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Dresdner Gedenken bleibt nicht nazifrei
Neues Bündnis mobilisiert breiten Protest, scheitert aber mit Blockadeversuchen
Sie haben es versucht: Mehrfach nahmen Antifaschisten am Samstag auf der Route eines Aufmarsches Platz, mit dem Rechtsextreme wie seit vielen Jahren das Gedenken an die Zerstörung Dresdens gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zu vereinnahmen suchten. Doch es blieb bei symbolischen Aktionen. Die Blockierer wurden von der mit einem Großaufgebot präsenten Polizei teils rabiat geräumt. Die Nazis konnten wie geplant eine Route am Rande der historischen Altstadt laufen.
Für die rechtsextreme Szene war der 13. Februar einst ein Datum von europaweiter Bedeutung. Zu den »Trauermärschen« kamen bis zu 8000 Teilnehmer. Diese Zeiten sind vorbei. Allerdings waren am Samstag erneut knapp 1000 Rechtsextreme aus dem gesamten Bundesgebiet erschienen, so viele wie im Jahr davor. Unter ihnen waren Szenevertreter wie Torsten Heise oder Nikolai Nerling. Auch der Holocaustleugner Alfred Schäfer war anwesend – zumindest zeitweise: Nachdem er am Vorabend bei einem Vortrag im Internet erneut den Massenmord an den europäischen Juden bestritten hatte, wurde er von Polizisten aus dem Aufzug heraus in Haft genommen. Anmelder war Lutz Giesen, der ein völkisches Siedlungsprojekt im sächsischen Leisnig betreibt.
Wie stets bei derlei Veranstaltungen wurden die Luftangriffe auf Dresden vor nunmehr 78 Jahren als ein von den Alliierten geplanter »Völkermord« dargestellt und die von Historikern auf 25 000 bezifferte Zahl der Opfer weit überhöht. So sollte deutsche Kriegsschuld relativiert werden. Die Verwendung des Begriffs »Bombenholocaust« hatte die Versammlungsbehörde untersagt. Eine Anzeige wegen Volksverhetzung gegen ein im Jahr 2022 getragenes Transparent mit dieser Aufschrift verfolgt die Staatsanwaltschaft nicht weiter, hieß es vor wenigen Tagen.
Den Protest gegen den Naziaufmarsch organisierte erstmals das neue Bündnis »Dresden wi(e)dersetzen«. Es tritt die Nachfolge von »Dresden nazifrei« an, das seit 2010 die Rechtsextremen mit wiederholt erfolgreichen Massenblockaden vergrämt und sich, weil es seinen Zweck als erfüllt ansieht, kürzlich aufgelöst hatte. Der neue Zusammenschluss hatte sich zum Ziel gesetzt, die breite Dresdner Zivilgesellschaft zum Protest zu mobilisieren und zu »verhindern, dass Neonazis durch Dresden laufen können«, wie eine Sprecherin vorab erklärte. Das klappte nur bedingt. Zwar lag die Teilnehmerzahl auf Seiten der Protestierer nach Schätzungen von Beobachtern höher als bei den Rechtsextremen. Es sei aber »leider nicht gelungen, den Naziaufmarsch zu blockieren«, bilanzierte das Bündnis am Abend. Die Gründe müsse man in den nächsten Tagen auswerten.
Kritik richtete sich dabei bereits gegen die städtische Versammlungsbehörde und die Polizei. Das Bündnis nannte es »bemerkenswert«, dass diese vorab erklärt hatten, die Route der Nazis nicht zu kennen, nur um dann »überraschend zielgenaue Vorbereitungen« zu deren Absicherung zu treffen. Idena Rudolf-Kokott, Co-Vorsitzende der SPD in Leipzig und mit vielen Mitstreitern am Samstag in Dresden, kritisierte, den Nazis sei »der rote Teppich ausgerollt«, Protest dagegen be- und verhindert worden. Pikant ist, dass die Zuständigkeit für die Versammlungsbehörde der Landeshauptstadt bei der Grünenpolitikerin Eva Jähnigen liegt – aber erst seit fünf Tagen, wie diese am Samstag betonte. Sie wolle das Demonstrationsgeschehen beobachten und gründlich auswerten und lade dazu zivilgesellschaftliche Initiativen ein, erklärte sie vorab, betonte aber auch, die »Grundentscheidungen« seien vor ihrem Arbeitsbeginn getroffen worden. Das gilt auch für Kundgebungen und Aufzüge am Montagabend. Für den Tag hat der örtliche »Querdenken«-Ableger einen »Gedenkzug« angemeldet. »Dresden wi(e)dersetzen« mobilisiert erneut zu Protest und womöglich zu Blockaden. Die Stadt ruft zu einer Menschenkette auf.
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