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Das Gift der Vorurteile
Eine neue Studie beleuchtet die Unterstützung für Hasskriminalität in der Bundesrepublik
In zwei Wochen jährt sich der rassistische Terroranschlag in Hanau zum dritten Mal. Dank der unermüdlichen Arbeit der Opferinitiativen hat sich seitdem der politische Konsens etabliert: Rassismus ist kein Randphänomen, sondern ein drängendes Thema der deutschen Gesellschaft. Wie verbreitet rechte Gewalt ist, zeigen Zahlen des Bundeskriminalamtes: 2021 kam es zu 21 964 rechten Straftaten, darunter 1042 Gewalttaten. Das bedeutet, dass im Durchschnitt alle 24 Minuten eine rechte Straftat begangen wird.
Ein aktueller Lagebericht, den die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration und Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, Reem Alabali-Radovan (SPD), kürzlich vorgestellt hat, betont die strukturelle Komponente von Rassismus in Deutschland: »Rassismus ist weitaus mehr als ein individuelles Vorurteil: Die ihm zugrundeliegenden Denkmuster sind historisch tief verankert, sodass sie die Weltsicht der Menschen vielfach auch unbewusst prägen können; Rassismus durchzieht daher die gesamtgesellschaftlichen Strukturen.«
Täter von Hasskriminalität sind oft gut bekannt. Unter Hasskriminalität werden Straftaten verstanden, bei denen der Täter das Opfer aus rassistischen Motiven oder aus anderen Gründen auswählt, die sich auf die Gruppenzugehörigkeit des Opfers beziehen. Kriminalstatistiken geben detaillierte Auskunft, und die wissenschaftliche Disziplin der Täterschaftsforschung untersucht nicht nur demografische Merkmale, sondern auch Motive und Umstände, die eine Tat wahrscheinlicher machen.
Über die entsprechenden Unterstützungsnetzwerke ist dagegen wesentlich weniger bekannt. Eine Studie der Professorin für Politik an der Princeton Universität in den USA, Rafaela Dancygier, hat diese gesamtgesellschaftlichen Strukturen und Unterstützungsnetzwerke von Hasskriminalität in Deutschland nun genauer untersucht.
Dafür wurden in den Jahren 2016 und 2017 Umfragen zur Zustimmung für Hasskriminalität gegen Geflüchtete in der Bundesrepublik durchgeführt. Mehr als 15 Prozent der Befragten unterstützten Aussagen, die Gewalttaten gegen Geflüchtete befürworteten. Vorurteile gegenüber Geflüchteten fanden sich aber auch bei denjenigen, die Gewalttaten explizit ablehnten.
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Besonders auffällig ist dabei: Diese Unterstützungsnetzwerke gehen weit über die Profile der Täter hinaus. Täter von Hassverbrechen, das zeigen Kriminalstatistiken und die Forschung, sind zu einem großen Teil männlich, jung und haben einen niedrigen sozio-ökonomischen Status. Mit Blick auf die Unterstützungsgruppen verändert sich aber dieses Bild: »Obwohl nur eine kleine Gruppe tatsächlich Hassverbrechen begeht, zeigt sich, dass die Unterstützungsgruppen dieser Verbrechen weit größer und diverser sind, als das Profil der Täter vermuten ließe«, heißt es in der Studie.
Unterstützer von Hasskriminalität finden sich unabhängig von Geschlecht, Alter oder Einkommen. Fast die Hälfte der Unterstützungsgruppe war weiblich, alle Einkommens- und Altersgruppen waren vertreten.
In einem weiteren Schritt untersuchte die Wissenschaftlerin, welche Bedeutung diese Unterstützungsgruppen auf politische Entscheidungen haben. Dafür nahm sie insbesondere die AfD in den Blick, weil es hier die größte Übereinstimmung von Unterstützung für Gewalt gegen Geflüchtete gab. Es zeigte sich, dass die AfD-Wähler, die Hasskriminalität gegen Geflüchtete befürworten, selbst eher Kandidaten wählen, die diese Gewalt ebenfalls befürworten. Diejenigen Wähler, die sich gegen Gewalt gegen Geflüchtete positionierten, strafen aber Kandidaten nicht ab, die Gewalt unterstützten.
Die Forscherin schloss aus diesen Erkenntnissen: »Bei der rechtsradikalen AfD festigt der Aufruf zur Gewalt gegen Flüchtlinge ihre Basis. Obwohl die AfD-Kandidaten ihre Koalition nicht erweitern können, indem sie Gewalt befürworten, erzeugt das Senden dieser Botschaften bei einem beträchtlichen Teil ihrer Wählerschaft Begeisterung. Gewaltfördernde Kandidaten haben einen klaren Vorteil unter den rechtsradikalen Unterstützern von Hasskriminalität.«
Die Studie zeigt einmal mehr, warum Rassismus nicht erst dann zum Problem wird, wenn er tötet. Rassistische Erfahrungen verletzen Menschen im Alltag. Darüber hinaus bieten rassistische Vorurteile eine Basis, auf die gewaltbereite Rassisten aufbauen können und aus der sie Unterstützung und Duldung ihrer Taten erwarten können. Der Kampf gegen Rassismus kann sich deswegen nicht allein auf gewaltbereite Rassisten konzentrieren, sondern muss gesamtgesellschaftlich gedacht werden und auch jene Gruppen in den Blick nehmen, die zwar wahrscheinlich nicht selbst zu Tätern werden, aber die Taten unterstützen.
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