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Tolle Bühne und traurige Kulissen in Planica
Wie es bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften zur Zuschauerkrise kommen konnte
Am Montag ging es erwartungsgemäß beschaulich an den Wettkampfstätten der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften zu. Der Ruhetag der Titelkämpfe wurde zum Training genutzt. Die Probleme von Planica beschreibt ein Erlebnis am Tag zuvor: Als Sloweniens Skisprung-Mixed-Team mit Rang drei dem Gastgeber der WM endlich den langersehnten Platz auf einem Podest beschert hatte, verließ ein Großteil der ohnehin nur etwa 1000 Zuschauer fluchtartig das Stadion. Die Flower-Zeremonie für die stolzen Medaillengewinner hatte den Charakter einer Kreismeisterschaft vor einer Handvoll Fans.
Die traurige Szene ist aber charakteristisch für das bislang größte Sportereignis in der Geschichte Sloweniens. Statt der angekündigten 250 000 Fans herrscht vor allem auf der Tribüne des Skisprung-Stadions gähnende Leere. Nur rund 27 000 Zuschauer sollen in den ersten fünf Wettkampftagen dieser Weltmeisterschaften zu den Top-Sportstätten ins wunderschöne Tal der Schanzen gepilgert sein. Und selbst diese von den Organisatoren veröffentlichte Zahl erscheint noch etwas zu hoch. Stars wie Skisprung-Weltmeister Andreas Wellinger hatten sich nach mehr als zwei Jahren Corona-Sport ohne Fans endlich wieder auf »grandiose Stimmung« gefreut, doch stattdessen herrscht blanke Ernüchterung.
Die Resonanz ist sehr enttäuschend. Beim Weltcup-Auftakt im Skispringen Anfang November im polnischen Wisla traten die slowenischen WM-Organisatoren auf und verkündeten, dass die Wettkämpfe der Weltmeisterschaften größtenteils ausverkauft seien. »Wir haben deshalb sogar noch Ticket-Kontingente für unser Team gekauft. Ausverkauft schaut jedoch anders aus«, kommentiert Horst Hüttel, der Weltcup-Sportdirektor für Skispringen und Kombination beim Deutschen Skiverband.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Ganz oben stehen jedoch die horrenden Preise, die sich besonders die einheimischen Fans nicht leisten können. VIP-Tagestickets kosten bis zu 400 Euro. Für einen Sitzplatz auf der Tribüne muss man an den meisten Wettkampftagen bis zu 99 Euro hinlegen. Es ist deshalb kein Wunder, dass die riesige Tribüne im Skisprung-Stadion bislang umsonst aufgebaut wurde. Selbst Stehplätze an der Langlauf-Strecke oder im Skisprung-Stadion sind 49 Euro teuer. Besonders für Familien mit Kindern ist der WM-Spaß deshalb unbezahlbar. Dass jetzt inmitten der Zuschauerkrise noch spezielle Familien-Tickets eingeführt wurden, kommt zu spät.
Die WM-Organisatoren hatten bei der Preisauswahl wohl besonders die zahlungskräftigen Fans aus Norwegen und Schweden im Blick, die regelmäßig in Scharen zu nordischen Titelkämpfen pilgern. Doch selbst für die Skandinavier waren die aufgerufenen Mondofferten offenbar zu hoch, zumal auch die Hotels im Umkreis von Planica Rekordpreise verlangen. Weil es nicht einmal für die Sportler im berühmtesten slowenischen Wintersport Krajnska Gora – dort finden die Siegerehrungen dieser Weltmeisterschaften statt – bezahlbare Optionen gibt, hat zum Beispiel das deutsche Team im italienischen Tarvisio und im österreichischen Arnoldstein Quartier bezogen.
»Auch logistisch ist es für den normalen Fan bei dieser WM sehr schwierig. Nicht jeder kann zwei Kilometer das Tal hochlaufen und auch der Shuttle-Service funktioniert nicht perfekt«, nennt Hüttel einen weiteren Grund für die enttäuschende Resonanz. Die riesigen WM-Arenen im »Tal der Schanzen« sind nur über eine einzige schmale Straße zu erreichen, weshalb der Autoverkehr extrem eingeschränkt wurde. Trotzdem pilgern normalerweise Jahr für Jahr Zehntausende slowenische Fans zum Weltcup-Finale der Skiflieger und sorgen für eine einmalige Stimmung. Was ist also neben den zu hohen Preisen das große Problem dieser WM?
»Ein Problem ist das kalte Wetter bei der WM. Beim Weltcup-Finale der Skiflieger Ende März ist es meist schon sehr warm, die Sonne scheint und die Fans feiern im T-Shirt eine riesige Party«, sagt ein Vertreter aus dem WM-Presseteam. Dazu gebe es nur im Skispringen echte slowenische Sport-Nationalhelden wie derzeit etwas Anze Lanisek. Fast verzweifelt hatte der Skiverband Sloweniens deshalb versucht, die ehemalige Skilangläuferin Anamarija Lampic zu einem WM-Start zu überreden. Doch die zweimalige Bronzemedaillengewinnerin der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften 2021 in Oberstdorf sagte mit dem Hinweis ab, sich voll auf ihre neue Sportart Biathlon konzentrieren zu wollen.
Kritik gab es derweil auch an der WM-Organisation. Weil am Sonntag der Aufsprunghang der Schanze für die WM-Premiere des Mixed-Wettbewerbs in der Nordischen Kombination nach Schneefall nicht ausreichend präpariert war, gab es mehrere schwere Stürze. »Das war sehr gefährlich, grob fahrlässig. Da wurden die Hausaufgaben nicht gemacht«, schimpfte Bundestrainer Hermann Weinbuch. »So etwas sollte bei einer WM nicht passieren.«
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