Ein Gedenken, das zu überdenken ist

Neues Dresdner Bündnis will rechtsextreme Veranstaltungen anlässlich des 13. Februar stören

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

In Dresden findet am Montag wieder eine Menschenkette statt, zu der die Stadt mit »mehreren Tausend« Teilnehmern rechnet. Sie ist Teil des Gedenkens, mit dem an die großflächige Kriegszerstörung der Stadt am 13. Februar 1945 erinnert wird – und das einmal mehr auf scharfe Kritik stößt. »Wir müssen das Gedenken überdenken«, sagt Anne Herpertz, die in Dresden lebende Bundesvorsitzende der Piratenpartei. Sie verweist zur Begründung auf eklatante Lücken im Aufruf für die Menschenkette. Dort finde sich »kein Wort zur Instrumentalisierung durch Neonazis und zu Geschichtsrevisionismus«.

Nazis missbrauchen den Dresdner Gedenktag seit Jahren für ihre Zwecke. Sie bezeichnen die alliierten Luftangriffe gegen Ende des Zweiten Weltkriegs als Kriegsverbrechen und nutzen sie, um deutsche Kriegsschuld zu relativieren. Dazu gehört auch eine starke Überhöhung der Opferzahl, die Historiker auf rund 25 000 beziffern. Ein alljährlicher »Trauermarsch« der Nazis zog bis zu 8000 Teilnehmer an und war zeitweise die europaweit wichtigste Veranstaltung der Szene. Zuletzt sank die Zahl auf teils unter 1000.

Verantwortlich waren vor allem massive Blockaden durch Antifaschisten, zu denen seit 2010 das Bündnis »Dresden nazifrei« mobilisiert hatte. Es hatte kürzlich seine Auflösung bekannt gegeben. An seine Stelle ist mit »Dresden wi(e)dersetzen« nun ein neuer Zusammenschluss getreten, in dem zum Beispiel antifaschistische Gruppen, Parteien, die Initiative »Herz statt Hetze«, die Seenotretter von »Mission Lifeline« oder der Flüchtlingsrat mitwirken. Er will die »breite Zivilgesellschaft« ansprechen und zum Widerstand gegen einen auch für dieses Jahr geplanten Naziaufmarsch animieren, der für Samstag angemeldet ist. Rita Kunert vom Bündnis erklärte, man wolle »verhindern, dass Neonazis durch Dresden laufen können«. Mit welchen Mitteln das geschieht, wird von der Zahl der Protestierenden abhängig gemacht. »Wenn genug Menschen kommen, ist vieles möglich« sagt Kunert. Gestört werden sollen auch eine mögliche Kranzniederlegung der AfD am frisch sanierten Denkmal der »Trümmerfrau« vor dem Rathaus und ein Aufzug des örtlichen »Querdenken«-Ablegers am Montag, der als »Gedenkzug« in die Innenstadt ziehen will.

Auch die Menschenkette entstand ursprünglich als Reaktion auf die Aufmärsche der Nazis. Zwar kritisierten Vertreter von »Dresden nazifrei« stets, dass sie deren Demonstrationen nicht wirklich be- oder gar verhindere. Die damit verbundenen politischen Bekundungen waren aber deutlich. Piratenchefin Herpertz zitiert den Redebeitrag der damaligen CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz, die 2010 erklärte, man wolle die Stadt zu einer »Festung gegen Intoleranz und Dummheit« machen und die Innenstadt zumindest symbolisch vor Nazis schützen.

Im Aufruf für dieses Jahr fehle dieser Bezug vollständig, kritisiert Herpertz. Unter der Überschrift »Frieden! Gemeinsam gestalten« ist die Rede davon, dass Dresden der Bombardierung der Stadt und der Millionen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedenkt. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) formuliert, die Stadt bekenne sich »klar gegen Krieg, Hass und Gewalt«. Ursula Staudinger, die Rektorin der TU Dresden, spricht von einem »starken, wehrhaften Zeichen für eine friedliche, demokratische und pluralistische Gesellschaft«. Deutlicher wird der Text allerdings nicht. Das hatte es in früheren Jahren immer wieder auch Rechtsextremen oder Politikern der AfD ermöglicht, sich in die Kette einzureihen. Diese sei, sagt Herpertz, mittlerweile »leere Symbolpolitik und schützt nicht die Stadt«.

Auch andere Elemente des Gedenkens sind hoch umstritten, etwa die Ehrung der Bombenopfer auf dem Heidefriedhof. Dieser sei »einer der ambivalentesten und kontroversesten Erinnerungsorte«, räumt die Stadtverwaltung ein. Eine monumentale Grabanlage unterstreicht den von großen Teilen der Stadtgesellschaft gepflegten Opfermythos und die ungerechtfertigte Überzeugung, das Dresdner Schicksal sei einzigartig. Zu den offiziellen Kranzniederlegungen auf dem Heidefriedhof erschienen neben Vertretern von Landtag und Landesregierung regelmäßig zahlreiche Rechtsextreme. In diesem Jahr richtet ein Verein dort ein Gedenken aus und bittet, auf Kränze zu verzichten. Die offizielle Gedenkstunde findet derweil auf einem anderen Dresdner Friedhof statt.

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