Schlüssel zum Frühling

Die Blüten der Schlüsselblume helfen bei Husten und Schnupfen

  • Anke Nussbücker
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine Hohe Schlüsselblume (Primula elatior), aufgenommen in Oberbayern
Eine Hohe Schlüsselblume (Primula elatior), aufgenommen in Oberbayern

Die Gesellschaft für Phytotherapie (GPT) ruft in jedem Jahr einen Tag der Arzneipflanze aus. Zu diesem Anlass organisiert sie öffentliche Exkursionen und Veranstaltungen in Arzneipflanzengärten. Der Gesellschaft geht es nicht nur um die Bestimmung der Pflanzen. Sie fördert auch die pharmakologische Grundlagenforschung, klinische Studien sowie deren Auswertung.

So konnte für die Echte Schlüsselblume (botanisch: Primula veris) eine Wirksamkeit bei Erkältungskrankheiten belegt werden. Für ihre Wirkung bei trockenem Husten, Schnupfen und Nasennebenhöhlenentzündungen werden hauptsächlich Saponine verantwortlich gemacht. Die schleimfördernden Bitterstoffe kommen reichlich in der Wurzel sowie geringer konzentriert in den Kelchblättern vor. Sie steigern die Absonderung aus den Bronchialdrüsen, verflüssigen Sekrete der Lunge und helfen, diese abzuhusten. Außerdem lindern die enthaltenen Triterpensaponine, so die vollständige Bezeichnung, krampfartige Hustenanfälle. Besonders die Wurzel hat eine antibiotische und antimykotische Kraft. Sie riecht ein wenig nach Anis, schmeckt jedoch bitter.

Die Schlüsselblume ist eine wertvolle Pflanze der Frühlingszeit. Der botanische Name Primula steht für die »Erste«, der lateinische Zusatz »veris« bedeutet Frühling. In nordeuropäischen Mythen galten Schlüsselblumen, Primeln oder Himmelsschlüsselchen als Schlüssel der Göttin Freya, die damit das Tor für den Lenz öffnet.

Zwei weitere Wirkstoffe in der Wurzel und geringer konzentriert in den Blüten sind Primulaverosid und Primverosid. Die Substanzen enthalten Salicylsäure, die auch in Weidenrinde vorkommt und als Verarbeitungsstufe der Acetylsalicylsäure bekannt ist. Daher helfen Wurzel und Blüten der Schlüsselblume einschließlich der Kelche bei entzündlich-rheumatischen Beschwerden, bei Kopfschmerzen, die gekoppelt an Schnupfen auftreten, sowie bei leichter Migräne, die etwa durch Föhnwinde bei Frühlingstauwetter ausgelöst wird.

Zudem enthält die Wurzel auch eine gewisse Menge Kieselsäure, die für Skelettsystem und Bindegewebe eine wichtige Rolle spielt. Das Element Silizium, das in Form der Kieselsäure auch in Pflanzen wie Ackerschachtelhalm und Hafer vorkommt, ist an der Calcifizierung der Knochen beteiligt und unterstützt so Knochenaufbau und -erhalt.

Zur Nutzung der Wirkstoffe aus der Primelwurzel wird diese zugedeckt für 15 Minuten gekocht. Wird schleimhaltige Eibisch-Wurzel hinzugefügt, kann so eine Magenreizung durch die Salicylsäure vermieden werden. Danach werden leichter verfügbare Tee-Bestandteile wie Ringelblumen, Minze oder Zitronenverbene untergerührt.

Wegen der in der Primelwurzel in größerer Konzentration vorkommenden Salicylsäure ist diese bei Neigung zu Gastritis oder Magengeschwüren gar nicht geeignet. Ein Tee für Kinder sollte besser nur die kontrollierten Blüten aus der Apotheke enthalten. Diese lassen sich auch zu einem lieblich-aromatischen Blütenessig verarbeiten.

Die hellgelbe Farbe der wild wachsenden Himmelsschlüssel spricht die Seele an und symbolisiert das länger andauernde Tageslicht. Jedoch sind die Frühlingsboten in der Natur in den letzten 40 Jahren seltener geworden, schlicht wegen starker Zersiedlung und landwirtschaftlicher Nutzflächen. Schlüsselblumen stehen daher unter strengem Naturschutz. Vor allem die kleineren Varianten, die in Gebirgslagen wie dem Erzgebirge oder den Bayerischen Alpen vorkommen, sind bereits vom Aussterben bedroht. Wer sie dort ausgräbt, riskiert ein hohes Bußgeld.

Kultivierte Schlüsselblumen lassen sich im eigenen Garten anpflanzen und vermehren. Die jungen Blättchen sind reich an den Vitaminen C und K sowie an Mineralstoffen wie Magnesium und Kalium. Als Salatbeigabe steuern sie einen leicht scharfen Geschmack bei.

Die Blätter haben eine dick-voluminöse, schaumig wirkende Struktur mit ausgeprägten Adern in der Unterseite. Aufgrund dieses Aussehens wurde dieser Pflanze in der Signaturenlehre ein Bezug zur Lunge gegeben. Das war eine Methode der Kräuterkundigen, bevor genaue chemische Analysen bestimmter Inhaltsstoffe möglich wurden. Diese Analysen sowie klinische Studien mit ihren Wirkstoffen haben inzwischen dazu geführt, dass die arzneilich wirksame Schlüsselblume in großem Maßstab gepflanzt und vermarktet wird. Getrocknete Blüten und Wurzeln sind in Apotheken oder im Internethandel erhältlich. Sie sollten nicht aus Wildsammlung, sondern aus (biologischem) Anbau stammen.

In Kombination mit heilkräftigen Pflanzen wie Huflattich, Eisenkraut, Enzian, Ampfer und Holunder sind Extrakte aus der Schlüsselblume auch in Fertigarzneimitteln, etwa als Saft oder Tropfen in der Apotheke erhältlich. Wer pharmazeutische Hilfs- oder Konservierungsstoffe vermeiden möchte, kann selbst einen Erkältungstee zubereiten. Die Kombination mit Anis, Fenchel und Huflattich ergibt einen guten Tee bei Bronchitis. Eine Mischung der Blüten mit Zitronenverbene kann für die ganze Familie aufgegossen werden.

Eine weiteres Anwendungsgebiet der Schlüsselblume ist der sogenannte Altershusten, bei dem sich aufgrund einer beginnenden Herzschwäche Wasser im Brustraum sammelt. Hier ist eine Teemischung mit gleichsinnig wirkenden Heilkräutern wie Petersilienblätter und Weißdorn möglich, die auch parallel zur sogenannten morgendlichen »Wassertablette« getrunken werden kann.

Leider findet der in diesem Juni von der GPT angebotene Tag der Arzneipflanzen nur in den alten Bundesländern statt, mit einer Ausnahme in Dresden. Aber es lohnt sich, die Augen offen zu halten, auch örtliche Kräuterkundige bieten Pflanzenführungen an.

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