Schottische Nationalisten wählen Yousaf

Humza Yousaf wird neuer Chef der SNP, welche die Unabhängigkeit Schottlands anstrebt

  • Dieter Reinisch, Belfast
  • Lesedauer: 3 Min.
Der neue SNP-Chef Humza Yousaf
Der neue SNP-Chef Humza Yousaf

Die Mitglieder der Schottischen Nationalpartei (SNP) haben abgestimmt: Humza Yousaf wird der neue Parteivorsitzende und dadurch wohl noch heute auch Regierungschef Schottlands. Die bisherige SNP-Vorsitzende Nicola Sturgeon hatte am 15. Februar überraschend ihren Rücktritt bekannt gegeben. Auf den Nachfolger warten schwierige Aufgaben. Schlussendlich bekam Yousaf 24 336 Stimmen, über 4000 mehr als seine engste Konkurrentin Kate Forbes. Der Sieg fiel viel deutlicher aus als vermutet. Viele Beobachterinnen hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet. »Ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt, dass ich hier nun, 23 Jahre nachdem ich der SNP beigetreten bin, als SNP-Parteichef stehen darf«, erklärte Yousaf, als er kurz nach 14 Uhr Ortszeit in Edinburgh das Podium vor 300 SNP-Mitgliedern betrat.

Heute wird das schottische Parlament ihn zum neuen Regierungschef wählen. Yousaf steht in der Kontinuität seiner Vorgängerin Sturgeon. Unabhängigkeit und soziale Themen standen daher auch im Zentrum seiner ersten Rede: Kinderbetreuung, sozialer Wohnbau, Stärkung der Kommunen und Klimaneutralität. »Wir sind ein reiches Land, in dem niemand aufgrund der Heizkosten arm werden darf«, betonte er. »Die Wirtschaft muss für die Menschen da sein und ein gerechteres Land aufbauen.« Er betonte aber auch, dass er »nicht davor zurückschrecken werde, schwierige Entscheidungen zu treffen«. Welche das sind, sagte er nicht. Aber auf jeden Fall möchte er »konstruktiv mit der britischen Regierung zusammenarbeiten«. Er stellte aber klar: »Wir wollen zurück in die EU, weil Schottland eine europäische Nation ist.«

Laut offiziellen Zahlen hatten 72 186 Parteimitglieder zwei Wochen lang Zeit, elektronisch den Nachfolger von Sturgeon zu bestimmen. 78 Prozent nahmen ihr Stimmrecht in Anspruch. Der Kampf um die Nachfolge wurde hart geführt und offenbarte die tiefe Krise der Partei, die zuvor von der populären Regierungschefin überdeckt wurde. Denn als die Stimmzettel ausgesendet wurden, erfuhr die Parteibasis und die Öffentlichkeit: Die SNP verlor in den letzten Jahren fast 40 Prozent ihrer Mitglieder. Mit rund 70 000 ist der Stand der zahlenden Parteimitglieder so niedrig wie seit dem fehlgeschlagenen Referendum 2014 nicht mehr.

Die Zahlen zeigen: Die Euphorie ist verflogen, die Unabhängigkeitsbewegung steckt in einer Sackgasse. Die schwierigste Aufgabe des neuen SNP-Chefs wird sich Anfang Sommer stellen. Dann wird auf einem Sonderparteitag die neue Strategie der Bewegung für die Unabhängigkeit Schottlands beschlossen. Eigentlich hätten die Weichen bereits am 19. März gestellt werden sollen, doch der Sonderparteitag wurde nach dem Rücktritt Sturgeons verschoben. Außerdem stellt sich die Frage, wie Schottland den Kampf gegen die Inflation weiterführen wird. Sturgeon hatte versucht, das Land als progressives Gegengewicht zum konservativen London darzustellen. Bereits im Spätsommer führte sie fortschrittliche Maßnahmen wie einen Mietendeckel und einen Stopp von Räumungen ein, um Obdachlosigkeit über den Winter zu verhindern.

Yousaf steht in der sozialen, linksliberalen Tradition von Sturgeon. Er war der Kandidat des linken Parteiflügels. Der schottische Gesundheitsminister konnte in den vergangenen Wochen mit einem besseren Gehaltsabschluss im Gesundheitswesen NHS als in England für sich punkten. Sein Problem: Er hat schlechte Umfragewerte, denn die SNP-Mitglieder sind tendenziell linker als die schottische Wählerschaft. Luke Buchan, ein Sprecher der Basisorganisation Aberdeen Independence Movement (AIM) und ein SNP-Jugenddelegierter, sagte »nd« am Montag: »Wenn es Schottland ernst damit ist, die demokratische Unabhängigkeit in einem dauerhaft undemokratischen Vereinigten Königreich zu erringen, brauchen wir einen Parteichef, der keine Angst davor hat, sich der Machtergreifung von Westminster durch das schottische Parlament entgegenzustellen.« Buchan hatte im Wahlkampf Humza unterstützt, da er für »eine neue, integrative und fortschrittliche Unabhängigkeitskampagne mit Menschenrechten und Gleichberechtigung« stehe.

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