- Berlin
- Landesantidiskriminierungsgesetz
HU lenkt ein: Campus Cards mit selbstgewähltem Namen möglich
Trans, inter und nichtbinäre Studierende können sich mit ihren richtigen Vornamen ausweisen. Damit kommt die Universität einem LADG-Urteil zuvor
Seit Anfang des Jahres können trans, inter und nichtbinäre (TIN) Studierende der Humboldt-Universität ihre selbstgewählten Vornamen auf der Campus Card führen. Das hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) diese Woche öffentlich gemacht. Die Nichtregierungsorganisation hatte im Juni gegen die Universität eine Verbandsklage nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz eingereicht. Denn im Gegensatz zu der Freien Universität, der Alice-Salomon-Hochschule und der Universität der Künste hatte sich die HU bis vor Kurzem geweigert, die Identitätsnamen von TIN-Studierenden im Studierendenausweis einzutragen. Nun hat sie anscheinend dem juristischen Druck nachgegeben und noch vor einem Gerichtsurteil die Praxis geändert.
Bücher ausleihen, Essen in der Mensa bezahlen, mit der BVG fahren: Die Campus Card ist ein alltäglicher Begleiter. »Wenn da ein Name draufsteht, der überhaupt nicht mehr zu meinem Erscheinen und meinem Ich passt, kommt man in Erklärungsnot und muss sich outen«, sagt Jenny Wilken zu »nd«. Für die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) hat sie die Klage inhaltlich unterstützt. »Hochschulen haben diese Autonomie, es ist rechtlich unbedenklich und an anderen Unis schon lange Standard. Die HU ist eine der wenigen großen Unis gewesen, die sich da seit Jahren konsequent verweigert hat.« Und das, obwohl Betroffene sich seit mindestens zehn Jahren dafür einsetzten. »Irgendwann hilft dann doch nur noch der rechtliche Weg.«
Viele junge TIN-Menschen hätten noch keine Personenstandsänderung hinter sich, erklärt Wilken. Den amtlichen Namen an das gelebte Geschlecht anzupassen, erfordert nach dem aktuell noch geltenden Transsexuellengesetz ein aufwendiges und teures Prozedere, viele Studierende könnten sich das nicht leisten. »Oder sie sind finanziell abhängig von ihren Eltern und laufen Gefahr, diese Unterstützung zu verlieren, wenn sie ihren Personenstand ändern und sich vor ihnen outen.« Basierend auf dem gesamtgesellschaftlichen Durchschnitt von ein bis drei Prozent TIN-Personen, geht Wilken von mehreren Hundert HU-Studierenden aus, die nicht ihren amtlichen Namen verwenden wollen. Den richtigen Namen zumindest auf dem Studierendenausweis zu führen, könnte sie vor diskriminierenden Erlebnissen bewahren.
Soraia Da Costa Batista ist überzeugt, dass alle Menschen einen Anspruch darauf haben, mit dem Vornamen angesprochen zu werden, der ihrem Geschlecht entspricht. Die Juristin hat die Verbandsklage für die GFF koordiniert und hält die jahrelange Abwehrhaltung der HU für diskriminierend. »Die geschlechtliche Identität wird durch die Verfassung geschützt. Der Grundrechtsschutz kann nicht so lange ausgesetzt werden, bis man seinen amtlichen Vornamen ändert. Der Anspruch auf Verwendung des Identitätsnamen besteht bis auf wenige Ausnahmen unabhängig von einer Personenstandsänderung.« Sie freut sich deshalb über den »Riesenerfolg«. Einige Studierende hätten bereits ihre neuen Ausweise erhalten. Sie können die Campus Card nun anpassen, indem sie einen sogenannten Ergänzungsausweis der dgti mit Identitätsnamen und Geschlecht vorlegen, berichtet Da Costa Batista gegenüber »nd«.
Obwohl die GFF ihr Ziel erreicht hat und der Klagegegenstand nun weggefallen ist, hofft die Juristin auf eine Äußerung des Gerichts. Denn eine rechtliche Einschätzung könnte auf das Bundesgebiet ausstrahlen. Die Mehrzahl der großen Universitäten in Deutschland erkennt zwar die Ergänzungsausweise der dgti an, doch einige wenige wie die Münchner Hochschulen stellen sich noch quer. Eine rechtliche Beurteilung aus Berlin, dem einzigen Bundesland, das mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz Verbands- und Schadensersatzklagen gegen öffentliche Stellen ermöglicht, könnte eine gewisse Rechtssicherheit geben.
Auch für Jenny Wilken geht der Kampf um Anerkennung weiter. Die dgti fordert Universitäten dazu auf, den Identitätsnamen auf Studienabschlüssen zu verwenden. Laut Wilken wäre das urkundenrechtlich durch die Verknüpfung mit der Immatrikulationsnummer kein Problem und würde TIN-Menschen den Weg ins Berufsleben erleichtern. »Sich mit einem Zeugnis bewerben zu müssen, wo der falsche Name draufsteht, kann zu massiven Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt führen«, so Wilken. Doch dieser Schritt steht jedenfalls in der HU noch nicht in Aussicht.
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