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Schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon tritt ab

Nicola Sturgeon gibt ihr Amt auf und macht den Weg frei für weniger umstrittenen Nachfolger

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Ankündigung kam aus heiterem Himmel: Nicola Sturgeon, Erste Ministerin Schottlands und Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei (SNP), gab am Mittwoch ihren Rücktritt bekannt. »Es ist an der Zeit«, sagte sie in einer eilig anberaumten Pressekonferenz in Bute House in Edinburgh, ihrem Amtssitz. Die Demission sei »das Richtige für mich, für meine Partei und für das Land«. Mit Sturgeon dankt eine überaus begabte und charismatische Politikerin ab, die die Geschicke Schottlands über acht Jahre lang lenkte und ihre Partei zu mehreren beeindruckenden Wahltriumphen geführt hat.

Für viele ihrer Parteikollegen war der Abgang ein Schock; erst vor zwei Wochen hatte die Erste Ministerin beteuert, sie habe noch »viel Benzin im Tank« – eine Anspielung auf die Rücktrittserklärung der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern, mit der Sturgeon zuweilen verglichen wurde. Aber die SNP-Chefin hat offenbar nicht im Affekt gehandelt. Zumindest sagte sie bei der Pressekonferenz, sie habe sich seit vielen Wochen mit dem Gedanken an ihr politisches Karriereende herumgeschlagen.

In ihrem sorgfältig formulierten Statement nannte sie eine Reihe von Gründen: Zum einen fehle ihr die Energie, den Job als Regierungschefin auf lange Frist mit derselben Hingabe weiterzumachen; sie hatte den Posten 2014 übernommen, nach dem verlorenen Unabhängigkeitsreferendum. Der Job erfordere »absolut alles, was man geben kann«, und das sei nur auf begrenzte Zeit möglich. »Für mich droht diese Zeit jetzt zu lang zu werden«, erklärte Sturgeon. Sie sagte auch, dass die Art und Weise, wie politische Diskurse heutzutage geführt würden, »das Leben als Politikerin weit intensiver, sogar brutaler macht als in früheren Jahren«.

Dazu komme eine politische Überlegung: Je länger eine Politikerin oder ein Politiker im Amt sei, desto verhärteter werde die öffentliche Meinung: Sie sei sich sehr wohl bewusst, dass sie von manchen Schotten geliebt werde, während sie bei anderen auf tiefe Ablehnung stoße, sagte Sturgeon. Wenn es darum gehe, das wichtigste Projekt der SNP voranzubringen, nämlich Schottland in die Unabhängigkeit zu führen, stelle dies ein Problem dar: »Wir müssen die Spaltung in der schottischen Politik überwinden, und ein neuer Parteichef kann dies besser – jemand, der nicht so stark polarisiert wie ich«, so Sturgeon.

Die Erste Ministerin beteuerte, sie habe sich bei ihrem Rücktrittsentscheid von »Liebe und Pflichtgefühl« leiten und nicht von unmittelbarem Druck beeindrucken lassen. Allerdings hatte Sturgeon in jüngster Zeit zunehmend mit Problemen zu kämpfen, die ihr den Abgang zumindest erleichtert haben dürften. Zum einen löste ein von der SNP-Regierung vorangetriebenes Gesetz zur erleichterten Gender-Anerkennung für Transmenschen große Debatten aus; das Gesetzesvorhaben, das auch in Schottland sehr umstritten ist, wurde vorerst von der Regierung in Westminster blockiert.

Zudem stößt Sturgeons Unabhängigkeitsstrategie bei vielen SNP-Anhängern auf Widerstand. Eigentlich war es das Ziel der schottischen Regierung, noch in diesem Jahr ein Referendum über die Abspaltung von England anzuschieben. Doch im November urteilte das höchste Gericht im Land, dass Edinburgh dies nicht auf eigene Faust tun dürfe – die Zustimmung der Regierung in London sei notwendig. Diese blockt jedoch ab, sie sagt: Das Referendum von 2014, das die Befürworter der Union mit 55 Prozent gewonnen hatten, habe die Frage ein für alle Mal geklärt.

So stellt sich die Frage für die SNP, wie es weitergehen soll: Eine Nachfolge für Sturgeon ist nicht in Sicht. Ihr Plan war es, die nächsten Wahlen 2024 zu einem »De-facto-Referendum« zu machen; das heißt, der Wahlkampf soll ausschließlich auf dem Thema Unabhängigkeit aufgebaut werden – ein Votum für die SNP wäre demnach ein Votum für die Eigenstaatlichkeit. Aber Kritiker halten dies für eine wenig durchdachte Strategie: Es sei fraglich, was das konkret ändern würde, schließlich ist die SNP seit Jahren die dominante Partei in Schottland. Bei einem außerordentlichen Parteitag im März soll die Frage der künftigen Strategie geklärt werden. Politische Beobachter bezweifeln, dass Sturgeons Plan auf dem Parteitag durchkommt.

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