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  • Biathlon-Weltmeisterschaften 2023 in Oberhof

Oberhofs Biathlon-WM ist schneesicher – auf künstliche Art

Auch dank teurer Depots strahlt die Arena am Grenzadler ganz in Weiß

  • Andreas Morbach, Oberhof
  • Lesedauer: 4 Min.
Pünktlich zur WM präsentiert sich Oberhof komplett in Weiß. Das sah im Januar noch ganz anders aus.
Pünktlich zur WM präsentiert sich Oberhof komplett in Weiß. Das sah im Januar noch ganz anders aus.

Bevor am Mittwoch in Oberhof die Biathlon-Weltmeisterschaften mit der Mixed-Staffel beginnen, dreht Hartmut Schubert seine innere Uhr um ein paar Jahre zurück. Zurück in die Phase zwischen 2015 und 2016, als das Städtchen am Rennsteig seinen Status als Weltcup-Gastgeber zu verlieren drohte. »Gerade im Biathlon gab es zu der Zeit zwischen dem Veranstalter und dem Sportstättenbetreiber noch kein gutes Miteinander. Das war das Hauptproblem«, erzählt Schubert im Gespräch mit dem »nd«. Und dann lässt der Organisationschef der Oberhofer Doppel-WM – Ende Januar gingen hier bereits die Titelkämpfe im Rennrodeln über die Bühne – noch einmal die möglichen Konsequenzen Revue passieren.

»Damals ist der Schnee meistens hierher transportiert worden, zum Beispiel aus Gelsenkirchen – und der war teilweise mit Dreck versetzt«, erinnert sich der 63-Jährige. Im Januar 2016 reichte auch das nicht und der Weltcup wurde komplett abgesagt. Rückblickend mutmaßt Schubert: »Ich glaube, das wäre wirklich vor den Baum gegangen. Noch ein paar solche Sachen und wir wären raus gewesen.« Diesmal aber hatten die Oberhofer die Warnschüsse der Internationalen Biathlon-Union (IBU) verstanden.

Im September 2018, zwei Jahre nach der gescheiterten Bewerbung für die Welttitelkämpfe 2020, nahm Schubert seinen Job als WM- und Oberhof-Beauftragter der Thüringer Landesregierung auf. 2020 gab es dann noch einmal ein Problem mit schlechter Schneequalität und Transportproblemen. »Da wurde mir klar, wo die Reise hingehen muss«, rekapituliert er. Thüringens geschichtsträchtiges Wintersportzentrum entwickelte daraufhin sein eigenes Schneekonzept. »Und heute«, sagt Schubert, »sind wir in der Lage, innerhalb von wenigen Tagen – wenn das Wetter stimmt – Kunstschnee zu produzieren.«

Das Wetter allerdings stimmt immer seltener: Nach der vorläufigen Bilanz des Deutschen Wetterdienstes rangiert der Januar 2023 unter den zehn wärmsten Januarmonaten seit Beginn der Aufzeichnungen 1881. Immerhin: Für die ersten WM-Tage Anfang Februar wird im für seinen Regen-, Wind- und Nebel-Mix bekannten Oberhof sonniges Wetter mit Temperaturen knapp unter null Grad vorhergesagt. Nachts fällt das Barometer dann schon mal auf zweistellige Minusgrade, in der zweiten WM-Woche soll es dann etwas wärmer werden.

Das sind erst einmal beruhigende Aussichten für die Veranstalter, deren Sorgen Kati Wilhelm aus eigener Erfahrung nur zu gut kennt. »Die Schwierigkeit mit dem sonstigen Weltcuptermin Anfang Januar bleibt sicher die größte Herausforderung für Oberhof. In diesem Jahr wäre das sehr schwer geworden, hier einen Weltcup durchzuführen – trotz voller Schneedepots«, glaubt die frühere Weltklasse-Biathletin, die im 15 Kilometer entfernten Steinbach-Hallenberg zu Hause ist. Sie weiß: »Es herrscht immer eine große Aufregung um das Thema, denn der Weltverband überlässt da möglichst nichts mehr dem Zufall.« Im Februar wäre durchschnittlich mehr Schnee in Oberhof vorhanden, doch diese Termine sind entweder durch die WM oder andere Ausrichter schon auf Jahre geblockt.

Tatsächlich stelle die IBU die Forderung nach Sicherheit in Form von Schneedepots, führt die 46-Jährige ihren Gedanken weiter aus. Mittlerweile beherbergt Oberhof fünf solcher Depots. Als letztes Puzzleteil im Konzept der örtlichen Strategen kam im vergangenen Jahr eine Lagerhalle hinzu, in der 7500 Kubikmeter Schnee untergebracht werden können. Insgesamt fassen die Depots, die bis zur zwei Kilometer entfernten Schanzenanlage im Kanzlersgrund verstreut sind, knapp 40 000 Kubikmeter Schnee. Das ist rund viermal so viel, wie die Organisatoren des Ruhpoldinger Weltcups Mitte Januar zur Verfügung hatten.

Während beispielsweise die Grünen in Bayern mit Verweis auf den Klimawandel mit steigenden Durchschnittstemperaturen fordern, keine Steuermittel mehr in den Betrieb von Schneekanonen zu stecken, verteidigen die Thüringer Kommunen und das Land ihre offensive Herangehensweise. Insgesamt 84 Millionen Euro flossen in die Modernisierung der Rodel- und Biathlon-Anlage, auch der Bund steuerte davon 9,5 Millionen Euro bei. »Den Schnee für die neue Lagerhalle können wir mit Photovoltaik auch im September erzeugen – was dann auch klimaneutral ist«, nennt Organisationschef Schubert einen Aspekt des neuen Energiekonzepts, das nach seinen Angaben bei den Sportanlagen zu 80 Prozent bereits umgesetzt sei. »Das Ziel ist, irgendwann zu 100 Prozent eigenen Strom zu erzeugen und überhaupt 100 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen am Standort zu verwenden«, erläutert der promovierte Chemiker – der den Weltcup vor acht Jahren noch aus Oberhof verschwinden sah.

»Ich glaube nicht, dass die IBU das durchgezogen hätte, Oberhof und dem Deutschen Skiverband den Weltcup wegzunehmen«, winkt der zweimalige Weltmeister Erik Lesser gegenüber »nd« ab. Eine Ansicht, zu der Kati Wilhelm eine wichtige Ergänzung hat. »Aus meiner Sicht«, betont die dreifache Olympiasiegerin, »war es von der IBU damals nicht verkehrt, zu sagen: ›Als Ausrichter müsst ihr euch ein bisschen mehr bemühen und an euch und dem Gesamtkonzept arbeiten.‹« Eine Ansage, die bei den Machern am Rennsteig dann schließlich auch die gewünschte Wirkung gezeigt hat.

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