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Hansi Flick sucht neue Säulen für die DFB-Elf
Der Bundestrainer startet mit frischen Gesichtern in die EM-Mission
Es gab diesen einen Moment zur Mittagsstunde, als sich auf dem Pressepodium im DFB-Campus die Augen auf Emre Can richteten. Fast blitzartig schauten Florian Wirtz und Matthias Ginter nach links zu einem Mitspieler, der am besten dafür geeignet schien, die Frage zu beantworten, ob man diesen Kader so bei der Nationalmannschaft erwartet habe. »Ein paar Namen waren schon überraschend«, gab auch der Führungsspieler von Borussia Dortmund zu und fügte mit einem verschmitzten Grinsen an, er meine besonders all jene Protagonisten, die für die Länderspiele gegen Peru in Mainz (Samstag) und Belgien in Köln (Dienstag) überraschend nicht vorgesehen seien.
Für die Länderspiele gegen Peru und Belgien hat Bundestrainer Hansi Flick ein halbes Dutzend Neulinge berufen. Ein Überblick:
Josha Vagnoman (22): VfB Stuttgart, Abwehr
Felix Nmecha (22): VfL Wolfsburg, Mittelfeld
Malick Thiaw (21): AC Mailand, Abwehr
Kevin Schade (21): FC Brentford, Sturm
Mergim Berisha (24): FC Augsburg, Sturm
Marius Wolf (27): Borussia Dortmund, Abwehr
Durch Verletzungen (Manuel Neuer), Pause (Thomas Müller, İlkay Gündoğan) oder den Verzicht des Trainers (Niklas Süle, Antonio Rüdiger) sind die zentralen Bauteile der WM-Mannschaft herausgelöst. Auch angesichts der Neuausrichtung hält Bundestrainer Hansi Flick immer noch viel von einem »stabilen Kern«. Dem 58-Jährigen ist auch bewusst, »dass wir auf gewissen Positionen Spieler brauchen, die vorangehen«. Insofern war es kein Zufall, dass am Dienstag nach einer intensiven Einheit bei regnerischem Wetter der flexible Abwehrspieler Ginter, der defensive Abräumer Can (beide 29) und der offensive Alleskönner Wirtz (19) aufs Podium kletterten. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dieses Triumvirat in der Mainzer Arena gegen den Nicht-WM-Teilnehmer Peru die neue Achse bilden soll. Jeder einzelne ist aber mit unterschiedlichen Aufgaben betraut.
Ginter ist als Lenker der arg anfälligen Abwehr vorgesehen. »Die letzten Spiele liefen nicht optimal«, gab der Verteidiger des SC Freiburg zu, der zwei Wege benannte, bei der WM verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen: »Zum einen sportliche Leistung; das ist eine gute Variante, um wieder eins zu werden.« Die »zweite Schiene« bestehe aus Autogrammen und Selfies, für die er bei der öffentlichen Regenerationseinheit auch geduldig parat gestanden hatte.
Flick weiß, dass es wohl ein Fehler war, in Katar nur in der Nachspielzeit gegen Costa Rica den intelligenten Musterprofi einzuwechseln, der nun anstelle von Süle und Rüdiger in der Kommandozentrale erprobt wird. Der 48-fache Nationalspieler könnte für sich reklamieren, mit der auf allen Ebenen vermasselten WM wenig bis nichts zu tun gehabt zu haben, aber er sagte lieber allgemein: »Niemand war wirklich zufrieden mit dem Turnier.« Auch wenn jetzt nur Freundschaftsspiele anstünden, sei es wichtig, »Ergebnisse einzufahren und eine Vorfreude zu entwickeln« – auf die Heim-EM 2024, für die auch Can wieder beim Bundestrainer auf dem Zettel steht.
Vor Katar durchs Sieb gerauscht, hat Flick in seiner Analyse wohl erkannt, dass ein stabiler Sechser nicht schadet, der sich anders als Joshua Kimmich vollständig mit der Verrichtung einfacher Tätigkeiten zufrieden gibt. »Ich liebe Zweikämpfe; ich liebe es, mich reinzuhauen«, versicherte der beim Bundesliga-Tabellenführer in Dortmund wegen dieser Eigenschaften geschätzte Allrounder. Ihm ist jeder Länderspieleinsatz bis heute eine Ehre. Der bislang 37-mal für die deutsche Auswahl zum Einsatz gekommene Can würde sich wünschen, dass sich das Land in 15 Monaten wieder so vereint wie zur WM 2006. »Es muss unser Ziel sein, mit den 80 Millionen Menschen in Deutschland eine Einheit zu sein. Dieses Feuer kann man entfachen. Und wenn wir das hinkriegen, können wir eine sehr erfolgreiche EM spielen.«
Mit dem zehn Jahre jüngeren Wirtz saß einer der größten Hoffnungsträger dafür nur zwei Plätze weiter. Ein Kreuzbandriss kostete das Ausnahmetalent aus Leverkusen bekanntlich die WM, aber mittlerweile findet nicht nur Flick, dass das Juwel sogar noch stärker zurückgekommen ist. Sein Spiel habe er indes gar nicht umgestellt, versicherte Wirtz: »Ich habe immer noch die gleiche Idee vom Fußball: gute Pässe nach vorne bringen und torgefährlich sein.«
Flick hat ihn zusammen mit dem wegen eines Muskelfaserrisses fehlenden Jamal Musiala zu jenen Protagonisten ernannt, bei denen »ein Raunen« durchs Publikum gehe. »Druck verspüre ich nicht«, versicherte Wirtz, der mit seinen Geistesblitzen jüngst sogar den FC Bayern foppte. Dass sich angeblich der FC Barcelona nach ihm erkundigt hat, hat den in der Presserunde ziemlich zurückhaltenden Rheinländer verwundert: »Wichtig ist jetzt, dass ich die Saison unverletzt zu Ende spiele und mit Leverkusen noch was erreiche.« Und er hält es auch für viel zu früh, ihn vor seinem fünften Länderspiel schon als Teil einer Achse zu bezeichnen: »Ich versuche, im Training weiter Gas zu geben. Vielleicht kann man dann in den Spielen mehr sehen.«
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