Feueralarm im Viehstall

Spezielle Übung bei der Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht in Groß Kreutz

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.

Auf dem Gelände der Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung in Groß Kreutz (Potsdam-Mittelmark) stehen und fressen am Mittwochmorgen unbeteiligt einige Rinder. Im Stall nebenan gibt derweil Geschäftsführer Detlef May alles, um den Schaden zu begrenzen. Er versucht, die dort ausgebrochenen Flammen mit einem Feuerlöscher zu ersticken. Weil ihm das nicht gelingt, alarmiert May telefonisch die Feuerwehr. Um 8.51 Uhr heulen im Ort die Sirenen. Bereits vier Minuten später rollen der Einsatzleitwagen und ein Löschfahrzeug der Ortsfeuerwehr Groß Kreutz auf das Areal an der Neuen Chaussee 6.

Um 9.01 Uhr sind dann auch schon die Kameraden der Feuerwehr aus Krielow zur Stelle. Später stoßen noch Feuerwehrleute aus Götz und Bochow mit ihren Löschfahrzeugen dazu. All das klappt ungewöhnlich schnell für die Freiwillige Feuerwehr, bei der gewöhnlich niemand auf der Feuerwache sitzt. Die Hilfskräfte sind neben ihrer Funktion als Retter in Not berufstätig und müssen bei Alarm erst herbeieilen. Allerdings heulten die Sirenen heute nicht unvorbereitet: Im Stall von Detlef May brennt es nicht wirklich. Es handelt sich um eine Übung, mit der die Brandbekämpfung in einem Viehstall trainiert wird.

Diese Übung bildet den Abschluss einer dreitägigen, bundesweit einmaligen Konferenz mit dem Titel »Effektiver Brandschutz in der Nutztierhaltung«. Unter den 67 Zuschauern finden sich Landesbranddirektor Michael Hoch, Brandenburgs Feuerwehrverbandspräsident Rolf Fünning und weitere Feuerwehrleute, aber auch Landwirte und Wissenschaftler. Feuerwehrleute aus elf Bundesländern sind per Internet zugeschaltet. Eine Drohne versorgt sie mit Luftbildern von der Übung. Steffen Bleich, Stellvertreter des Groß Kreutzer Gemeindewehrführers Kristian Titsch, erläutert das Geschehen zusammen mit Claudia Possardt, die den Tierschutzberatungsdienst leitet.

Der Einsatzleiter, wie üblich zu erkennen an seiner gelben Weste, lässt sich von Detlef May einweisen. Er fragt den Chef der Lehr- und Versuchsanstalt: »Befinden sich noch Personen im Stall?« Zuerst werden die Menschen gerettet. Erst wenn sie in Sicherheit sind, kann eventuell auch das Vieh evakuiert werden. Das hängt aber von vielen Faktoren ab. Haben sich die Flammen schon so weit ausgebreitet, dass das Dach einstürzen könnte, darf niemand mehr in den Stall, um die Tiere herauszutreiben. Im Ernstfall trifft die Feuerwehr leider oft erst ein, wenn die Tiere bereits am Qualm erstickt sind.

Wenn es möglich sei, das Vieh zu retten, werde das gemacht, versichert Possardt. »Im besten Fall werden die Tiere in ein Gehege getrieben, im schlimmsten Fall einfach ins Freie.« Dann müssen sie später wieder eingefangen werden. Am leichtesten sei dies bei Rindern, die allein zur Futterstelle kämen, erklärt Possardt. Schweine müssten mit Futter angelockt werden. Pferde rennten einfach weg. Sie zurückzuholen, sei die schwierigste Aufgabe. Erlitten die Tiere Brandverletzungen, sei ein Tierarzt zur Stelle. Er könne Schmerzmittel verabreichen. Eventuell müsse er die Tiere aber auch einschläfern, um sie von ihrem Leid zu erlösen.

Die Landestierschutzbeauftragte Anne Zinke hat nach eigener Aussage bei der Konferenz gelernt, dass die Rettung des Viehs sehr selten gelingt. Als Konsequenz daraus hält sie Prävention für dringend geboten. Es dürfe möglichst gar nicht erst im Stall brennen. Die Ausstattung müsse entsprechend sein, sagt Zinke. Dazu gehöre eine einwandfreie Elektrik, damit es keinen Kabelbrand gebe. Außerdem sollten, so ergänzt Claudia Possardt, Leimbinder beim Stallbau verboten werden, die schneller brennen als klassische Holzkonstruktionen.

Im Sommer 2022 wurde bei einem Waldbrand in Falkenberg/Elster ein Schweinestall zerstört. Hunderte Schweine verendeten. Im Landkreis Potsdam-Mittelmark ist etwas Vergleichbares nach Erinnerung von Gemeindewehrführer Titscher noch nicht passiert. Für die Übung in Groß Kreutz wurde vorab überlegt, das Evakuieren von Rindern zu testen. Davon wird dann aber abgesehen. »Die Verletzungsgefahr für die Kameraden wäre zu groß«, entschuldigt Titsch, dass so ein Schauspiel nun doch nicht zu erleben ist. Immerhin wiegt eine ausgewachsene Kuh 500 bis 800 Kilogramm, ein Bulle 1000 bis 1200 Kilogramm. Geraten die Tiere in Panik und Menschen unter ihre Hufe, kann es Leben kosten.

Deswegen beschränkt sich die Übung darauf, die Abläufe eines Löscheinsatzes in der Viehzucht zu proben. Um 9.07 Uhr erschallt das Kommando: »Wasser marsch!« Eine Minute später sind die Schläuche prall gefüllt. Zwei Mann verspritzen aber nur ein paar Tropfen vor der Tür und dringen dann mit abgedrehtem Ventil in den Stall ein. »Wir werden im Gebäude kein Wasser einsetzen. Wir werden keinen Wasserschaden verursachen«, kommentiert Feuerwehrmann Bleich für die Zuschauer. Ebenfalls aus Kostengründen werden zwar die Sauerstoffflaschen auf die Rücken einiger Kameraden gehievt. Aber ihre Masken gegen eine Rauchvergiftung setzen sie aus Sparsamkeit nicht ein. Es brennt ja gar nicht. Der Sauerstoff wäre überflüssig.

Aus einem 2000 Liter und einem 4000 Liter fassenden Wassertank der Löschfahrzeuge kann die Brandbekämpfung sehr schnell beginnen. Allerdings werden zwischen 100 und 400 Liter pro Minute verspritzt. Um ein Feuer unter Kontrolle zu bringen, ist gegebenenfalls mehr Zeit und Wasser erforderlich. Darum zapft die Freiwillige Feuerwehr mit zwei Schlauchleitungen zügig einen Hydranten auf der Neuen Chaussee und eine Zisterne an. Schließlich wird von vier Seiten auf das Dach, an die Fassade und knapp daneben gespritzt. Ein geländegängiges Löschfahrzeug ist über den Acker von außen an den Zaun herangefahren, hinter dem der Stall steht. Die Gemeindewehr verfügt über modernste Technik, aber auch über einen Anhänger aus DDR-Produktion, der sich bewährt hat und insbesondere bei Waldbränden gute Dienste leistet. Im Westen wurden solche Gerätschaften, die älter als 25 Jahre waren, bereits vielerorts verschrottet. In Ostdeutschland musste gespart werden. So blieb dieser Anhänger glücklicherweise in Reserve.

Um 9.35 Uhr geht die Feuerwehr noch einmal mit einer Wärmebildkamera in den Stall, um mögliche Glutnester abzulöschen. Bald danach ist die Übung beendet. »Leider sind Stallbrände keine Einzelfälle«, bedauert Staatssekretärin Antje Töpfer. »In Brandenburg starben bei einem Feuer im letzten Jahr tausende Hähne. Nur wenig später griff der in der Elbe-Elster-Region wütende Waldbrand auf eine Schweinemastanlage über. Auch in diesem Jahr gab es bereits einen Stallbrand in einem Milchviehbetrieb«, bedauert Töpfer. Sie sei deshalb froh über den Kongress, der einen längst überfälligen Austausch ermögliche. Die Rechtsvorschriften zum Brandschutz müssten verbessert werden. Bisher seien sie sehr unkonkret. Die Bundesregierung plant, dies zu ändern.

An der Übung waren vier von acht Ortsfeuerwehren der Gemeinde Groß Kreutz beteiligt. Die übrigen vier hätten unterdessen bei einem echten Alarm eingegriffen.

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