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Die letzten Tage der Baumhäuser
Waldbesetzer im »Heibo« bei Dresden erwarten baldige Räumung. Demonstration am Sonntag geplant
Eine Nacht im Baumhaus, das klingt romantisch. Wochenlang bei strengem Frost in einer notdürftig gedämmten Bretterkonstruktion auszuharren, ist aber kein Spaß. Die Aktivisten, die im »Heibo« bei Dresden auf Bäumen leben, behelfen sich, indem sie drei Schlafsäcke ineinanderstopfen und sich gegenseitig wärmen. »Kuscheln hilft«, sagt einer.
Manche erleben bereits den zweiten Winter im »Heibo«. Das Kürzel bezeichnet den »Heidebogen« der Radeberger und Laußnitzer Heide. Hier gibt es wertvolle Wälder, seltene Tiere und Pflanzen und Moore, die in Zeiten des Klimawandels eine zusätzliche Bedeutung als CO2-Speicher gewonnen haben. Außerdem gibt es freilich Kiesgruben, in denen das Kieswerk Ottendorf-Okrilla GmbH & Co. KG Baumaterial gewinnt. Das Unternehmen will seine Abbauflächen um über 100 Hektar erweitern. Gegen die fatalen Folgen für Grundwasser und Moore wehrt sich die Bürgerinitiative »Würschnitz contra Kiesabbau« seit Jahren mit Petitionen, Einsprüchen und anderen »milden« Protestformen, ohne Erfolg. Dann wurde auch der »Heibo« Schauplatz eines sich radikalisierenden Umwelt- und Klimaschutzes. Im August 2021 wurde ein Waldstück besetzt.
In den knapp 18 Monaten seither haben sich die Besetzer häuslich eingerichtet. In luftiger Höhe sind mehrere Häuser zum Schlafen und Gemeinschaftsräume entstanden. Aus manchen der Bretterkonstruktionen ragen Ofenrohre. Die Bauten sind mit Strickleitern und Seilkonstruktionen verbunden. Würden Besucher nicht schon am Eingang durch Zeitungsartikel über den politischen Hintergrund informiert, könnten sie sich auf einem Abenteuerspielplatz wähnen. Zuletzt wurden an einem »Skillsharing-Wochenende« im Januar gemeinsam mit über 100 Gästen aber auch Barrikaden errichtet und Gräben ausgehoben. »Wir rechnen mit einer baldigen Räumung«, sagt einer der Aktivisten und gesteht, die Stimmung sei »angespannt«.
Als wahrscheinlichster Termin für die Auflösung des Camps gilt den Besetzern derzeit der 15. Februar. Zuvor sind für dieses Wochenende erneut Unterstützer eingeladen, um sich Fähigkeiten zur »Verteidigung« des Waldes anzueignen. Außerdem soll es am Sonntag in Ottendorf-Okrilla eine Großdemonstration geben. Ob es tatsächlich »unser letztes Wochenende im Wald« wird, wie die Aktivisten formulieren, ist offen. Das Verwaltungsgericht Dresden, bei dem diese einen Eilantrag gegen die Räumung gestellt hatten, erklärte bei dessen Ablehnung vorige Woche, das Landratsamt Bautzen plane zunächst noch eine Kontrolle von Auflagen. Die Behörde hatte die Besetzer lange gewähren lassen. Vor wenigen Wochen monierte sie aber fehlende Baugenehmigungen und nicht vom Schornsteinfeger abgenommene Feuerstätten und setzte eine Frist für deren freiwilligen Abbau zum 23. Januar. Seither, sagen die Aktivisten, seien verstärkt Polizeistreifen gesichtet worden; Drohnen überflogen das Camp. Das sorgt ebenso für Unbehagen wie nächtliche Besuche von Nazis, die eine Mahnwache zerstörten und Böller abfeuerten.
Lange wurde der Protest schlicht ausgesessen. Das Management des Kieswerks habe sich allen Gesprächsaufforderungen verweigert, sagen die Besetzer. Sie hatten zu einem Runden Tisch eingeladen, an dem über eine »Bauwende« gesprochen werden sollte und darüber, wie auch die Bauindustrie zum Schutz natürlicher Ressourcen beitragen kann. Als Alternative zum Abbau von immer mehr Kies sehen sie das Recycling von Bauschutt, wie er gerade dieser Tage beim Abriss einer großen alten Fabrik in Ottendorf-Okrilla in rauen Mengen anfalle. Sachsens Wirtschaftsministerium wiederum betont, dass Rohstoffe für den Bau neuer Häuser vorzugsweise im Freistaat gewonnen und nicht aus dem Ausland importiert werden sollten.
Landespolitisch gewann der Protest im »Heibo« lange kaum Brisanz, anders als die Besetzungen in Lützerath oder im Fechenheimer Wald bei Frankfurt (Main), die sich gegen den Kohleabbau oder den Bau einer Autobahn richteten. Diese Themen seien »womöglich leichter zu kommunizieren als unsere Forderung nach einer Bauwende«, sagt ein Aktivist. Mit dem Näherrücken einer Räumung änderte sich das. Die in Sachsen oppositionelle Linke fordert ein Moratorium. Auch die Grüne Jugend und die Jusos erklärten sich solidarisch und verwiesen auf ökologische Aspekte. Das ist insofern pikant, als die Ministerien für Umwelt und für Wirtschaft von Politikern der Grünen und der SPD geführt werden. Diese wiederum verweisen auf eine Übereinkunft mit dem Kieswerk, wonach Baustoff nur noch bis einen Meter über dem Grundwasserspiegel abgebaut werden soll, Restlöcher nicht mehr mit Bauschutt verfüllt und mit artenreichem Mischwald aufgeforstet werden sollen.
Die Bürgerinitiative hält das für schwer kontrollierbar. Ohnehin fehle der abgebaute Kies als Speicher für Wasser, das auch der neue Wald benötige: »Das ist ein Experiment für die Ökosysteme«, so Sprecherin Elisabeth Lesche. In Richtung des grünen Umweltministers Wolfram Günther sagt die Initiative, dieser wolle »seinen Kopf aus der Schlinge ziehen«. Auch die Besetzer lehnen den Kompromiss als unzureichend ab und kritisieren zudem, dass wie in Lützerath erneut »eine Räumung unter einer Regierung mit grüner Beteiligung« drohe. Allerdings, sagt einer der Protestierenden, sei man davon »nicht einmal mehr enttäuscht«.
Auch wenn der Termin offen ist: Vom Ende ihres Camps gehen die Besetzer aus, und zwar noch im Februar, weil die beabsichtigte Rodung der Fläche aus Naturschutzgründen nur noch diesen Monat zulässig wäre. Wenn es losgeht, herrscht »Stress pur«, sagt einer der Aktivisten. Er hofft, wenigstens auf gut ausgebildete Polizisten zu treffen: »Kletter-Cops«, die auf Einsätze in großer Höhe spezialisiert sind und die es in Hessen oder Nordrhein-Westfalen gebe, in Sachsen aber nicht.
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