Galeria Karstadt Kaufhof: Zusammen statt einzeln handeln

Kaufhausbeschäftigte streiken zusammen mit Kollegen vom Buchhändler Thalia und Möbelgeschäft Ikea

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit 39 Jahren arbeite er im Warenhaus in der Wilmersdorfer Straße. Erst habe er hier seine Ausbildung gemacht, dann habe er in verschiedenen Abteilungen gearbeitet und jetzt sitze er an der Kasse. Ein ganzes Berufsleben könne man es auch nennen, sagt Norbert, der eigentlich anders heißt, aber seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. In einem Jahr könnte damit Schluss sein. Der Standort der Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof in der Wilmersdorfer Straße ist neben dem in Wedding eine der beiden Filialen in Berlin, die im Zuge des Insolvenzverfahrens schließen sollen.

Die Beschäftigten können das nicht verstehen. Am Mittwoch haben sie zusammen mit Kollegen anderer Kaufhausfilialen und Kollegen vom Buchhändler Thalia und vom Möbelgeschäft Ikea gestreikt. »Es ist ein Skandal, wenn eine Filiale geschlossen wird, die wie hier in einer Fußgängerzone liegt«, sagt Conny Weissbach, die bei der Gewerkschaft Verdi für den Handel zuständig ist, auf der Streikkundgebung in der Wilmersdorfer Straße. Gerade hier also, wo es eine Flaniermeile gibt, wie sie sich Politiker auch andernorts wünschen, soll der »Ankermieter« schließen? Das Warenhaus hätte eine Zukunft, wenn Schluss wäre mit dem Missmanagement im Konzern, ist sich Weissbach sicher.

Norbert ist da skeptischer. »Es ist halt ein Immobilienunternehmen«, sagt er über den Mutterkonzern von Galeria Karstadt Kaufhof, die österreichische Signa-Gruppe des umstrittenen Unternehmers René Benko. Er könne es zum Teil auch verstehen, dass Benko Geld verdienen wolle. »Wenn Kaufhäuser nur geschrumpft wie am Hermannplatz oder in der Müllerstraße, also zusammen mit Büros und Wohnungen in einem Gebäude überleben können, dann wünsche ich mir das auch für die Wilmersdorfer Straße«, sagt er und betont zugleich, dass das allein seine persönliche Meinung sei.

Denn genau diese Immobilienentwicklung der Standorte sehen viele kritisch. Stadtpolitische Initiativen und Politiker von Grünen und Linken sprechen sich immer wieder dafür aus, dem Unternehmen bei der Aufwertung Steine in den Weg zu legen. Egal ob in der Müllerstraße in Wedding oder am Neuköllner Hermannplatz: Die vielen Büros und teuren Wohnungen, die das Unternehmen hier für den Umbau seiner Standorte vorsieht, würden nicht dorthin passen und die Quartiere aufwerten, so die Kritik.

In der Wilmersdorfer Straße hat Signa selbst solche Pläne nicht. Denn das Kaufhausgebäude ist nicht im Besitz von Signa, sondern eines Unternehmens, zu dem auch der C&A-Konzern gehört. Die Cofra Holding will das Gebäude in der Wilmersdorfer Straße abreißen lassen und einen Neubau finanzieren, der ebenso wie Signas Immobilienprojekte einen Mix aus Gewerbe, Büros und Wohnen vorsieht. Ein Bauvorbescheid ist gestellt. Der Bezirk hatte bereits Bedarfe für eine Kita und bezahlbare Wohnungen im Falle eines Neubaus angemeldet.

Obwohl die Immobilie einem Unternehmen gehört, das auch schon Baupläne hat, müsse um jeden Arbeitsplatz im Warenhaus gekämpft werden, sagt Damiano Valgolio, arbeitspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Signa hat verschiedene Interessen in Berlin und ist dabei auf die Kooperation der Politik angewiesen. Das ist der Hebel, sie zum Erhalt der Arbeitsplätze zu zwingen«, so der Arbeitsrechtsanwalt.

Beim Einzelhandel zeige sich inzwischen dieselbe Entwicklung wie auf dem Immobilienmarkt. »Egal ob am Hackeschen Markt oder auf dem Ku’damm, dort ist das Angebot längst hin zu besserverdienenden Kunden gekippt. Im Kontrast dazu ist Galeria in der Wilmersdorfer Straße noch Teil der Nahversorgung für die Anwohner und muss deshalb erhalten bleiben.«

Falls das nicht klappt, fordert Verdi eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter an einem anderen Standort der Warenhauskette. Der Kampf gegen Kündigungen von Angestellten der für die Schließung vorgesehenen Kaufhäuser ist aber nur die eine Seite.

Neben der Schließung will die Warenhauskette am liebsten auch aus dem Flächentarifvertrag für den Einzelhandel aussteigen. Das Weihnachts- und Urlaubsgeld soll wegfallen, Gewerkschaft und Beschäftigte sollen Zugeständnisse für den Erhalt von Arbeitsplätzen machen. Mit den Beschäftigten wird das nicht zu machen sein. Sie verzichten seit Jahren auf Geld, um die Sanierung der Warenhauskette zu ermöglichen, die vor 2022 bereits 2019 Insolvenz anmeldete. »Wir haben keinen Cent mehr, den wir ihnen geben können«, sagte eine Angestellte aus dem Warenhaus an der Müllerstraße auf der Streikkundgebung.

Und Norbert, der gern die letzten Jahre seines Berufslebens noch im Kaufhaus arbeiten würde? Viel Hoffnung macht er sich nicht. Oft habe sich die Wilmersdorfer Straße verändert und viele Veränderung im Warenhaus habe er selbst mitgemacht. »Erstmal muss aber 2024 werden«, sagt er. Es wäre sein 40. Jahr im Warenhaus.

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