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Der Flickenteppich im ÖPNV bleibt auch mit dem Deutschlandticket
Robert D. Meyer zum Verkaufsstart des 49-Euro-Tickets
Man kann festhalten: Wenn am Montag bundesweit der Verkauf des ab 1. Mai gültigen 49-Euro-Tickets beginnt, dann bedeutet dies zweifellos einen Fortschritt für den ÖPNV in Deutschland. Millionen Pendler*innen mit Bus und Bahn zahlen bald weniger für ihr Nahverkehrsabo, die Ampel-Koalition kann einen verkehrspolitischen Erfolg verbuchen.
Euphorie ist jedoch unangebracht; einen »Quantensprung für die Verkehrswende«, wie es die Grünen nennen, bedeutet das neue Ticket nicht. Ironischerweise bezeichnet der Begriff einen in der Physik alltäglichen, milliardenfachen Vorgang, eine kleine Veränderung und eben keine Revolution, wie es der umgangssprachliche Gebrauch suggeriert.
Zu viele Konstruktionsfehler verstecken sich im Detail. Dass das Ticket keine paradiesischen neun Euro kosten würde, wie es für drei Monate im Sommer 2022 der Fall war, überrascht angesichts einer Bundesregierung mit FDP-Beteiligung nicht. Noch schlimmer aber ist, dass das Deutschlandticket, wie es offiziell heißt, keine Preisgarantie hat – bereits ab 2024 könnte das Abo teurer werden. Bund und Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung in der Finanzierungsfrage zu.
Das ist umso ärgerlicher, weil gerade in der sozialen Ausgestaltung des Deutschlandtickets ein Flickenteppich droht. 16 Bundesländer entscheiden individuell, ob es Rabatte für Bezieher*innen von Sozialleistungen, Auszubildende und Student*innen gibt. Warum für Kinder ab sechs Jahren regulär der volle Preis fällig wird, sofern das Land keinen Zuschuss zahlt, lässt sich zynisch nur damit erklären, dass der Run auf das Ticket bloß nicht zu groß werden soll. Frage: Glaubt tatsächlich jemand, dass eine vierköpfige Familie in der Kleinstadt monatlich fix 196 Euro für das Deutschlandticket ausgibt, nur um dann festzustellen, dass nach dem abendlichen Kinobesuch kein Bus mehr fährt? Die Verkehrswende steht noch ganz am Anfang.
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