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Willkommenskultur im Kleingarten

Integrationsbeauftragte Lemmermeier präsentiert Heft mit Vereinsregeln in sieben Sprachen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Kleingarten muss Obst und Gemüse angebaut werden. Nadelbäume haben dort nichts zu suchen. Die Hecke darf nur soundso hoch sein. Mittags ist strikt Ruhe zu halten. Da hat Rasenmähen und lautes Hämmern zu unterbleiben und sogar beim Spielen kreischende Kinder werden als störend empfunden. In Kleingartenanlagen gibt es eine Menge zum Teil auch kleinlicher Regeln. Nichtbeachtung kann zu schweren Verstimmungen führen. Dabei müssen Verstöße gegen die geltenden Regeln keine böse Absicht sein. So mancher Pächter einer Parzelle hat die Kleingartenordnung nicht gründlich gelesen. Vielleicht konnte er auch nicht alles verstehen, weil er zugewandert ist und die deutsche Sprache nur mangelhaft beherrscht.

Jetzt gibt es eine Broschüre, die auf elf Seiten zusammenfasst, was man für ein möglichst harmonisches Vereinsleben wissen muss. Erstellt und in sieben Sprachen veröffentlicht wurde das Heftchen von der Brandenburger Integrationsbeauftragten Doris Lemmermeier und ihren Mitarbeitern in Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Gartenfreunde. Lemmermeier stellt die Kleingartenfibel am Montagmorgen gemeinsam mit Gartenverbandschef Fred Schenk in der Potsdamer Kleingartenanlage »Oberförsterwiese« vor.

Gedruckt wurde die deutsche Version in einer Auflage von 2000 Stück. Darüber hinaus gibt es je 1000 Exemplare auf Arabisch, Englisch, Russisch und Französisch sowie in den in Afghanistan und im Iran gebräuchlichen Sprachen Farsi und Dari. Sollten die Hefte vergriffen sein, findet man sie auch auf der Internetseite der Gartenfreunde. »Wir haben das gemacht, weil wir festgestellt haben, dass es immer wieder Schwierigkeiten gibt«, erklärt die Integrationsbeauftragte Lemmermeier. Flüchtlinge, die eine Parzelle übernommen haben, wüssten oft gar nicht, dass sie sich damit in ein »Urstück deutschen Kulturguts« begeben hätten, in dem es Regeln und Pflichten gebe, aber auch Rechte.

»Wenn sie den Pachtvertrag unterschreiben, verstehen sie alles. Aber schon zwei Wochen später, wenn es darum geht, die Auflagen zu erfüllen, verstehen sie plötzlich kein Wort«, berichtet Eberhard Nakonzer, Vorsitzender des Kreisverbandes der Garten- und Siedlerfreunde in Dahme-Spreewald. Er bestätigt, dass dies bei deutschen Pächtern allerdings genauso sei. Die verstünden die für Kleingärten geltenden Bestimmungen dann angeblich auch nicht.

Folgerichtig meint Landesverbandschef Schenk über die Broschüre: »Das ist nicht nur etwas für die, die kommen, sondern auch für die, die schon da sind.« Nicht umsonst gibt es extra 2000 Exemplare in deutscher Sprache. Selbst alte Gartenfreunde sollten vielleicht einmal hineinschauen. Schenk spricht von einer bundesweit einmaligen und »großartigen Idee«, geradezu einer einer »Eingebung«, solche Hefte zu machen. »Es kann keiner mehr kommen und sagen: ›Nix verstehen!‹«

Vorbehalte gegen Flüchtlinge gebe es in manchen Kleingartenkolonien durchaus, räumt Schenk ein. Es werde befürchtet, dass diese Menschen abgeschoben würden und also bald wieder weg seien. Es gebe Sorgen wegen der mangelhaften Deutschkenntnisse und Ängste wegen kultureller Unterschiede. Es gebe außerdem Bedenken, ob Flüchtlinge denn die Vorschriften einhalten würden. Wenn die Gartenfreunde aber sähen, dass beispielsweise eine syrische Familie ihre Parzelle mustergültig in Schuss halte, dann sei das ein »Gewinn«, wirbt Schenk für Offenheit und Gastfreundschaft.

Schließlich fehlt es den Gartenfreunden in entlegenen Gegenden Brandenburgs an Nachwuchs. Es mangelt dort nicht allein an Freiwilligen für die Vereinsvorstände. Es liegen dort sogar Parzellen ungenutzt brach. In den Ballungszentren, insbesondere im Berliner Speckgürtel, sieht es anders aus. Da gibt es lange Wartelisten für eine Parzelle. Auch Berliner bewerben sich für so ein Stückchen Grün im Umland, da Kleingärten in der Hauptstadt sehr begehrt und nur schwer zu ergattern sind.

Wie viele Zuwanderer derzeit einem der 1122 Kleingartenvereine in Brandenburg angehören, weiß der Landesverband nicht. Er macht aber alle zwei Jahre eine Abfrage etwa zur Höhe der verlangten Pacht, zum Leerstand, zu eventuell erhaltenen Fördermitteln und so weiter. Bei dieser Gelegenheit soll nächstes Mal auch die Migrantenquote erfragt werden. Dass es in Brandenburg Gartenfreunde aus aller Welt gibt, steht jetzt schon fest. »Wir haben Vietnamesen, Kubaner, Russen, Türken ohne Ende«, erzählt Fred Schenk. »Wir freuen uns, wenn Zugewanderte und Geflüchtete gemeinsam mit uns gärtnern wollen«, versichert er. »Wichtig für das gute Gelingen sind sowohl die Achtung der Vereinsregeln als auch die Liebe zur Natur.«

Von den insgesamt 101 Parzellen der Potsdamer Kleingartenanlage »Oberförsterwiese« sind zwei an syrische Familien vergeben und in der benachbarten Gartensparte »Kolonie Daheim« drei weitere. Früher, viele Jahre vor dem Krieg, gab es hier auch schon mal drei ukrainische Pächter. Die seien aber nicht geblieben, sagt Schenks Stellvertreter Christian Peschel. Der Vater von vier Kindern hat seine eigene Parzelle in der am Schlaatzweg gelegenen Anlage »Oberförsterwiese«. Dort zeigt er der Intergrationsbeauftragten Lemmermeier am Montag die Stelle, wo sein kleines Gewächshaus stand – bis es von einem Sturm fortgerissen wurde.

Im Landesverband der Gartenfreunde sind Vereine mit zusammen mehr als 60 000 Mitgliedern organisiert. Es bestehen darüber hinaus Gartenvereine, die sich dem Landesverband nicht angeschlossen haben. Deutschlandweit gibt es rund 950 000 Gartenfreunde.

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