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Der harte Kern bleibt

Der »Trauermarsch« in Dresden bleibt Treffpunkt der Neonazi-Szene

  • Dominik Lenze
  • Lesedauer: 4 Min.
Rechtsextreme Abschlusskundgebung am 11. Februar in Dresden.
Rechtsextreme Abschlusskundgebung am 11. Februar in Dresden.

Kränze, Fackeln und Spott über die Opfer des Nationalsozialismus – das sind wesentliche Zutaten für jene Veranstaltungen, die von Neonazis »Trauermarsch« genannt werden. Lange gehörten sie zu den wichtigsten Aktionsformen der rechtsextremen Szene. Die Jahrestage der Bombardierung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg boten einen willkommenen Anlass, um die Geschichte umzudeuten, Täter zu Opfern zu erklären und den Holocaust zu relativieren oder ganz zu leugnen. Seit einiger Zeit verlieren diese Ereignisse an Zulauf. In Dresden konnten Rechtsextreme am Samstag nichtsdestotrotz rund 800 Anhänger*innen auf die Straße bringen.

Der »Trauermarsch« anlässlich der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg war einmal eines der größten Neonazi-Events in Europas mit bis zu 8000 Teilnehmenden. Diese Zeiten sind zwar vorbei, doch im Gegensatz zu anderen Aufmärschen bleibt Dresden ein – wenn auch kleinerer – Treffpunkt für die neonazistische Szene.

Der Trend zur Bedeutungslosigkeit wird etwa beim Rudolf-Heß-Gedenkmarsch deutlich, den die Kleinstpartei Der Dritte Weg alljährlich in Wunsiedel veranstaltet und der seit Jahren sinkende Teilnehmerzahlen verzeichnet. 2022 nahmen rund 150 Rechtsextreme an dem Fackelmarsch durch die bayerische Kleinstadt teil, vergangenen Herbst waren es nur noch 120. In Magdeburg sind Neonazis regelmäßig um den 16. Januar anlässlich der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg aufmarschiert. In diesem Jahr ist ihre Demonstration zunächst abgesagt worden, schließlich mobilisierte doch noch die Neonazi-Partei »Neue Stärke« für den 21. Januar. Ohne Erfolg: Lediglich 32 Anhänger*innen folgten dem Aufruf.

Der regelmäßige rechtsextreme Gedenkmarsch im rheinland-pfälzischen Remagen ist wegen Erfolglosigkeit sogar eingestellt worden: »Unter ein Minimum von 100 Teilnehmern sollte eine solche Veranstaltung nicht fallen, wenn sie ihre Wirkung nach außen nicht verlieren soll«, hieß es aus dem Kreis der Organisator*innen, wie das Portal »Endstation« rechts berichtet hat.

»Ein zeitgeschichtlich bedingter partieller Bedeutungsverlust des neonazistischen Geschichtsrevisionismus in seinen klassischen Ausprägungen ist also erkennbar«, meinen David und Pascal Begrich vom Verein Miteinander e.V. aus Sachsen-Anhalt. Einen Grund zur Entwarnung sehen die beiden Experten nicht: »Allerdings kehren geschichtsrevisionistische Deutungen des Nationalsozialismus, die ihre Quelle auch im Neonazismus haben, nun in anderen extrem rechten Milieus offen und mit großer Reichweite zu Tage, wie etwa die Relativierung der Shoah in der Querdenker-Szene zeigt.«

Auch in Dresden waren Akteur*innen und Gruppen, die sich im Rahmen der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen einen Namen gemacht haben, prominent vertreten: Die rechtsextreme Kleinstpartei »Freie Sachsen« kam mit mehreren Vertreter*innen, ebenso der Zusammenschluss »Miteinanderstadt Gera«.

In der Thüringer Gruppe sind der Neonazi Christian Klar, der Reichsbürger Frank Haußner und der Unternehmer Peter Schmidt, Chef einer Zeitarbeitsfirma, federführend. Klar und Haußner waren am Samstag auch in Dresden. An ihrer Radikalität kann kein Zweifel bestehen: Wie antifaschistische Recherchen zeigen, ist Klar fest in der Thüringer Neonazi-Szene verwurzelt. Haußner vertritt offen reichsideologische Positionen und steht auch dem wegen Terrorverdacht inhaftierten Prinzen Heinrich Reuß nahe.

Peter Schmidt wird von Teilen der lokalen Politik hingegen nicht als rechtsextremer Aktivist, sondern als besorgter Vertreter des Mittelstands gesehen: Er pflegt gute Kontakte zur Thüringer CDU. Der ehemalige christsoziale Bundestagsabgeordnete Albert Weiler besuchte ihn auf Demonstrationen, wie Fotos belegen. Für den Aufmarsch in Dresden hat das rechte Bündnis um Schmidt, Klar und Haußner aktiv geworben. Es waren sogar Busse geplant, um das Demo-Publikum von Thüringen nach Dresden zu bringen.

Die »Freien Sachsen« sind derzeit tonangebend bei den rassistischen Protesten gegen Unterkünfte für Geflüchtete im Freistaat. Ihr Personal rekrutiert sich aus strammen Neonazi-Kreisen: Stefan Trautmann beispielsweise war ehemals NPD-Funktionär. Am 1. Mai 2022 griff er gemeinsam mit Anhänger*innen des Dritten Weg einen Zug mit Gegendemonstranten an. Da Trautmann im Gegensatz zu seinen Kameraden nicht vermummt war, konnte seine Beteiligung an dem Angriff durch ein Foto dokumentiert werden. Beim Aufmarsch in Dresden war der Rechtsextremist als Ordner eingesetzt.

Ein Großteil der in Dresden anwesenden Neonazis gehörte allerdings zu einem festen Kern von Militanten, die man immer wieder auf vergleichbaren Veranstaltungen trifft, darunter eine Gruppe junger Neonazis aus Bautzen oder Mitglieder der »Jungen Nationalisten« und des Dritten Weg. Prominente Vertreter der Kleinstpartei wie Gründer Klaus Armstroff oder die Führungsfiguren Matthias Fischer und Tony Gentsch traten in Dresden allerdings nicht sichtbar in Erscheinung. Auch die jüngste Parteigründung aus der Neonazi-Szene, die »Neue Stärke«, war wenn überhaupt nur vereinzelt vertreten. Das Personenpotential für den letzten nennenswerten Neonazi-Aufmarsch könnte damit noch nicht vollends ausgeschöpft sein.

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