staaten in Absprache mit der EU bis zum nächsten noch im Februar stattfindenden Ramstein-Treffen eine Lieferanten-Koalition schmieden. Auf dem Telegram-Kanal schrieb Andrij Jermak, der Stabschef des ukrainischen Präsidenten, dass »an der Beschaffung von F-16-Kämpfern gearbeitet wird. Wir haben positive Signale aus Polen, das bereit ist, sie uns im Einvernehmen mit der Nato zu geben.«

Einige Staaten sind ganz gierig, ihre überzähligen F-16 via Ukraine loszuwerden. Polen besitzt derzeit 48 F-16, die so modernisiert wurden, dass sie die neuesten Waffentypen – auch Marschflugkörper mit großer Reichweite – tragen können. Premierminister Mateusz Morawiecki bestätigte am Mittwoch, man werde »in voller Koordination« mit den anderen Nato-Staaten handeln. Was er vermutlich meinte: Polen, das 32 hochmoderne F-35A-Flugzeuge in den USA bestellt hat, will Washington dazu drängen, rasch Ersatz für die möglicherweise abzugebenden F-16 zu erhalten. Da trifft es sich gut, dass eine neu errichtete Lockheed-Produktionsstrecke mit der Herstellung einer neuen F-16-Variante begonnen hat. »Wir werden die Produktion der F-16 in Greenville erhöhen, um an den Punkt zu kommen, an dem wir uns ziemlich effizient mit allen Ländern einigen können, die sich dafür entscheiden, (der Ukraine) im aktuellen Konflikt zu helfen«, versprach Frank St. John, Chief Operating Officer von Lockheed Martin, der »Financial Times«.

Die Konkurrenz derjenigen, die der Ukraine F-16 liefern wollen, ist groß. Die niederländische Luftwaffe verkaufte jüngst 18 gebrauchte F-16 an das private Unternehmen Draken International, das sich in den USA als Partner beim Luftkampftraining anbietet. Mitte September kehrten sechs der Jets plötzlich wieder nach Europa zurück. Sie sollen an Bulgarien abgegeben werden, ist in Fachkreisen zu hören. Eine bewusst gelegte falsche Spur? Sicher ist, die Niederlande hätten weitere F-16 im Angebot, sie werden derzeit in den belgischen Werken von Sabena Aerospace durchgecheckt. Mitte Januar erklärte Verteidigungsminister Wopke Hoekstra vor dem Parlament, dass eine F-16-Lieferung in die Ukraine kein Tabu sei – wenn Kiew darum bitte.

Auch Dänemark hat wegen des F-35-Einsatzes F-16 aus dem Dienst genommen. Griechenland ist in einer ähnlichen Situation, zögert jedoch wegen der Streitigkeiten mit dem Nato-Partner Türkei. Die Türkei betreibt nach den USA und Israel die drittgrößte F-16-Flotte, scheidet aber als Lieferant vermutlich aus. Ankara braucht stabile Beziehungen mit Moskau, schon um in Syrien freie Hand zu haben. Die 32 ausgemusterten norwegischen F-16-Maschinen stehen vermutlich auch nicht zur Verfügung. Sie sind Rumänien versprochen, das an einer anderen Ostflanke der Nato Bedeutung erlangt. Auch Portugal wird seine F-16-Überbestände an Bukarest weiterreichen. Noch jedoch kann man per Ringtausch manches richten. Wichtig überdies: Alle F-16-Betreiberstaaten stehen als Ersatzteil- und Munitionslieferanten zur Verfügung.

Russland hat die Ukraine vor fast einem Jahr überfallen, es gab immer wieder Eskalationsstufen. Mit F-16-Lieferungen würden die Nato und andere westliche Staaten noch deutlicher zur Kriegspartei. Vor einem am Freitag in Kiew beginnenden Gipfeltreffen schloss der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nicht aus, dass es zur Abgabe von Kampfflugzeugen an die Ukraine kommt. Warnungen vor Eskalationsrisiken nimmt er offensichtlich nicht allzu ernst – die habe es vor allen Waffenlieferungen gegeben. Wie weiter? Gibt es – wie bei den Panzern – eine Koalition von Jet-Exporteuren, werden die USA die Transfer-Absprachen einiger Staaten nachdrücklich unterstützen. Und Deutschland wird so tun, als habe man gewarnt, sei damit nicht durchgedrungen, stehe aber fest zu den Entscheidungen im Bündnis.

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