- Politik
- Nordirland
Nordirlands Loyalisten schüren Rassismus
Studien belegen die Zunahme von Ressentiments und Hass auf Migranten
Im Zeitraum 2021/22 wurden in Nordirland 1334 rassistische Vorfälle gemeldet, 341 mehr als im Berichtsjahr zuvor. Es war die zweithöchste Zahl seit Beginn der Datenerhebung durch das Statistikamt. Zwar hat zuletzt auch in der Republik Irland der Rassismus zugenommen, doch belegt eine neue Studie des Economic and Social Research Institute (ESRI), wie wenig willkommen Migranten besonders im Norden sind. Bei der Präsentation betonten die Autoren, dass die Menschen in Nordirland die Schuld für ihre Zukunftsängste den Migranten geben.
Eine andere ESRI-Studie verdeutlicht, wieso die Nordiren so pessimistisch in die Zukunft blicken: In ihrer Provinz ist die Lebenserwartung mit 53 Jahren gleich hoch wie in Sierra Leone und sieben Jahre geringer als in Indien. In der Republik liegt sie bei 70 Jahren.
In Nordirland leben fast 125 000 Menschen aus ethnischen Minderheiten, zusätzlich zu einer wachsenden Zahl von Geflüchteten. Der größte Anteil sind chinesische und indische Einwohner der zweiten und dritten Generation, und auch die Zahl der Menschen afrikanischer Abstammung wächst.
In einer Studie im Auftrag des Belfaster Stadtrats gaben 40 Prozent der befragten Migranten an, rassistische Hassverbrechen erlebt zu haben. Ein ähnlicher Anteil der Eltern gab an, dass ihre Kinder in der Schule rassistischem Mobbing ausgesetzt waren: »Diejenigen, die in der Vergangenheit Hassverbrechen bei der Polizei gemeldet haben, sind aufgrund unbefriedigender Ergebnisse weitgehend abgeneigt, dies erneut zu tun«, heißt es im Bericht.
Rassistische Hassverbrechen
Betroffene berichten von negativen Erfahrungen im Umgang mit der Polizei. Erst Anfang der Woche berichtete die Investigativplattform TheDetail.tv, dass misshandelte Minderjährige nach Anzeigen keine Unterstützung erhalten, sondern der Einwanderungsbehörde übergeben werden.
Besonders häufig kommt es zu rassistischen Vorfällen in den loyalistischen Arbeiterkiezen in Belfast und anderen protestantisch-unionistischen Wohnvierteln entlang der Ostküste. Regelmäßig werden Migranten nachts aus ihren Häusern vertrieben, ihre Autos in Brand gesetzt und ausländerfeindliche Botschaften an Wände gemalt. Selbst von den angezeigten Fällen führen nur 6,1 Prozent zu einer Anzeige durch die nordirische Polizei PSNI. Peter Corrigan von Amnesty International bezeichnete Nordirland einmal als »einen sicheren Hafen für Rassisten«.
Seit Jahren agitieren rechtsextreme Organisationen aus England in Nordirland. Gruppen wie English Defence League und British National Party kooperieren mit loyalistischen Paramilitärs und organisieren auch Aktionen auf der Straße. Anfang März kam es zu einem ersten nächtlichen Protest vor einer Flüchtlingsunterkunft in Bangor, einer Kleinstadt östlich von Belfast. Sie ist nahezu ausschließlich unionistisch und die paramilitärische Ulster Defence Association ist einflussreich. In Bangor werden in zwei Hotels Asylsuchende untergebracht. Besonders über Social Media wurden die Proteste organisiert und Falschinformationen gestreut. So behaupteten Twitter-Accounts, dass das Marine Court Hotel Hochzeitsfeiern abgesagt hätte, da dort Asylsuchende untergebracht worden seien.
Falschinformationen gegen Migranten
Stattdessen musste das Hotel während der Covid-Pandemie Insolvenz anmelden und war lange Zeit geschlossen. Durch die Unterbringung syrischer Flüchtlinge hoffen die Eigentümer, das finanzielle Überleben des Hotels zu garantieren. Es ist eines von acht Hotels in Nordirland, in dem Asylsuchende untergebracht sind. Mehrere Dutzend Vermummte kamen dennoch zum Protest, schwenkten britische Union Jacks und hielten Plakate hoch. Darauf war etwa zu lesen: »Schützt unsere Töchter! Stoppt die Invasion!«
Gerry Carroll, Abgeordneter der linken Partei People Before Profit, verurteilte die Proteste: »Diese Proteste verbreiten rassistische Lügen, um Flüchtlinge als Sündenböcke für die Nöte der Arbeiter zu missbrauchen.«
Da es in Nordirland seit über einem Jahr keine funktionierende Regierung gibt, könnten auch keine Maßnahmen gegen den wachsenden Rassismus ergriffen werden, sagte die Gleichstellungsbeauftragte Evelyn Collins zur BBC: »Es braucht endlich politische Maßnahmen.« Doch die Aktivistin Kamini Rao zeigt sich ernüchtert. Auf BBC sagte sie, das Regionalparlament Stormont »zeigt kein Interesse, etwas gegen Rassismus zu tun«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.