Galeria Karstadt Kaufhof in gemeinwohlorientierte Hand geben

Mehrere Standorte von Galeria Karstadt Kaufhof werden aufgewertet, andere sollen schließen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist gelernter Lebensmittelkaufmann, hat bei Karstadt gelernt und sei besorgt, wenn er auf die Entwicklungen bei dem Kaufhausriesen blicke, sagt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). »Ich habe Verständnis dafür, dass die Mitarbeiter um ihr Unternehmen kämpfen, aber ich spüre, wie sie immer mehr einer Illusion aufsitzen.« Es gehe nicht an, weiter Verträge mit dem Konzern Signa über eine Immobilienentwicklung zu schließen. »Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende«, das sei der »bittere« Satz, der ihm durch den Kopf gehe, so Ramelow in einem Grußwort an seine Berliner Genossen. 

Diese haben am Dienstagsabend darüber diskutiert, wie damit umzugehen ist, dass Galeria Karstadt Kaufhof nun zum zweiten Mal seit 2020 Insolvenz angemeldet hat, nachdem es zuletzt Millionenhilfen bekommen hatte. Wieder sollen Standorte geschlossen werden, Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, während der österreichische Mutterkonzern Signa auch in Berlin andere Warenhausstandorte aufwertet. Hinter Signa findet sich eine undurchsichtige Unternehmensstruktur. Immobilienmarktexperte Christoph Trautvetter erklärt, dass es vier Sparten gibt: die Immobilien, die Luxuskaufhäuser, Galeria Karstadt Kaufhof und die Kaufhäuser, die nicht zugleich Mieter bei Signa sind. »Der Großteil der Kaufhäuser, die keine Miete an Signa zahlen, sind ihnen komplett egal«, sagt Trautvetter. Stattdessen habe die Immobiliensparte zuletzt noch einmal viel Geld von Investoren einsammeln können. 

Bei der letzten Insolvenz 2020 schloss der damalige rot-rot-grüne Senat mit dem Unternehmen eine Absichtserklärung, einen sogenannten Letter of Intent, dem zufolge bestimmten Warenhausstandorten der befristete Weiterbetrieb zugesichert wurde, während es seitens der Landesregierung grünes Licht für Signas Entwicklungspläne für die Immobilien am Kurfürstendamm, Alexanderplatz und Hermannplatz gab. »Der Letter of Intent wäre nicht möglich gewesen, wenn Signa nicht auch ein großer Arbeitgeber wäre«, sagt Niloufar Tajeri von der Initiative Hermannplatz, die gegen die dortige Aufwertung des Warenhauses kämpft. Signa könne, weil das Unternehmen sowohl Arbeitgeber als auch Immobilienentwickler ist, die Sorge um Arbeitsplätze gegen die Angst vor Verdrängung durch die Aufwertung ausspielen. 

Die Frage ist auch, ob die Immobilienentwicklung, die an allen Standorten »Mixed-Use-Objekte« mit vielen Büros und weniger Warenhaus sowie ein paar Nebelkerzen von Flächen für das Gemeinwohl vorsieht, am Ende überhaupt Arbeitsplätze retten wird. Die Umbauten dauern lange. »Es braucht Übergangsarbeitsplätze an anderen Standorten und ein Rückkehrrecht«, fordert Ralph Thomas von Verdi. Andere meinen, mit Signa hätten die Warenhäuser keine Zukunft.

»Vielleicht sollte man das Unternehmen lieber pleitegehen lassen, damit Neues entstehen kann«, meint Christoph Trautvetter. »Es gibt Menschen, die jede einzelne Steckdose an ihrem Standort kennen«, erzählt Niloufar Tajeri. Die Beschäftigten wären in der Lage, die Warenhäuser selbst zu verwalten. Dieses Wissen müsse nicht verloren gehen. 

Auch Katalin Gennburg, Stadtentwicklungsexpertin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, betont die Rolle, die die Kaufhäuser als kommunale Nahversorger in gemeinwohlorientierter Hand spielen könnten. Demnach sollten Arztpraxen und »Sorgezentren« dort einziehen, wo Signa sich Büros vorstellt. Gennburg meint, es brauche Bündnisse. Dann wäre auch ein radikaler Schritt gegen die Immobilieninvestoren denkbar. »Die Besetzung ist die einzige Sprache, die diese Leute verstehen«, sagt sie. 

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