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Kein Krankenhaus am Rande der Stadt
Das Klinikum in Reichenbach schließt Ende März. Auch andere Häuser in Sachsen unter Druck
Das Paracelsus-Klinikum in Reichenbach im Vogtland sei »bedeutend für die Stadt«. So ist es auf der Homepage des Krankenhauses zu lesen, in dem rund 320 Menschen arbeiten und das nach eigenen Angaben ein »breites Leistungsspektrum auf hohem medizinischem Niveau« anbietet. Für die gut 20 000 Einwohner der einstigen Kreisstadt muss das wie Hohn klingen, denn die Tage des Krankenhauses sind gezählt. Zum 31. März endet dort der Betrieb.
Einen kerngesunden Eindruck machte das Haus mit seinen 180 Betten schon länger nicht mehr. 2017 meldete es erstmals Insolvenz an. Danach habe man die »Performance durch erhebliche Investitionen und professionelle Organisationsveränderungen deutlich stärken« können, erklärte Klinikmanager Lars Wunder. Dann kam Corona, was einerseits Probleme verschärfte, andererseits aber staatliche Hilfen zur Folge hatte, die das Betriebsergebnis aufbesserten. Es war freilich eine vorübergehende Heilung. 2021 wurden erneut rote Zahlen geschrieben, im Juli 2022 dann Insolvenz angemeldet. Der Betreiber verweist auf hohen Investitionsbedarf, schärfere Vorgaben etwa zu Untergrenzen beim Personal und die »strukturelle Krise im Gesundheitssystem«, die »vermutlich noch länger« anhalten werde.
Die Folgen der Schließung wären gravierend. Zwar verweist Sachsens Sozialministerium darauf, dass es in einem Umkreis von 25 Kilometern Krankenhäuser in Greiz, Rodewisch, Plauen und Zwickau gibt, die binnen »22 Minuten mit dem eigenen Pkw zu erreichen« seien. Wer aber kein eigenes Auto hat, »für den wird es schwierig«, sagt Henry Ruß, Stadtrat der Linken und deren Fraktionschef im Kreistag. Unklar seien die Auswirkungen auf eine erst voriges Jahr eröffnete Rettungswache in Reichenbach und ein medizinisches Versorgungszentrum, weil viele der Ärzte bisher parallel im Krankenhaus tätig sind. Die Gesundheitsversorgung, fürchtet Ruß, »wird sich auf jeden Fall verschlechtern«.
Mit der Schließung in Reichenbach würde das Netz von Krankenhäusern in Sachsen weiter ausgedünnt. 1990 gab es im Freistaat 120 solcher Einrichtungen, aktuell sind es nur noch 78. Die Krankenhausgesellschaft Sachsen spricht von einer »Strukturbereinigung, wie sie in vielen westlichen Bundesländern noch aussteht«. Sie äußerte sich am Montag mit Blick auf ein Reformkonzept von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), das ihrer Einschätzung nach gravierende Auswirkungen auf die Hälfte aller sächsischen Krankenhäuser hätte und in einem »Kahlschlag« münden könnte.
Doch schon bevor die Berliner Pläne konkret werden, gibt es im Freistaat auch jenseits des Vogtlands Probleme. Im Landkreis Görlitz etwa stehen massive Einschnitte bei Krankenhäusern in Weißwasser und Ebersbach (Oberlausitz) im Raum; einem von CDU-Landrat Stephan Meyer vorgelegten, vom Kreistag aber noch nicht beschlossenen Konzept zufolge könnte letzteres den Kreißsaal verlieren und würde keine stationären Operationen mehr durchführen. Der Geschäftsführer der kommunalen Betreibergesellschaft verweist auf demografische Entwicklungen und ein zuletzt aufgelaufenes Defizit in Millionenhöhe.
Susanne Schaper, Gesundheitsexpertin der Linken im Landtag, sieht darin ein generelles Problem: Viele Einrichtungen im Land seien unterfinanziert und hätten einen hohen Investitionsstau. Mit Blick auf Reichenbach mahnt sie Staatsregierung und Kommunalpolitik, eine Lösung zu finden, »damit im März nicht die Lichter ausgehen«. Im Vogtland hatte man eine Zeitlang gehofft, für das Krankenhaus werde sich ein neuer Betreiber finden. Doch die letzten Interessenten sprangen Anfang Februar ab. Die Linke hatte bereits seit November darauf gedrängt, dass Landkreis und Stadt das Klinikum wieder übernehmen, das ihnen bis zur Privatisierung gehört hatte.
Die Reaktion auf die Idee einer Rekommunalisierung war indes verhalten. CDU-Landrat Thomas Hennig lehnte die Eilbedürftigkeit des Antrags ab, was dazu führte, dass er erst im Februar behandelt wurde. Das Sozialministerium betont, dass eine Pflicht zum Einstieg für Städte und Kreise nur bestehe, wenn die Versorgungssicherheit gefährdet sei: »Das ist hier nicht der Fall.«
Inzwischen wird doch über eine Lösung in »öffentlich-rechtlicher Trägerschaft« nachgedacht. Der entsprechende Vorschlag findet sich in einem Konzept, das Reichenbachs Oberbürgermeister Raphael Kürzinger (CDU) über Weihnachten in Windeseile hatte erarbeiten lassen. Am 5. März ist OB-Wahl in der Stadt; die komplette Abwicklung des Krankenhauses wäre ein erheblicher Makel in der Bilanz. Er setzt jetzt auf ein Gesundheitszentrum, das ambulante und stationäre Operationen anbieten und auch die Rettungsstelle beinhalten würde. Allerdings blieben damit nur 40 bis 80 Betten und rund 100 Beschäftigte, sagt Henry Ruß, einer von Kürzingers Herausforderern bei der Wahl. Ob wenigstens das gelingt, ist offen; der Landkreis, der gemeinsam mit der Stadt die Trägerschaft übernehmen müsste, hält deren Konzept dem Vernehmen nach für stark überarbeitungsbedürftig.
Der öffentliche Druck hat derweil nachgelassen. Anfang Februar gab es, wie schon im Dezember, noch eine Protestveranstaltung mit 1000 Teilnehmern, sagt Ruß. Seit aber klar sei, dass kein neuer Investor komme, »haben die Leute aufgegeben«.
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