Werbung

Münster könnte Nato-Zentrale werden

Nordrhein-westfälische Stadt als Armee-Hauptquartier der nordatlantischen Militärallianz im Gespräch

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.

Wird Nordrhein-Westfalen bald noch mehr als bisher Drehscheibe der Nato-Führung? Medienberichten zufolge ist Münster, nahe der Grenze zu den Niederländen, als Standort des künftigen Armee-Hauptquartiers der selbst ernannten transatlantischen Sicherheitsallianz im Gespräch.

In Nordrhein-Westfalen befinden sich bereits seit langem wichtige Nato-Stützpunkte. So ist in Geilenkirchen bei Aachen der Awacs-Luftraum-Aufklärungsverband der Allianz stationiert. Zudem gibt es 25 Bundeswehrstandorte in NRW, und auch das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) hat in der alten Bundeshauptstadt Bonn nach wie vor einen Dienstsitz neben der Zentrale im Berliner Bendlerblock. Die zentrale Lage Münsters in Westeuropa und die Präsenz anderer Einheiten könnte für die mögliche weitere »Nato-Ansiedlung« ausschlaggebend sein, auch wenn die Entscheidung noch nicht gefallen ist und es Widerstände von einigen Nato-Partnerstaaten gegen diesen Standort gibt.

Wie die »Westfälischen Nachrichten« (WN) vergangenen Freitag berichteten, würde das Armee-Hauptquartier bei einem Einsatz bis zu 600 000 Soldaten führen. Bislang ist indes auch Szczecin im Nordosten Polens als Standort im Rennen.

Die Stadt Münster reagierte auf nd-Anfrage zum Thema überrascht und verwies auf das Bundesministerium. Von dort wiederum heißt es, man beteilige sich nicht an Spekulationen.

Die Nato will sich nicht zuletzt angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine und der in der Folge beschlossenen Aufrüstung der Bündnisstaaten eine neue Führungsstruktur geben, die bis 2025 installiert werden soll. Das Bündnis mit seinen 30 Mitgliedstaaten hat insgesamt knapp 3,4 Millionen Soldaten.

Wie das Nachrichtenportal »Business Insider« Mitte Januar berichtete, soll es unterhalb des Nato-Hauptquartiers in Brüssel und der drei Joint Force Commands (JFC) im US-amerikanischen Norfolk im niederländischen Brunssum und im italienischen Neapel künftig zwei neue Armee-Hauptquartiere geben – eines für Nord- und eines für Südeuropa. Für den Süden gilt das rumänische Sibiu bereits als gesetzt. Es würde lzmir in der Türkei ablösen. Um den Nachfolgestandort von Wiesbaden im »europäischen Nord-Gebiet« bewerben sich Polen, das der Nato seit 1999 angehört, und die Bundesrepublik, die seit 1955 Mitglied ist.

Für Szczecin spricht, dass sich dort bereits Militärinfrastruktur der Nato befindet und dass Polen eines der Länder ist, die bereits das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllen, also mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes in ihren laufenden Verteidigungshaushalt stecken.

Die Bundesregierung kann einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zufolge trotz des nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine geschaffenen Sondervermögens für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro die Vorgabe bislang nicht erfüllen. Das Institut mit Sitz in Köln geht für 2023 von einer »Lücke von etwas unter 18 Milliarden Euro« im Verteidigungshaushalt aus. Die Autoren der Studie sprechen auch von Defiziten bei der Rüstungsproduktion.

Münster gilt dennoch nicht nur in Bundeswehrkreisen als idealer Standort für das neue Kommando. Schon jetzt ist die Stadt Standort des Deutschen-Niederländischen Korps der Allianz, das in diesem Jahr das Kommando über die schnelle Eingreiftruppe der Nato, VJTF, innehat. Das Korps ist derzeit in der Lage, 40 000 bis 100 000 Soldaten in einem Einsatz zu führen. Der VJTF unterstehen gegenwärtig rund 50 000 Soldaten.

Sollte Szczecin das Hauptquartier bekommen, verlöre Deutschland seinen letzten bedeutenden Nato-Standort für Führungsaufgaben, den es selbst verantwortet. Allerdings verlautet dem WN-Bericht zufolge aus Nato-Kreisen, dass die polnische Stadt aus geografischen Gründen als weniger geeignet angesehen wird: Es läge im Ernstfall »zu nah im Wirkungsbereich der ballistischen Waffen Russlands«, heißt es von dort.

Bis April soll über die neue Struktur der Militärallianz weitgehend entschieden werden. Dann werden die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten laut »Business Insider« über die Standorte beraten und entscheiden.

Schon länger steht fest, dass die Ruhrgebietsstadt Bochum nicht zentraler Sitz der Nato-Cyber-Einheit NCIA wird. Diese ist für die Planung und Durchführung der sogenannten vernetzten Kriegsführung der Nato verantwortlich. Sie soll also Cyberangriffe abwehren oder eigene vorbereiten. Die NCIA ist gleichwohl bereits in NRW vertreten: Sie hat in dem Städtchen Uedem einen Standort. Ein weiterer befindet sich im rheinland-pfälzischen Ramstein.

Bochum hatte sich als Sitz der NCIA-Zentrale vor knapp anderthalb Jahren beworben. Die von der »WAZ« bezeichnete Cyberkriegs-Agentur der Nato sollte nach dem Willen der Repräsentanten der Stadt wie auch des Landes NRW von Belgien auf das alte Bochumer Opel-Areal umziehen. Man hatte sich im Zusammenhang damit Hoffnung auf bis zu 2000 neue Arbeitsplätze gemacht.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.