Ukrainisierung von Russland ist das Ziel

Die Grünen betonen zum Jahrestag ihre Unterstützung für das angegriffene Land. Ziele beschränken sich nicht nur auf die Verteidigung

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine haben die Grünen diverse Veranstaltungen organisiert, auf denen sie sich mit der Regierung in Kiew solidarisierten. Außenministerin Annalena Baerbock erteilte dabei Forderungen nach einem Ende der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine eine Absage. »Das wäre Unterwerfung«, sagte Baerbock Ende vergangener Woche bei einem Fachgespräch der Grünen-Bundestagsfraktion. »Ein Diktatfrieden bringt nur neue Gewalt und Unterdrückung«, prognostizierte die Ministerin. Der Aggressor Russland dürfe nicht belohnt werden, indem der Westen und die Ukraine nachgeben. 

Nachdem die Forderung aus den Reihen der Grünen erfüllt wurde und Kampfpanzer aus deutscher Produktion an die Ukraine geliefert werden, bleibt die Frage offen, was der nächste Schritt sein könnte. Hinter den Kulissen wird bereits seit einiger Zeit über Kampfjets gesprochen, die Kiew zur Verfügung gestellt werden könnten. Noch gibt man sich in der Nato reserviert, aber je länger der Krieg dauert und es nicht danach aussieht, als könnte die ukrainische Armee Gebiete im Osten und Süden des Landes zurückerobern, dürfte die Debatte weiter geführt werden. 

Ebenso wie die ukrainische Regierung lehnen auch die Grünen es ab, dass Kiew auf Teile des Staates, die sich Russland rechtswidrig einverleibt hatte, verzichten könnte. Fraglich wäre dann ohnehin, ob sich Moskau damit zufriedengeben oder doch wieder versuchen würde, das gesamte Land einzunehmen. Die Ukraine habe ein Recht auf ihr gesamtes Staatsgebiet, erklärte Baerbock. Als Argument führte die Grünen-Politikerin nicht nur das Völkerrecht an, sondern auch die Verbrechen in den von Russland besetzten Gebieten. Baerbock berichtete von ihrem Besuch im ukrainischen Butscha, wo mutmaßlich ein russisches Massaker an Zivilisten verübt wurde. 

Einen Schritt weiter als Baerbock geht ihre Parteikollegin Viola von Cramon, die für die Grünen im Europäischen Parlament sitzt. Sie bezeichnet die russischen Attacken auf die Ukraine bereits seit Monaten als einen »Vernichtungskrieg«. Ebenso wie die Regierung in Kiew benutzt von Cramon im Zusammenhang mit Butscha und den russischen Kriegsverbrechen in Mariupol auch den Begriff »Völkermord«. Allerdings gibt es bislang nicht ausreichend Belege dafür, dass sich die russische Armee diesem Verbrechen schuldig gemacht hat. Außerdem erhebt nicht nur die Ukraine solche Vorwürfe. Die Moskauer Regierung hatte als vermeintlichen Grund für ihren Angriff auf die Ukraine vor einem Jahr behauptet, dass im Donbass ein Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung drohe. Auch dafür gibt es keinerlei Beweise. 

Von Cramon hat stärker als viele ihrer Kollegen deutlich gemacht, worum es vielen westlichen Staaten in diesem Krieg geht. Ein umfassender ukrainischer Erfolg könne die Russische Föderation zum Besseren verändern, meinte sie. Ihre Vorstellung ist, dass das System des Präsidenten Wladimir Putin implodieren könnte, wenn er seinen Feldzug im westlichen Nachbarland abbrechen muss, die russischen Truppen das Land verlassen und die Ukraine ihr gesamtes Land zurückerhält. 

Diese Überlegung ist durchaus schlüssig. Allerdings ist offen, welches System und welche Personen auf Putin folgen würden. Von Cramon meint, es gebe dann die Chance auf eine »Ukrainisierung« von Russland. Sie spricht in diesem Zusammenhang lediglich davon, dass es in Russland eine Selbstverwaltung auf kommunaler Ebene nach ukrainischem Vorbild geben solle. 

Allerdings braucht man nicht viel Fantasie dafür, was hinter dem Begriff der »Ukrainisierung« noch alles stecken dürfte. Die frühere Sowjetrepublik hat sich, seit sie in westliche Strukturen integriert wurde, auch vollständig in die Abhängigkeit westlicher Geldgeber, insbesondere des Internationalen Währungsfonds IWF, begeben. Dieses Schicksal drohte Russland auch zur Zeit unter Putins Vorgänger Boris Jelzin. Viele deutsche Politiker dürften sich danach zurücksehnen. 

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