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  • Politik
  • Ostpolitik der Sozialdemokraten

Die gespaltene Sozialdemokratie

Unter den europäischen Schwesterparteien gibt es keine einhellige Meinung zum Umgang mit dem Krieg in der Ukraine

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.
Sozialisten und Demokraten in Europa: Oft ist etwas anderes drin, als auf der Packung draufsteht.
Sozialisten und Demokraten in Europa: Oft ist etwas anderes drin, als auf der Packung draufsteht.

Vor jedem öffentlichen Gebäude in Polen hängt neben der weiß-roten Nationalflagge die blau-gelbe Fahne der Ukraine. Solidaritätsbekundungen mit dem von Russland angegriffenen Land sind hier eine Selbstverständlichkeit. Für die polnische Politik gilt das parteiübergreifend. Im vergangenen Jahr hat das Land viel Hilfe geleistet, als Ukrainer Schutz vor dem Krieg gesucht haben. 9,5 Millionen waren es wohl insgesamt. Viele sind weitergezogen oder zurückgekehrt. 1,5 Millionen Ukrainer sind in Polen geblieben.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat Mitte dieser Woche diesen Staat ausgewählt, um dort seine Vorstellungen einer neuen Ostpolitik zu skizzieren. Das liegt nicht nur daran, dass Polen das wirtschaftlich wichtigste und einwohnerstärkste Land in der Region ist. Hinzu kommt, dass im Herbst dieses Jahres Parlamentswahlen stattfinden und Klingbeil seinen nicht sonderlich populären Genossen in Warschau etwas Hilfe leisten will. Das polnische Linksbündnis liegt in Umfragen bei neun Prozent. In der Außenpolitik unterstützen die polnischen Genossen das, was Klingbeil am Mittwoch bei der von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung organisierten Zeitenwende-Konferenz in Warschau verkündet: Deutschland müsse eine Führungsrolle einnehmen, auch militärisch, es dürfe keine Normalisierung in den Beziehungen mit Russland geben, solange der Krieg dauert, und die Ukraine solle militärisch weiter aus dem Westen unterstützt werden.

Eine andere Haltung vertreten nach den Worten von Klingbeil nur »Rechts- und Linkspopulisten«. Das Treffen in Warschau soll die Einigkeit zwischen den Sozialdemokraten in Nord-, Mittel- und Osteuropa demonstrieren. Die einst neutralen Länder Schweden und Finnland wollen mit Unterstützung der Sozialdemokraten in die Nato. Gemeinsam treten sie etwa mit Genossen aus Deutschland, Ungarn, Polen und dem Baltikum für Waffenlieferungen an Kiew und die Aufrüstung der einheimischen Armeen ein.

Doch wenn man genau hinsieht, bekommt dieses Bild, das die SPD von ihrer europäischen Parteienfamilie vermitteln will, einige Risse. Die Sozialdemokraten, die eine abweichende Meinung zum Umgang mit dem Krieg in der Ukraine haben, sind nicht bei der Konferenz in Warschau dabei. Es fehlen etwa die Bulgaren. Dabei stellt die dortige Sozialistische Partei immerhin fünf Abgeordnete in der gemeinsamen Fraktion der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament.

Der bulgarische Präsident Rumen Radew war mit Unterstützung der Sozialisten gewählt worden und wurde im November 2021 im Amt bestätigt. Der frühere Chef der bulgarischen Luftwaffe lehnt Militärhilfe für die Ukraine ab, weil sie »den Krieg verlängern« und einen »gefährlichen Schritt zum direkten Kriegseintritt« darstellen würde. Diese Meinung ist auch unter Spitzenpolitikern der Sozialisten, der Nachfolgeorganisation der Kommunistischen Partei, weit verbreitet. Allerdings haben sie es nicht verhindern können, dass auch bulgarische Waffen den Weg in die Ukraine gefunden haben.

Slowakische Sozialdemokraten haben sich ebenfalls gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. Robert Fico, einst Ministerpräsident des Landes und heute Chef der Oppositionspartei Smer-SD, hat kürzlich das Versprechen von Regierungschef Eduard Heger an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, dem Land ausgemusterte sowjetische Kampfjets zu liefern, als verfassungswidrig bezeichnet. Außerdem hatte Fico den Vorwurf gegenüber Selenskyj erhoben, er wolle die Slowakei in einen Krieg hineinziehen.

Etwas differenzierter äußerte sich im Februar Ficos Parteikollegin Katarína Neveďalová im Gespräch mit dem Portal Euractiv. »Ich bin ein Mensch, der sich mehr mit der Friedenspolitik als mit der Kriegs- und Waffenpolitik beschäftigt. Ich verstehe, warum wir Waffen in die Ukraine schicken, aber ich denke auch, dass wir uns mehr für eine friedliche Lösung des Krieges einsetzen und uns mehr auf die Menschen konzentrieren sollten«, sagte die EU-Abgeordnete.

Die Auseinandersetzung mit solchen Forderungen, die von einer Minderheit der europäischen Sozialdemokraten erhoben werden, war bei der Warschauer Zeitenwende-Konferenz nicht vorgesehen. Noch ist die Smer-SD eine Schwesterpartei der SPD. Doch die Deutschen wollen künftig mit einer Partei in der Slowakei kooperieren, die sich von Ficos Organisation abgespalten hat. Es handelt sich um Hlas-SD, die von Peter Pellegrini geführt wird. Er war einst auf Vorschlag von Fico dessen Nachfolger als Regierungschef, hat sich aber inzwischen mit seinem einstigen Förderer zerstritten.

Anfang März trafen sich Pellegrini und Kanzler Olaf Scholz in Berlin, um eine engere Zusammenarbeit zwischen SPD und Hlas-SD zu vereinbaren. Anders als Fico ist Pellegrini der Meinung, dass man auf der Nato-Ebene über die Lieferung an Kampfjets für die Ukraine beraten sollte. Offensichtlich ist er auch deswegen aus Sicht der deutschen Sozialdemokraten der richtige Mann für die Zeitenwende-Politik. Ende September wird in der Slowakei neu gewählt. Die Partei von Pellegrini liegt in Umfragen bei 19 Prozent und knapp vor der Smer-SD unter Führung von Fico.

In der SPD gibt es auch Überlegungen, wie man denjenigen den Boden entziehen kann, die sich gegen die Unterstützung für Kiew wenden. »Diese Menschen sagen, dass man das Geld im eigenen Land besser gebrauchen kann, als es zugunsten der Ukraine auszugeben«, konstatiert Klingbeil in Warschau. »Wir als Sozialdemokraten müssen die Probleme in unseren Ländern lösen und zugleich der Ukraine weiterhin helfen«, sagt er. Ob diesen Worten auch Taten folgen werden, ist zweifelhaft. Denn wegen ihrer mangelhaften Sozial- und Arbeitsmarktpolitik haben die Sozialdemokraten in den vergangenen 20 Jahren viele Wähler verloren. Zumindest das haben sie nahezu europaweit gemeinsam.

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