Bitcoin in El Salvador: Nicht mehr als eine Seifenblase

In El Salvador ist der Versuch, die Kryptowährung Bitcoin einzuführen, gescheitert

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Pläne für die Bitcoin-City am Hang des Conchagua-Vulkans liegen noch in den Schubladen der Ministerien. Die Energie des Vulkans sollte angezapft werden, um Bitcoins en Gros zu schürfen und dank der Kryptowährung sollte Bitcoin-City entstehen. Doch der Traum einer futuristischen Stadt in El Salvadors Süden nahe dem Golf von Fonseca ist seit der Talfahrt der Kryptowährungen ab September 2022 immer unrealistischer geworden. 

Für die Kryto-Fans in El Salvador, allen voran Präsident Nayib Bukele ist das ein herber Rückschlag. Zumal das 40-jährige Staatsoberhaupt nicht sein eigenes Geld in die instabile Währung investierte, sondern rund 108 Millionen US-Dollar aus dem Staatssäckle. Hinzu kommen jedoch noch etwa 200 Millionen US-Dollar an Ausgaben, um die Chivo-App zu programmieren, die rund 200 Bitcoin-Automaten in dem kleinen mittelamerikanischen Land aufzustellen und obendrein erhielt jede*r El Salvadorianer*in, die oder der die App herunterlud, 30 US-Dollar Startbonus.

Alles in allem stecken rund 300 Millionen US-Dollar in dem Bitcoin-Abenteuer des selbstherrlichen und zunehmend autoritär regierenden Präsidenten, der sich in den sozialen Medien gern selbst inszeniert. Als Anlass für diese Selbstinszenierung dient derzeit vornehmlich der Kampf gegen die Straßenbanden, die sich gegenseitig bekriegen und nicht nur die Straßen in den großen Städten zum Risikogebiet werden lassen. Das soll sich ändern und dafür hat der Präsident Armee und Polizei in Marsch gesetzt, den Ausnahmezustand verhängt und eine Mega-Haftanstalt für 40 000 Häftlinge aus dem Boden gestampft. 

Vor allem auch für seine Wirtschafts- und Finanzpolitik steht Bukele mehr und mehr in der Kritik. Zahlreiche Experten wie der Ökonom César Villalona und seine Kollegin Tatiana Marroquin halten sein Bitcoin-Experiment für ökonomischen Selbstmord. Der Internationale Währungsfonds (IWF) lässt die Kredite nicht mehr fließen und das hochverschuldete Land hat Schwierigkeiten, Schulden zu bedienen sowie den Haushalt für das laufende Jahr aufzustellen. Mehr als 600 Millionen US-Dollar werden am Jahresende fehlen, prognostizieren Kritiker des nach wie vor überaus populären Präsidenten den Staatsbankrott. 

Davon will Bukele nichts wissen. Er hält daran fest, dass das Land große Gewinne machen werde, sobald der Bitcoin-Kurs wieder steigt und wirbt für die Kryptowährung als langfristige Lösung für die wirtschaftlichen Probleme des Landes. Fakt ist allerdings, dass 76 Prozent der Menschen in El Salvador den Bitcoin ablehnen und laut einer Umfrage der Universität Zentralamerika (UCA) ihn im Jahr 2022 erst gar nicht genutzt haben. 77 Prozent halten die Einführung für einen Fehlschlag, so die Studie. Ökonom Villalona verweist zudem auf die Tatsache, dass die Zweitwährung im Alltag des Landes schlicht keine Rolle spielt. Niemand kauft Lebensmittel in Bitcoin, zahlt Löhne und Steuern in der Kryptowährung.

Die landesweite Bitcoin-Ablehnung hat sich trotzdem nicht gegen den Präsidenten gedreht. Obwohl dieser prophezeit hatte, dass neue Investitionen und Firmen in das Land kommen würden. In der Realität sieht das anders aus. Zwischenzeitlich war ein Bitcoin 69 000 Euro wert. Seit September 2022, als eine der am schnellsten gewachsenen Kryptowährungsbörsen kollabierte, befindet sich der Bitcoin auf Talfahrt. Derzeit pendelt der Preis der Kryptowährung bei 26 300 Euro – Tendenz leicht steigend. Doch das ist zu wenig für Nayib Bukele in El Salvador. Die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr pendeln laut der Weltbank, der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) und anderer internationaler Finanzorganisation zwischen 1,3 und 1,9 Prozent in diesem Jahr. Das ist der niedrigste Wert in Mittelamerika. Diese negativen Perspektiven führen dazu, dass jede*r fünfte El Salvadorianer*in darüber nachdenken, das Land zu verlassen. Dazu könnte auch das Bitcoin-Desaster beitragen.

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