Zedern, Zimt und Zibet

Museyroom (Teil 2): Das Internationale Parfummuseum in Grasse führt in die Duftkultur vom Alten Ägypten bis heute ein

  • Jürgen Schneider
  • Lesedauer: 5 Min.

Im Schloss Versailles stank es. Wen ein Bedürfnis überwältigte, der schlich in die dürftig beleuchteten Gänge zwischen die marmornen Bögen der Galerie oder kauerte hinter einer der Statuen französischer Feldherren und besudelte Vorhänge oder Gobelins. Liselotte von der Pfalz, die Schwägerin Ludwigs XIV., die ihren Körper mit stark parfümierten Pudern bedeckte, empörte sich in einem Brief, sie könne nicht aus ihren Gemächern treten, ohne irgendeine Person pinkeln sehen zu müssen. Der König und seine Nächsten verrichteten die Notdurft in Leibstühlen, deren Inhalt von der Dienerschaft in die 29 Abortgruben des Schlosses geleert wurden. In einer Eingabe wurde Beschwerde geführt wegen »der großen Unannehmlichkeiten, welche die Entleerungsmaßnahmen verursachen, darunter ist der Tod mehrerer Arbeiter zu zählen, die durch die Ausdünstungen der Gruben erstickten, das Auslaufen des Kots auf die Straßen und in die Abwässer, die die Gewölbe verpesten«.

Gegen den allgegenwärtigen Gestank halfen mit Tausendblümchenwasser oder dem bereits seit 1370 aus Rosmarin hergestellten Ungarischen Wasser getränkte Spitzentücher, die man sich vor Mund und Nase hielt. Über das Tausendblümchenwasser schrieb der Tierarzneikundler Johann Knobloch 1785: »Man ziehet auch im Monate May aus dem Kuhmist ein Wasser über, so man das Tausendblümchenwasser nennet.« Der Parfümeur von Ludwig XIV. versorgte den König mit »Eau d’Ange«. Dieses Engelwasser wurde aus den frischen Blättern und Blüten der Myrrhe gewonnen, aber auch für das Eau de fleurs d’Orange wurde zuweilen die Bezeichnung Engelwasser verwendet.

Ludwig XIV. bevorzugte ein aus den Blüten der Sevilla-Orange gewonnenes Parfum. In die Springbrunnen der Gärten zu Versailles ließ er literweise Orangenblütenwasser kippen. Der König selbst war ein olfaktorisches Kuriosum, weil sein Leibarzt Dr. Daquin ihm beim Extrahieren sämtlicher Beißer auch den Kiefer gebrochen und einen Teil des Gaumens herausgerissen hatte. In der offenen Höhle, mit der sich der Mund des Königs zur Nase öffnete, setzten sich ständig Speisereste auf so unschöne Weise fest, dass sie sich erst nach langer Zeit fürchterlich stinkend durch die Nase auflösten. Um seinen Mätressen zu gefallen, trug der Sonnenkönig Bibergeil oder das moschusähnliche Zibetparfüm auf. In dem 1638 erschienenen Werk »Hyæna Odorifera« von Pietro Castelli hieß es, auf die Eichel gestrichenes Zibet steigere während des Beischlafs die Lust der Frau.

Bereits 1580 war der Alchimist und Apotheker Francesco Tombarelli in das südfranzösische Grasse gekommen und hatte ein Laboratorium zur Herstellung von Düften eröffnet, und 1614 wurde von Ludwig XIII. dort die Assoziation der Maîtres Gantiers Parfumeurs ins Leben gerufen. In der Folge war Grasse, wo es nach Spanischem Jasmin, nach Rosen und den im 14. Jahrhundert aus Mexiko nach Europa gelangten Tuberosen roch, zur Hauptstadt des Parfums geworden. Zur Bekanntheit des Ortes, der noch heute von Parfumproduzenten geprägt ist, trug nach 1985 der Roman »Das Parfum« von Patrick Süskind bei.

In Grasse existiert seit 1989 das Internationale Parfümeriemuseum (Musée International de la Parfumerie) mit mehr als 50 000 Sammlerstücken. Es ist dort nicht nur zu erfahren, dass es in Versailles scheußlich roch, sondern gewürdigt wird die Geschichte der Duftstoffe seit den alten Ägyptern, Arabern, Griechen und Römern sowie der Produktionsprozess von Parfums und deren von Werbemaßnahmen beförderte heutige massenhafte Verbreitung in Flakons. Diese nahm ihren Anfang in Frankreich, als der rechte Zeitungsverleger und Parfümeur François Coty seine Flakons vom Glaskünstler René Lalique im Stil des Art déco anfertigen ließ. Coty war zudem der erste Parfümeur, der synthetische mit natürlichen Substanzen mischte, und gilt daher als Vater des modernen Parfums.

Die Alten Ägypter wussten vor mehreren Jahrtausenden Zedern-, Myrten-, Zimt- oder Mimosen-Öl zu schätzen, sie kannten sich aus mit Harzen, Balsamen und Salben, mit denen sie die Mumien der Pharaonen für das ewige Leben präparierten. Eine Mumienhand in Grasse zeugt davon. Die alten Griechen verbrannten als Opfergabe Myrrhe und importierten Zimt, Sandelholz oder Moschus aus China und Indien. In Grasse sind Aryballoi zu sehen, Duftölgefäße, die von griechischen Männern am Handgelenk getragen wurden.

Auch im alten Rom waren Parfums und Salben ein wichtiger Teil des Lebens – bei religiösen Zeremonien oder zum Überdecken übler Gerüche. Die Destillation ist ein alter Prozess, der bis zum Jahr 2000 vor unserer Zeit zurückgeht. Die ersten Destillationen wurden wohl in China, Ägypten und Mesopotamien durchgeführt und hatten vor allem medizinische Zwecke, doch auch Balsame, Essenzen und Parfums wurden produziert. Im alten Rom entwickelte sich im 1. Jahrhundert die Kunst der Glasbläserei, und besonders im Nahen Osten ersetzten in der Folge Glasflaschen die Tongefäße, in denen Duftstoffe bis dahin aufbewahrt wurden. In Grasse ist eine besonders hübsche Vase aus Syrien (2./3. Jahrhundert n. Chr.) ausgestellt.

Der historische Teil der Präsentation endet mit der Industrialisierung am Ende des 19. Jahrhundert, als Massenproduktion und vollsynthetische Herstellung von Aromen möglich wurden. Dadurch konnten Parfums auch billiger angeboten werden. Ab 1910 interessierten sich neben den Parfümeuren nun auch Modeschöpfer*innen für die Herstellung von Düften, wie etwa Coco Chanel, deren »No. 5« das weltweit bekannteste Parfum sein dürfte. Im Internationalen Parfümeriemuseum fehlt wohl kein Flakon der beliebtesten Parfums seit jener Zeit.

Übrigens gibt es auch einige – freilich nicht so große und traditionsreiche – Parfummuseen hierzulande: Seit 2020 kann man sich zum Beispiel knapp 16 000 Exponate im Parfum-Museum Reichenberg in Brandenburg anschauen.

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