Fox News und Ullstein: Alles für den Goldesel

Fox News wird gerade wegen der wissentlichen Verbreitung von Wahllügen verklagt. Warum zieht niemand gegen den Ullstein-Verlag vor Gericht, der weiterhin das plagiierte Buch von Annalena Baerbock verkauft?

  • Stefan Berkholz
  • Lesedauer: 5 Min.

In den USA ist bekanntermaßen alles groß. Das Land ohnehin, die Doppelwhopper auch, ebenso Cola-Becher und Popcorntüten. Auch die Klagen vor Gericht wirken ähnlich gewaltig und bedrohlich! Milliardenforderungen werden mal eben erhoben, da schlackern einem im beschaulichen Deutschland leicht die Ohren. Im kürzlich die Medien dominierenden Fall geht es um Verleumdungsklagen von Wahlmaschinenherstellern wie Dominion Voting Systems oder Smartmatic gegen den Konzern von Medienmogul Rupert Murdoch. Streitwert: mehrere Milliarden Dollar.

Der konservative US-Sender Fox News, ehemals der Lautsprecher für Donald Trump, habe seinerzeit wider besseres Wissen die Trompetenstöße des abgewählten Präsidenten vom Wahlbetrug wiedergegeben und weit verbreitet. So lautet die Anklage. Die Wahlmaschinenhersteller seien in Misskredit geraten. Irreparabler Schaden sei durch den Fernsehsender entstanden. Denn Fox News hatte mit verschwörungstheoretischen Schlagzeilen solche Wahlcomputer der Manipulation beschuldigt. Und dies womöglich vorsätzlich.

Dabei hatte Fox News am Wahlabend noch den Sieg von Joe Biden im Bundesstaat Arizona prognostiziert. Die Prognose stimmte, aber die Empörung unter Trump-Hörigen war enorm. Eine gestohlene Wahl war doch zu beklagen! Manipulierte Wahlmaschinen betrieben ein ganz übles Geschäft! Die Märchen hatten Hochkonjunktur. Und die Führerschaft von Fox News sah schon dunkle Wolken am Himmel: Zuschauerverlust drohte, Werbeeinnahmen könnten einbrechen. Also zurück ins Glied der Verschwörungstheoretiker – offenbar auf Ansage von ganz oben, wie aus Gerichtsunterlagen hervorgeht.

So wurden Trumps Lügen vom Wahlbetrug wieder verbreitet und unterstützt. Und dies, obwohl aus Gerichtsakten mittlerweile ebenfalls bekannt geworden ist, wie sich Mitarbeiterinnen und selbst Führungspersonal in E-Mails, Kurzmitteilungen und Plauderkanälen lustig machten über diese Form der Desinformation. Ein Moderator bezeichnete Trumps Anwältin als »Vollidiotin«. Und auch Trumps bekannter Anwalt Rudy Giuliani, ein gern gesehener Gast in den TV-Shows von Fox News, wurde als Idiot und »verrückte Person« bezeichnet.

Warum dieser Betrug am Publikum? Weil Trump der Goldesel war, der gemolken werden sollte, solange noch Gewinn zu machen war. Lizenz zum Gelddrucken, nennt man das. Und eine Show auf Fox News galt als Quotenhit, dementsprechend teuer konnte die Werbung verkauft werden.

Doch die Lügen sind geplatzt, nach und nach ist alles aufgeflogen. Viele wussten Bescheid, niemand erhob Einspruch gegen die Verbreitung der Falschmeldungen. Einschaltquoten und Werbeeinnahmen gingen vor. Das Geschäft eben, so ist das nun mal im Kapitalismus. Dass dann freilich manches Mal in den USA auf juristischem Wege ursprünglich Geschädigte von diesen gekauften und werbefinanzierten Nachrichten profitieren, indem sie Schadenersatzforderungen eintreiben, ist eigentlich nicht vorgesehen und so etwas wie ein Kollateralschaden des Systems.

Sogar der 91-jährige Murdoch hat unter Eid zugegeben, dass Moderatoren des Senders Falschmeldungen vom angeblichen Wahlbetrug verbreiteten. Eine Bankrotterklärung. Es kann tatsächlich teuer werden für den Werbe-, pardon: den sogenannten Nachrichtensender.

Bei uns dagegen ist alles eine Nummer kleiner. Das zersiedelte Land, die Essensportionen, die Klagesummen vor Gericht. Und manches Mal findet sich gar kein Kläger, obwohl es angebracht sein könnte. Zum Beispiel im Fall von Annalena Baerbocks Buch von 2021.

Das Pappstück sollte damals so etwas wie das Werbebillett für die Kanzlerinkandidatur der heutigen deutschen Außenministerin (Bündnis 90/Die Grünen) darstellen. Es hieß, wir erinnern uns: »Jetzt: Wie wir unser Land erneuern«. Obendrüber riesig ihr Name: Annalena Baerbock. Ein Text von Baerbock selbst also, sollte der Käufer glauben. Ein Irrglaube freilich, wie sich rasch herausstellte. Das Druckwerk erwies sich zudem in weiten Teilen als abgekupfert. Bis heute ist nicht erklärt worden, wer es denn nun tatsächlich zusammengeschustert hat.

Im September 2021, drei Monate nach Veröffentlichung des Buchs, waren bereits einhundert Plagiatsfragmente zusammengekommen und belegt – eine Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit, wie es hieß. Man darf das Werk also getrost, wie die von Fox News verbreiteten Wahllügen, fake news nennen. Kosten: 24 Euro für 240 Seiten.

Mitte August 2021 versprach Baerbock im ARD-Sommerinterview, ihre nächste Aufgabe solle eine Überarbeitung des kritisierten Buches sein. Nichts weiter als Floskeln, wie sich erneut rasch herausstellte. Im November hieß es dann: »Der Wahlkampf und die nachfolgenden Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen haben nicht den Raum für die notwendigen Ergänzungsarbeiten gelassen.« Und weiter: »Es ist absehbar, dass sich dies in den kommenden Monaten nicht ändern wird.«

Ein geschummeltes Buch unter vorgetäuschter Autorinnenschaft blieb also bestehen. Und der Ullstein-Verlag sah sich keineswegs genötigt, das Druckwerk etwa einzustampfen. Denn auch bei uns gilt: Das Geschäft geht vor! Umsatz muss gemacht werden! Inhalte? Nebensächlich! Aus dem Autorenregister des Ullstein-Verlags ist Frau Baerbock allerdings mittlerweile verschwunden. Gibt man ihren Namen in die Suchmaske ein, erscheint seltsamerweise »Die türkische Mätresse« von Ralf Günther, ein historischer Romanbestseller über das barocke Dresden.

Und auch von einer Neuauflage sah man ab, so dreist wollte man doch nicht sein. Aber das Buch ist auch heute noch zum alten Kaufpreis zu erwerben, anderthalb Jahre nach dem Aufdecken der Betrugsmasche. Bei Amazon für 23,50 Euro, mit fünfzig Cent Rabatt also, bei Thalia zum alten Preis von 24 Euro. Bis jetzt hat noch niemand dagegen geklagt.

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