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Gesellschaft für Freiheitsrechte: Gezielte Klagen als Konzept

Von Equal Pay bis Polizeigesetz: Die GFF tritt mit strategischer Prozessführung für Grundrechte ein

  • Johanna Montanari
  • Lesedauer: 4 Min.

Plötzlich ist die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) in aller Munde. Gleich drei Gerichtsverfahren konnte die Nichtregierungsorganisation, die erst seit 2015 existiert, kürzlich gewinnen. In einem Fall ging es um automatisierte Datenauswertungen durch die Polizei, das sogenannte Data Mining. Im zweiten Prozess wurde gegen die Handydatenspeicherung von Geflüchteten geklagt. Im dritten Fall wurde erreicht, dass Verhandlungsgeschick kein Argument für die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern sein dürfe.

Wer steht hinter der GFF und für was steht sie? »In Deutschland sind wir als Organisation, die sich mit vielen Themen beschäftigt und vor deutschen Gerichten Grundrechte strategisch einklagt, die einzigen«, erklärt Maria Scharlau, Juristin und GFF-Pressesprecherin dem »nd«. »Da war eine Lücke, die die GFF füllen wollte und konnte.«

Initialzünder des Vereins war Ulf Buermeyer, der heute der Vorsitzende des GFF-Vorstands ist. Einer breiteren Öffentlichkeit ist der ehemalige Richter des Landes Berlin durch seinen wöchentlichen Podcast »Lage der Nation« bekannt, den er gemeinsam mit dem Journalisten Philip Banse gestaltet. Während seiner Reisen in die USA setzte sich Buermeyer mit strategischer Prozessführung im angloamerikanischen Raum auseinander. »Man muss dazu sagen, dass das Rechtssystem im angloamerikanischen Raum ein bisschen anders ist und sich die Gerichte bei ihrer Rechtsprechung grundsätzlich sehr stark an vergangenen Fällen orientieren«, erklärt Scharlau. Aber auch in Deutschland lasse sich mit Präzedenzfällen einiges bewegen. Mit strategischer Prozessführung arbeitet zum Beispiel auch die Deutsche Umwelthilfe. Doch abgesehen von der GFF gibt es keine Organisation, die dies systematisch tut.

2015 war neben Buermeyer auch schon Malte Spitz mit dabei, der heute GFF-Generalsekretär ist und mehrere Bücher veröffentlicht hat, die sich kritisch mit Datenspeicherung auseinandersetzen. Außerdem von Anfang an dabei ist Bijan Moini als erster angestellter Jurist. Er war es, der zuletzt das Verfahren zu Data Mining gewann. »In den letzten Jahren ist die GFF stark gewachsen von drei bis fünf Personen zu Beginn auf 24 Personen 2023«, erzählt Scharlau. Finanziert wird die GFF über Fördermitgliedschaften, Spenden und durch Stiftungen.

Bei den ersten Verfassungsbeschwerden ging es vor allem um exzessive Überwachungsmaßnahmen, darunter zum Beispiel den Staatstrojaner. Das Thema war der Schutz der Privatsphäre. »Im Bereich Sicherheitsgesetzgebung gibt es einen sehr starken Diskurs, dass wir mehr Sicherheit und entsprechende Regelungen brauchen«, erklärt Scharlau. »Wir verstehen uns als Gegengewicht zu der Annahme, dass unsere Sicherheitsbehörden immer mehr Befugnisse brauchen und die Grundrechte dabei zurückstehen müssen.«

Nach und nach wurden die Themengebiete der GFF ausgeweitet. Heute beschäftigt sich der Verein unter anderem mit der Stärkung der Demokratie, also etwa der Versammlungsfreiheit, aber auch mit sozialer Teilhabe, etwa in der Gesundheitsversorgung. »Wir sehen es als unsere Aufgabe, diskriminierten Menschen bei ihrem Zugang zu Recht, bei der Durchsetzung ihrer Grundrechte zu unterstützen«, sagt Scharlau. Gruppen wie Asylsuchende, aber auch Arbeitnehmer*innen seien schlechter gestellt als andere. Vielen sei gar nicht klar, dass man vor Gericht gehen könne. »Wie wir unsere Fälle finden, ist sehr unterschiedlich und kommt sehr auf das Thema an«, erzählt Scharlau. Bei den Sicherheitsgesetzen, die die GFF kritisiert, sei häufig niemand unmittelbar betroffen. »Da suchen wir ganz gezielt nach Menschen, die zum Beispiel von Data Mining – wie in dem Urteil jetzt – betroffen sein könnten.« Die GFF fragte dazu Journalist*innen und Strafverteidiger*innen als mögliche Beschwerdeführer*innen an. In anderen Fällen, wie etwa bei der Equal-Pay-Klage, wird dagegen die GFF angesprochen, ob sie unterstützen möchte.

Nach den von ihr jüngst erzielten Erfolgen lehnt sich die GFF nicht zurück. »Gerade haben wir noch laufende Klagen vor Verwaltungsgerichten zum Thema der Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere«, erzählt Scharlau. Auch Menschen ohne Aufenthaltstitel haben Anspruch auf Gesundheitsversorgung. Doch wenn sie einen Antrag darauf stellen, müssen die Sozialämter, die den Antrag bewilligen, die Daten an die Ausländerbehörde übermitteln. »Das heißt, sobald sie einen Arztbesuch beantragen, ermöglichen sie ihre eigene Abschiebung«, erklärt Scharlau. »So beansprucht natürlich niemand diese ärztliche Behandlung. Diese Übermittlungspflicht greifen wir an.« Die GFF suchte nach möglichen Kläger*innen und fand schließlich jemanden.

Eine kleine NGO, die sich erfolgreich gegen Bund und Länder stellt, um für die Allgemeinheit einzutreten? Ja, das gibt es tatsächlich.

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