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Georgien streitet über »ausländische Agenten«
Proteste nach Annahme von umstrittenen Gesetz
Zunächst waren es nur wenige Protestierende, die sich bereits seit Montag früh um 9 vor dem georgischen Parlament auf der Prachtstraße Rustaweli im Herzen der Hauptstadt Tiflis versammelt hatten. Eigentlich, so der Plan, sollte das Parlament am Donnerstag über das umstrittene Gesetz »Über die Transparenz ausländischen Einflusses« abstimmen. Nachdem die Abgeordneten überraschend bereits am Dienstagabend das Gesetz in erster Lesung durchbrachten, schwoll die kleine Gruppe Protestierender schlagartig an.
Zwischen 5000 und 10 000 Menschen versammelten sich bis spät in die Nacht vor dem Parlament. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, Molotow-Cocktail-Würfen und dem Einsatz von Tränengas. Ein Teil der Demonstrierenden versuchte, das Parlamentsgebäude zu stürmen. Nach Angaben des Innenministeriums wurden 66 Protestierende verhaftet.
Demonstranten fürchten russische Zustände
Das neue Gesetz sieht vor, dass Organisationen, die sich zu mehr als 20 Prozent mit Geldern aus dem Ausland finanzieren, sich als sogenannte ausländische Agenten registrieren lassen müssen. Anderenfalls drohen ihnen Strafen. Die Vorlage erinnert an ein Gesetz, das 2012 in Russland verabschiedet worden war und seitdem als Vorwand für ein hartes Vorgehen gegen die Opposition gilt. Eingebracht hatte die Vorlage die antiwestliche Bewegung Kraft des Volkes, eine Gruppe ehemaliger Abgeordneter der Regierungspartei Georgischer Traum, die sich abgespalten hatte, »um den Menschen die Wahrheit zu erzählen
Beobachter glauben allerdings, dass der Georgische Traum hinter dem Gesetz steht. Schon länger wird die Partei für ihren russlandfreundlichen Kurs von der Opposition kritisiert. Zwar spricht die Regierung nicht von einem Gesetz á la Putin, sondern von einer abgeschwächten Form des US-amerikanischen Originals. Die Gegner bezeichnen das Vorhaben aber durchweg als «Rusili kanoni – russisches Gesetz». Sie befürchten, dass Meinungsfreiheit und Zivilgesellschaft deutlich eingeschränkt werden könnten.
Das Gesetz zeigt, wie tief die georgische Politik gespalten ist. Bereits im Februar, als die Initiative ins Parlament eingebracht wurde, kam es zu Prügeleien zwischen den Abgeordneten. Präsidentin Salome Surabischwili, derzeit auf Staatsbesuch in den USA, sagte am Dienstag alle ihre Termine ab und stellte sich hinter die Demonstrierenden in Tiflis. «Ihr repräsentiert heute das freie Georgien, das seine Zukunft in Europa sieht und das niemanden diese Zukunft rauben lassen wird», erklärte sie in New York. Surabischwili forderte, das Gesetzesvorhaben aufzugeben, und kündigte ihr Veto gegen den Text an. Da die Regierungspartei Georgischer Traum eine absolute Mehrheit im Parlament hat, kann sie dieses Veto jedoch aufheben.
Westen kritisiert Gesetz
Trotz des Gegenwinds von Straße und Präsidentin will der Georgische Traum am Gesetz festhalten. Allerdings wolle man der Opposition entgegenkommen und das Vorhaben der Venedig-Kommission übergeben. Die Einrichtung des Europarats, die Staaten verfassungsrechtlich berät, soll überprüfen, ob das «russische Gesetz» der europäischen Rechtsprechung entspricht. Ob sich die Partei an die Entscheidung der Kommission hält, darf bezweifelt werden. Schon im Vorfeld hatte sie die Aufrufe aller 27 Botschafter der EU-Länder ignoriert, das Gesetz nicht einzubringen. EU-Botschafter Pawel Herczynski hatte zudem darauf hingewiesen, dass Tiflis mit dem Gesetz den EU-Beitrittskandidaten-Status gefährdet. Die Opposition wirft der Regierung vor, eine mögliche Integration in die EU gezielt zu torpedieren und stattdessen die Nähe zu Russland zu suchen, von dem das kleine Land wirtschaftlich stark abhängig ist.
Scharfe Kritik kam aus dem Erfinderland des ausländischen Agenten, den USA, die 1938 den Status einführten. Das Gesetz sei ein schwarzer Tag für die georgische Demokratie, hieß es aus der Botschaft in Tiflis. Washington brachte das State Department sogar Sanktionen ins Spiel.
Die Opposition rief am 8. März zu landesweiten Protesten gegen das «russische Gesetz» auf. Am Nachmittag demonstrierten etwa 2000 Personen beim Frauenmarsch gegen die Regierung. In der Schwarzmeer-Stadt Batumi gingen Studierende auf die Straße. Am Abend versammelten sich erneut mindestens 10 000 Menschen vor dem Parlament.
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