- Wirtschaft und Umwelt
- Energiepolitik
Endlager für Treibhausgas
Dänemark beginnt mit unterirdischer Speicherung von CO2 in ehemaligem Ölfeld unter der Nordsee
Wenn der dänische Kronprinz Frederik an diesem Dienstag das Signal gibt, die Flussrichtung im Rohrleitungssystem des ehemaligen Ölfeldes Nini zu wenden, ist auch ein historischer Wendepunkt erreicht. Vor 50 Jahren öffnete sein Vater, Prinz Henrik, symbolisch das Ventil, um die dänische Öl- und Gasförderung zu starten. Die heutigen Generationen sind nun Zeuge, wie Kohlendioxid, der ebenso unerwünschte wie unvermeidliche Begleiter des fossilen Energiezeitalters, ins Sandgestein unter dem Meeresboden gepumpt wird, in der Hoffnung, der Klimawandelfolgen wenigstens ein bisschen Herr zu werden.
Mit der royalen Geste startet offiziell das Pilotprojekt »Greensand«, in dem in den nächsten vier Wochen 15 000 Tonnen verflüssigten Kohlendioxids in 1800 Meter Tiefe gepresst werden, um zu testen, ob es dort sicher gelagert werden kann. Von dort wurde bis vor zehn Jahren Rohöl hochgepumpt. Das CO2 für die Versuchsphase kommt aus einer Chemiefabrik in Antwerpen, wo man schon seit Längerem das klimaschädliche Treibhausgas aus den Schornsteinen abscheidet, bevor es in die Atmosphäre entweichen kann, um dann unter Druck verflüssigt und in Spezialcontainern gelagert zu werden. Von hier aus geht es per Schiff etwa 350 Kilometer nördlich, um letztlich in die Tiefe verbracht zu werden.
Die Kette von der Abscheidung in der Anlage mit produktionsbedingt hoher Emission über den Transport bis hin zur Endlagerung ist das Grundkonzept der Technologie des Carbon Capture and Storage (CCS). Sie kann nicht das Kernproblem des Ansteigens der CO2-Konzentration in der Atmosphäre verhindern, aber aus Sicht der Befürworter eine zeitweilige Lösung sein, wie energieintensive Anlagen zur Produktion von beispielsweise Zement, Energie, Stahl oder chemischen Erzeugnissen weiterarbeiten können, solange die fossilen Brennstoffe noch nicht kostengünstig ersetzt werden können. Voraussetzung für eine sichere Lagerung sei, dass diese an den geologisch richtigen Stellen geschieht. Es müssen tiefliegende Gesteine sein, die genügend Poren haben müssen, in denen Flüssigkeiten zirkulieren können. Wenn CO2 injiziert wird, verdrängt es diese Flüssigkeiten. In Gesteinsschichten, die mindestens 800 Meter tief liegen, lässt sich die Lagerung des Klimagases am effektivsten realisieren, da hier Druck- und Temperaturverhältnisse herrschen, in denen das CO2 im Vergleich zu seinem Zustand in der Atmosphäre ein deutlich verringertes Volumen aufweist. Der Nachteil der CCS-Technologie ist der hohe Energieaufwand zum Auffangen, Verflüssigen und Transport des Treibhausgases. Kritiker verweisen zudem darauf, dass die Lagerung über einen langen Zeitraum nicht als sicher betrachtet und das Risiko eines Entweichens nicht beiseite gewischt werden darf.
Indes suchen Forscher nach möglichen unterirdischen Speichern, die den natürlichen Lagerstätten von CO2 ähneln. Acht solcher alten Speicher in der Erdkruste existieren allein im Südosten Frankreichs. Sie sind Millionen von Jahren alt, was zeigen soll, dass einige geologische Strukturen über lange Zeiträume tatsächlich dicht sind. In Dänemark konnten aus diesem Grund weder die Vorbehalte des Umweltministeriums von Schleswig-Holstein noch die Proteste einer Bürgerinitiative die Pläne stoppen.
Im Falle eines erfolgreichen Abschlusses des Pilotprojektes im April ist vorgesehen, die Lagerfähigkeit des Nini-Erdölfeldes bis 2025 auf 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr und ab 2030 auf acht Millionen Tonnen pro Jahr zu steigern. Das entspricht etwa 13 Prozent des jährlichen dänischen CO2-Ausstoßes. Der Transport erfolgt dann mit Spezialschiffen oder per Pipeline ab den Häfen Esbjerg an der Westküste und Hirtshals im Norden Jütlands. Letzterer soll zu einem Knotenpunkt für CO2-Transporte aus Ostseeanrainerstaaten ausgebaut werden.
Am »Greensand«-Projekt maßgeblich beteiligt ist auch der deutsche Gaskonzern Wintershall DEA. Dieser arbeitet in Norwegen an weiteren Projekten und plant für Wilhelmshaven ein Export-Terminal für CO2 sowie eine Rohrleitung nach Norwegen. Weite Teile Norddeutschlands, Bayerns und des Saarlandes haben geologisch gesehen ähnlich geeignete Sandsteinformationen, aber in Deutschland ist die CCS-Technologie bisher verboten, und die Politiker sind uneins. Wirtschaftsminister Robert Habeck möchte erreichen, dass die in der Zementindustrie kaum vermeidbaren CO2-Emissionen zumindest im Ausland unter der Nordsee verpresst werden dürfen, um die bis 2045 angepeilte Klimaneutralität erreichen zu können. Seine Parteikollegin, Umweltministerin Steffi Lemke, lehnt dieses Herangehen rundweg ab.
In Dänemark ist die Haltung eher positiv, auch angesichts der Arbeitsplätze, die im Offshore-Bereich in der Nordsee erhalten bleiben. Man geht davon aus, die leergepumpten Öl- und Gasfelder in den nächsten 500 Jahren nutzen zu können, um CO2 dort einzulagern.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.