Parteiausschlussverfahren als Maßstab für die Demokratie

Bei Parteiausschlussverfahren geht es auch darum, wie viel Imageschaden eine Partei bereit ist hinzunehmen, meint Halina Wawzyniak

  • Halina Wawzyniak
  • Lesedauer: 3 Min.

Hans-Georg Maaßen soll die CDU verlassen. Das hat der Bundesvorstand am Montag einstimmig beschlossen und ein entsprechendes Verfahren eingeleitet. Zudem habe man Maaßen mit sofortiger Wirkung die Parteimitgliedsrechte entzogen, so der Parteivorsitzende Friedrich Merz.

Denn der Ex-Verfassungsschutzpräsident ist jüngst mit Äußerungen aufgefallen, in denen von einer »rot-grünen Rassenlehre« die Rede ist, »nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse«. Das Präsidium der CDU hatte sich von seinen Äußerungen distanziert. In der entsprechenden Erklärung wird der Vorwurf des Gebrauchs der »Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen« erhoben. Es wird sogar gesagt: »Herrn Dr. Maaßen ist offenkundig nicht am Wohl der CDU gelegen. Er verstößt im Gegenteil laufend gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei.« Für das Verlassen der Partei hatte das Präsidium der CDU Maaßen zunächst eine Frist gesetzt, die dieser verstreichen ließ. Nun wird über den Ausschluss das Kreisparteigericht in Erfurt entscheiden müssen.

Halina Wawzyniak
Foto: Jochen Mittenzwey
Halina Wawzyniak ist Geschäftsführerin und Justiziarin der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

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Die Hürden für einen Ausschluss aus einer Partei sind nicht gering und im Parteiengesetz geregelt. Ein Mitglied muss vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstoßen und ihr damit schweren Schaden zufügen. Die Erklärung des Präsidiums der CDU ist eigentlich nur so zu verstehen, dass es diese Voraussetzungen als erfüllt ansieht. Wenn der Ausschlussantrag scheitert, dann ist die eigentliche Botschaft dahinter, dass Äußerungen wie von Maaßen zum legitimen Spektrum in der CDU gehören oder ihre Äußerung zumindest keinen schweren Schaden anrichten.

Bis zu dieser Stelle wäre wohl noch die Auffassung vertretbar, dass das alles eine Sache der CDU sei. Doch diese Ansicht übersieht einen wesentlichen Punkt: Es ist ein Problem aller demokratischen Parteien, wenn demokratieverachtende (prominente) Mitglieder in ihren Reihen verbleiben. Denn wenn demokrativerachtende Positionen in demokratischen Parteien geduldet werden, dann ist der Kampf um die Demokratie und gegen ihre Feinde eingeschränkt und wenig glaubwürdig.

Insofern ist die Auseinandersetzung um Maaßen auch eine Auseinandersetzung um die Frage, wie und nach welchen Maßstäben in demokratischen Parteien demokrativerachtende Äußerungen ihrer Mitglieder akzeptiert werden. Tendenziell scheinen die zuständigen Schiedsgremien vor allem beim Kriterium des »schweren Schadens« Zurückhaltung zu üben. Das ist auch verständlich. Denn eine Instrumentalisierung von Schiedsgremien für innerparteiliche Machtauseinandersetzungen, indem sie unliebsame Mitglieder aus der Partei »entfernen« sollen, ist ebenfalls eine Gefahr für die demokratische Verfasstheit von Parteien. Denn diese haben wiederum einen verfassungsrechtlich abgesicherten Status. Eine gewisse Zurückhaltung der Schiedsgremien bei Ausschlussbegehren ist von daher sinnvoll. Eine zu große Zurückhaltung wiederum untergräbt an anderer Stelle die Demokratie.

Der Parteienrechtler Martin Morlok schreibt zum Parteiengesetz, dass das Kriterium des »schweren Schadens« auf alle Handlungen zielt, die geeignet sind, Interessenbeeinträchtigungen nicht ganz vernachlässigbarer Art bei der Partei hervorzurufen. Die Anforderungen dürften nicht zu hoch sein, eine Beeinträchtigung des öffentlichen Erscheinungsbildes kann genügen. Wird dieser Maßstab zu Grunde gelegt, dann entscheidet sich bei Ausschlussverfahren auch, welche Beeinträchtigung des öffentlichen Erscheinungsbildes eine Partei bereit ist hinzunehmen. Das gilt nicht nur im Fall Maaßen.

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