Werbung

Keiner kann sanieren: Bahnstrecke ins Wendland dauergesperrt

Bisher kein Unternehmen für Sanierung von 20 000 Bahnschwellen gefunden

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Pendler aus dem Wendland, die etwa in Hamburg arbeiten, ist es eine vertraute Alternative zum Im-Stau-Stehen: Das Auto wird am Dannenberger Ostbahnhof abgestellt und dann geht es bequem in einer guten Stunde mit der Privatbahn »Erixx« nach Lüneburg. Dort steigt man in den Zug nach Hamburg um. Auch Schüler nutzen gern diese Bahnstrecke. Doch die Fahrt mit mehreren dörflichen Stationen ist seit vier Monaten nicht mehr möglich. Die eingleisige Strecke ist auf Anordnung der DB Netz AG gesperrt, weil 20 000 Bahnschwellen ausgetauscht werden müssen. Schon Ende 2022 sollte das geschehen sein. Doch bislang hat keine Fachfirma auf die Ausschreibung der Bahn reagiert.

Die Auftragsbücher seien voll, heißt es von infrage kommenden Unternehmen. Inzwischen können die Bahnkunden Expressbusse nutzen, die von Dannenberg etwa die gleiche Zeit benötigen wie der »Erixx«. Die anderen Orte, die vor der Sperrung per Zug erreicht werden konnten, werden ebenfalls mit Bussen angesteuert, doch dauert die Fahrt hier deutlich länger als mit der Bahn.

Die Untersuchung der Schwellen hatte ergeben, dass diese auf der gut 50 Kilometer langen Strecke sofort ausgetauscht werden müssen. Anlass der Überprüfung war das Bahnunglück, bei dem im Juni 2022 bei Garmisch-Partenkirchen ein Zug entgleiste. Dabei starben fünf Menschen, viele weitere wurden verletzt. Von der Bahn hieß es seinerzeit, die Schwellen in dem betroffenen bayerischen Streckenabschnitt würden »teilweise Unregelmäßigkeiten in der Materialbeschaffenheit« aufweisen. Daraufhin veranlasste der Konzern bundesweit zahlreiche Untersuchungen und in deren Folge mancherorts den Austausch von Schwellen. Menschen aus dem Kreis Lüchow-Dannenberg, die beruflich auf den Zug angewiesen sind, verstehen nicht, dass für die in Sachen Nahverkehr schlecht versorgte Region der Schwellentausch offenbar keine hohe Priorität hat.

Bei der Bahngesellschaft »Erixx« ist man ebenfalls verärgert über das Verhalten der Verantwortlichen. »Ursprünglich war eine Wiederaufnahme des Zugverkehrs zum Jahreswechsel geplant, seither wurde die Streckensperrung aber immer wieder verlängert«, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Nach wie vor sei unklar, wann die Strecke wieder befahrbar sein wird: »Auch auf mehrfache Nachfrage von uns konnte die DB Netz AG hierzu keine verlässliche Aussage treffen«, schreibt »Erixx«.

Volk gegen Unterwanderung: Im niedersächsischen Seevetal wird der Aufstand geprobt – allerdings nicht gegen den von Zigmillionen Autos verursachten Lärm, sondern gegen eine harmlose Bahnstrecke.

Holger Mertins (FDP), Bürgermeister von Hitzacker nahe Dannenberg, äußerte gegenüber der »Elbe-Jeetzel-Zeitung« die Befürchtung, dass sich »das Ganze bis 2024 oder sogar 2025 hinzieht. Diese Daten kursierten hier zuletzt, auch seitens der Bahn.« Die allerdings will weder die eine noch die andere Jahreszahl genannt haben.

Lüchow-Dannenbergs Landrätin Dagmar Schulz (parteilos) forderte die Bahn auf, einen »realistischen Fertigstellungstermin« zu nennen. Ihr Lüneburger Amtskollege Jens Böther (CDU) und der SPD-Bundestagsabgeordnete Jakob Blankenburg verlangen vom Konzern klare Aussagen für »eine verlässliche Planbarkeit für den Streckenbetreiber und potenzielle Nutzer«. Pendler, aber auch Touristen, die etwa zur »Kulturellen Landpartie« in die Region reisen, werden wohl noch lange auf den Bus ausweichen müssen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.