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Der Schweinepest auf den Fersen
Systematische Suche nach verendeten Wildschweinen im Wald bei Klein Döbbern
Sieben Männer und Frauen mit Rettungswesten stellen sich nebeneinander an einem asphaltierten Waldweg bei Klein Döbbern im Landkreis Spree-Neiße auf. Zur Einweisung heißt es noch einmal: Wenn sie auf eine Bache mit Frischlingen stoßen, sollen sie einen weiten Bogen um sie herum machen. Denn Wildschweine können sehr gefährlich werden, wenn sie glauben, dass Menschen ihren Nachwuchs bedrohen. Dann greifen die Muttertiere ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben an. Nachdem das allen klar ist, geht es auf Kommando hinein in den Wald.
Die sieben Freiwilligen schlängeln sich mühselig zwischen Bäumen und Gestrüpp hindurch. Sie suchen am Dienstag nicht etwa nach lebenden Wildschweinen. Sie halten stattdessen sorgsam Ausschau nach den Kadavern verendeten Schwarzwilds. Denn in Ostbrandenburg und insbesondere in Spree-Neiße grassiert seit Herbst 2020 die aus Polen eingeschleppte Afrikanische Schweinepest (ASP). Menschen können sich mit dieser Tierseuche nicht anstecken. Sie können aber den Erreger an ihrer Kleidung oder ihren Schuhen weitertragen bis hinein in die Ställe von Hausschweinen – und für Wild- und Hausschweine verläuft die Krankheit fast immer tödlich. Es droht also ein riesiger wirtschaftlicher Schaden.
Deshalb kämpft das Land Brandenburg seit zweieinhalb Jahren verbissen gegen die weitere Ausbreitung der Schweinepest. Zur polnischen Grenze hin wurden Wildzäune errichtet, die selbst ein starkes Wildschwein nicht überwinden kann. Landestierarzt Stefan Niekisch hat ein Video von einem Keiler, der mit Wucht gegen einen solchen Zaun anrennt. Doch der Zaun hält dieser Belastung stand. Das Problem sind Spaziergänger, die durch eines der Tore schlüpfen, was erlaubt ist, aber die Tore hinter sich nicht wieder verschließen. Das Problem sind Metalldiebe, die Segmente aus den Zäunen entwenden, um sie bei Schrotthändlern zu Geld zu machen. Das Problem sind auch Vandalen, die Zäune mutwillig zerstören.
Das Land Brandenburg ist relativ erfolgreich mit seiner Strategie, bei ASP-Fällen rund um den Fundort eine Kernzone einzuzäunen und dann außen herum zur Sicherheit noch eine sogenannte weiße Zone. Beide Zonen werden systematisch abgesucht, aufgefundene tote Wildschweine werden auf ASP getestet. Lebende Wildschweine werden abgeschossen und ebenfalls getestet. Wenn alles gut läuft, können die Gebiete wieder freigegeben werden. Die Körper infizierter Wildschweine bringt Brandenburg nach Genthin in Sachsen-Anhalt oder nach Malchin in Mecklenburg-Vorpommern in die dortigen Tierkörperbeseitigungsanstalten.
Einige Zonen in Brandenburg konnten schon als ASP-frei eingestuft und wieder freigegeben werden. Für weitere Zonen solle dies im Frühjahr geschehen, kündigt Verbraucherstaatssekretärin Antje Töpfer an, die den Krisenstab leitet. Sie hat sich die Fallwildsuche mit Freiwilligen, Suchhunden und einer mit einer Kamera ausgestatteten Drohne bei Klein Döbbern erstmals angeschaut. »Ich habe gesehen, das ist unglaublich aufwendig«, berichtet sie hinterher. Sie danke den Menschen, die sich seit zweieinhalb Jahren in dieser Weise engagieren. »Die Seuchenbekämpfung ist kein Sprint. Das ist ein Marathon. Das zerrt an den Nerven«, weiß Töpfer.
In Spree-Neiße sind »bis zu 100 Leute am Tag unterwegs und oft noch sieben Hundeführer«, erzählt Landrat Harald Altekrüger (CDU). Drohnen liefern gute Luftbilder und eignen sich für freie Flächen. Im Wald müssen Menschen nachschauen oder Hunde schnüffeln, wenn die Kronen der Bäume den Blick von oben versperren. Ab 1. April möchte der Landkreis Firmen mit der Suche beauftragen. Bislang sind nur Freiwillige im Einsatz, die eine Aufwandsentschädigung erhalten. Als Erfolg der intensiven Bemühungen wertet Landrat Altekrüger, dass die Seuche seit September 2020 nicht weiter als 20 bis 25 Kilometer nach Westen vordringen konnte. Das hatte allerdings seinen Preis. Die Nutztierhaltung in der Gegend habe sich um 80 bis 90 Prozent reduziert, erzählt der Landrat. »Die Schweinehalter haben aufgegeben, weil die Restriktionen zu groß sind.« Aber selbst die strengen Vorschriften haben nicht verhindern können, dass die Afrikanische Schweinepest auch zweimal in Beständen von Hausschweinen ausgebrochen ist. Das ist bitter, denn der gesamte Bestand muss dann getötet werden.
Inzwischen droht Gefahr allerdings nicht nur von Osten aus Polen, sondern auch von Süden aus Sachsen. Denn der benachbarte Freistaat bekämpft ASP auf eine weniger konsequente und scheinbar weniger erfolgversprechende Weise. Dort würden keine extra weißen Zonen ausgewiesen, also kein zweiter Schutzzaun gezogen, erläutert Landestierarzt Nikisch.
Erklärtes Ziel in Südbrandenburg ist es, eine Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in den Spreewald zu verhindern. Das wäre der Supergau, wenn die Touristen nicht mehr zu den beliebten Kahnfahrten und Paddeltouren durch das Labyrinth der Spreewaldfließe kommen würden. Ein Zaun, das Gebiet nach Süden hin abzuriegeln, ist für alle Fälle in Vorbereitung. »Hoffentlich brauchen wir ihn gar nicht«, erklärt Stefan Giebler, der den Verwaltungsstab leitet, der alle Maßnahmen in Spree-Neiße koordiniert. Denn errichtet werden dürfte und müsste dieser weitere Schutzzaun erst, wenn es nördlich der Autobahn 15 einen bestätigten ASP-Fall gibt. Dazu ist es bis jetzt glücklicherweise noch nicht gekommen.
12,5 Millionen Euro wendete der Landkreis Spree-Neiße bislang zur Bekämpfung der Schweinepest auf. Zwei Millionen Euro musste er aus eigener Tasche bezahlen. Den Rest der Kosten erstattete das Land Brandenburg. Es gab seinerseits schon 93 Millionen Euro aus, denn andere Landkreise hatten und haben ebenfalls mit ASP zu kämpfen. Vom Bund gibt es keine Mittel dafür, höchstens von der EU.
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