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Ist die AfD wirklich eine Friedenspartei?
Die Rechtsaußenpartei setzt sich für Aufrüstung ein und diskutiert sogar über eine deutsche Atombombe
Die AfD hat ein Thema für sich entdeckt, mit dem sie sich vergangenes Jahr zunächst noch einige Zeit schwertat: der Krieg in der Ukraine und dessen Folgen. Auf ihrer Facebookseite wirbt sie inzwischen sogar mit der Behauptung, die »einzige Friedenspartei« zu sein. Illustriert ist das steile politische Versprechen mit einer weißen Friedenstaube vor einer Deutschlandflagge. Die AfD, eine neue pazifistische Friedensbewegung von rechts?
Zumindest die von der Parteiführung orchestrierte Kommunikation will diesen Eindruck erwecken: Die AfD lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine strikt ab, fordert stärkere Bemühungen um Friedensverhandlungen und warnt davor, Deutschland könne mit seiner militärischen Unterstützung jederzeit zur Kriegspartei werden. Oberflächlich klingt das stark wie die Positionen der Linken, sowohl die Herleitung als auch etliche politische Schlussfolgerungen könnten aber kaum unterschiedlicher sein.
Ziemlich offensichtlich ist dies im Umgang mit einer unmittelbaren Kriegsfolge: Zwar leugnete nicht einmal die AfD den Status von Ukrainer*innen als asylberechtigte Flüchtlinge, unterschwellige Zweifel säte die Partei jedoch bereits kurz nach Beginn des Überfalls Russlands auf sein Nachbarland. In einer Bundestagsdebatte im April letzten Jahres malte der Abgeordnete Gottfried Curio das Schreckgespenst an die Wand, Schleuser könnten gefälschte ukrainische Pässe in Umlauf bringen, Asylsuchende aus anderen Staaten sich Asyl erschleichen. Curio sprach von »Sicherheitsrisiken für Deutschland«, die »sehenden Auges in Kauf« genommen würden. Als der Bundestag im Mai beschloss, dass ukrainische Geflüchtete nicht mehr nur Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sondern ins reguläre Sozialsystem (damals Hartz-IV) integriert werden, wetterte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion, Gerrit Huy, über ein »dauerhaftes Geschenk für die Ukrainer«. Sie behauptete, die Entscheidung könnte als Pull-Faktor wirken, also auch Menschen aus anderen Staaten anlocken. Dass AfD-Vertreter*innen auch bei Protesten gegen Flüchtlingsunterkünfte mitmischen, dürfte nicht überraschen. Klingt das nach Friedenspartei?
Dieses Etikett ist mehr ein Werbeversprechen der Parteiführung, über außen- und sicherheitspolitische Vorstellungen gibt es in der AfD heftige Auseinandersetzungen. Paradebeispiel war die Abstimmung über das 100 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen für die Bundeswehr Anfang Juni letzten Jahres. Von 80 AfD-Abgeordneten stimmten 33 mit Ja, 35 mit Nein, bei sechs Enthaltungen – mehr Spaltung geht kaum. Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion, forderte Ende Oktober eine »schnelle Auftragsvergabe an die wehrtechnische Industrie«. Die eigentliche Aufgabe bestehe nun darin, »den immensen Nachholbedarf unserer Streitkräfte zu managen«.
Was Lucassen auch unter Nachholbedarf versteht, verriet er der »Welt« ebenfalls im Oktober: »Glaubhafte Abschreckung setzt atomare Fähigkeiten voraus. Wer also unser Land möglichst unabhängig gegen militärische Bedrohungen schützen will, muss ernsthaft über die atomare Bewaffnung Deutschlands nachdenken.« Lucassen steht damit nicht allein da, der Nachwuchsverband »Junge Alternative« beschloss auf seinem Bundeskongress im Herbst »die Forderung nach Atomwaffen für Deutschland«. Noch ist das aber nicht die offizielle Parteilinie, die Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla versuchten dann auch, die Debatte wieder einzufangen. Der Vorstoß zeigt, wie die AfD auf internationale Herausforderungen blickt: Gradmesser ihrer Entscheidungen ist allein nationales Interesse, Chrupalla spricht von »interessengeleiteter Außenpolitik«, Weidel fordert dann auch schon einmal, die Bundesregierung müsse vor der UN-Vollversammlung »endlich für eigene Interessen« eintreten.
Diskussionen gibt es in der AfD auch darüber, wie mit Auftritten von Parteivertreter*innen in russischen Propagandamedien umzugehen ist. Der Bundestagsabgeordnete Eugen Schmidt gab Anfang Februar im Staatssender Rossija-1 ein Interview, das ganz im Sinne Moskaus ausfiel: »Russland stellt in keiner Weise eine Bedrohung für die Welt dar«, behauptete er. Kurz zuvor war sein Fraktionskollege Steffen Kotré in der Talksendung von Wladimir Solowjow aufgetreten, jener Moderator, der die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock als »Miss Ribbentrop« bezeichnete. Joachim von Ribbentrop war Außenminister unter Adolf Hitler. Kotrés Auftritt geriet dann auch in seinen Ausführungen einseitig den Westen beschuldigend. Öffentlich Widerspruch äußerte der Parteikollege Norbert Kleinwächter, der Kotrés Auftritt als »widerliche Putin-Propaganda« bezeichnete. Viel passiert in der AfD allerdings hinter den Kulissen, gegenseitige öffentliche Demontage will man möglichst verhindern.
Die innere Mobilmachung: Die Aufrüstung der Bundeswehr geht immer weiter. Jan Korte stört vor allem, dass zu diesem Zweck falsche Parallelen aus der Geschichte gezogen werden.
Besonders in den ostdeutschen AfD-Landesverbänden ist Kritik an Russlands Angriffskrieg unpopulär, manche Einordnung der Ereignisse klingt nach völkischer-nationalistischer Verschwörungserzählung. Neu ist in diesem Zusammenhang das Projekt »Ostwind«, ein von Compact-Chefredakteur Jürgen Elässer initiierter Verein, der »Frieden und Freundschaft mit Russland stärken« wolle. Gegründet hat sich »Ostwind« Ende Januar in Berlin, laut Elsässer waren 70 Personen gekommen, »darunter auch Bundestags- und Landtagsabgeordnete der AfD und Spitzenvertreter der Landesverbände«. Bekannt ist die Teilnahme von Oliver Kirchner, AfD-Fraktionschef in Sachsen-Anhalt, und des Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider. Beide sind zentrale Akteure der völkischen Nationalisten um Björn Höcke.
Tillschneider hielt dann auch eine bemerkenswerte Rede, in der er behauptete: »Die Russen sind die einzige Siegermacht des Zweiten Weltkriegs, die uns freigegeben hat.« In Russland herrsche zudem »eine in der Tradition verwurzelte Lebensweise, die sich mehr und mehr als Gegenentwurf zur traditions-, identitäts- und geschlechtslosen Regenbogengesellschaft des Westens begreift.« Im Widerstand gegen dieses »Regenbogenimperium« stünde den »Normalen, Vernünftigen, Verwurzelten« Russland am nächsten. Für Tillschneider ist Moskau ein Bollwerk und Verbündeter gegen alles, was sich im weitesten Sinne als liberal bezeichnen lässt. Ziemlich ähnlich sieht das Höcke, in Gera hielt er im Oktober 2022 vor etwa 10 000 Menschen eine Rede, die sich kaum von jener Tillschneiders unterschied. Russland sei der »natürliche Partner unserer Arbeits- und Lebensweise«, auch er sprach vom angeblichen »Regenbogenimperium«. Müsse er sich zwischen diesem oder dem »traditionellen Osten« entscheiden, würde Höcke den Osten wählen.
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