Letzte Generation: Berlin soll stillstehen

Die Letzte Generation kündigt größere Proteste als je zuvor an und fordert einen Gesellschaftsrat

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 4 Min.

Ab dem 24. April soll Berlin zum Stillstand gebracht werden, »damit die Regierung sich bewegt«, sagt Irene von Drigalski zu den versammelten Journalist*innen. Ihre Worte hallen bedeutungsschwer durch das Schiff der St.-Thomas-Kirche in Kreuzberg, in die die Klimagerechtigkeitsgruppe Letzte Generation am Dienstag zur Pressekonferenz eingeladen hat. Schon ab Mittwoch soll es Proteste im Regierungsviertel geben, am Sonntag eine Kundgebung am Brandenburger Tor und ab der nächsten Woche dann Störungen in der ganzen Stadt, so lange, bis die Forderung der Klimaaktivist*innen erfüllt ist.

Die Bundesregierung solle einen Gesellschaftsrat einberufen, der aus zufällig ausgelosten, die Gesellschaft nach Kriterien wie Alter, Geschlecht oder Migrationserfahrung repräsentierenden Bürger*innen besteht und der sozial gerechte Lösungen für die Klimakrise erarbeitet – ähnlich wie das Konzept des Bürger*innenrates, den es im vergangenen Jahr auch in Berlin gegeben hat.

»Das passt sehr gut mit unserer parlamentarischen Demokratie zusammen. Nur würden Gesetze nicht mehr von Ministerien mit Lobbyarbeit entworfen, sondern von gelosten Bürger*innen«, erklärt Aimée von Baalen, Sprecherin der Letzten Generation. Über die Gesetze abschließend entscheiden sollten nach wie vor die Parlamente, aber anders als bei früheren Bürger*innenräten dürften die Beschlüsse nicht einfach in einer Schublade verschwinden, sondern sollten in der ganzen Gesellschaft diskutiert werden.

Die Letzte Generation glaubt, dass ein solcher Gesellschaftsrat progressivere und sozialere Maßnahmen beschließen würde als gewählte Politiker*innen. Schließlich seien es die Reichen, die mit Pools und Privatjets die meiste Energie verbrauchen, und die Regierung habe nicht den Mut, »den Reichen Grenzen zu setzen«, kritisiert von Baalen. Außerdem ist mit dem Rat die Hoffnung verbunden, dass er die auseinanderdriftende Gesellschaft wieder zusammenführen könne.

Die Bundesregierung breche derzeit die Verfassung, da sie das Pariser Klimaschutzabkommen nicht einhält. Solange es keinen Plan gegen den Klimakollaps gibt, »sind wir verpflichtet, mit allen friedlichen Mitteln diesen Plan einzufordern«, so begründet Hinrichs die Verschärfung der Proteste, zu denen sich rund 800 Menschen angekündigt hätten.

Wenig begeistert ist davon die Gewerkschaft der Polizei, die den Klimaschützer*innen »extremistisches Gedankengut« und das Lahmlegen demokratischer Institutionen vorwirft. Berlin gelte aufgrund nachsichtiger Gesetze und Solidaritätsbekundungen von Politiker*innen als »Wohlfühl-Biotop für Klebeblockaden«, behauptet der GdP-Landesvorsitzende Stephan Weh am Dienstag. Die Blockade-Aktionen würden viele Kapazitäten binden, inzwischen gebe es knapp 3000 Ermittlungsverfahren gegen Aktivist*innen.

Raphael Thelen, der bis vergangenes Jahr als Journalist arbeitete und nun Teil der Letzten Generation ist, appelliert an die Verantwortung der Presse, Schuldige der Klimakrise klar zu benennen und die eigene Objektivität zu reflektieren. An vielen Orten, die am stärksten von Klimafolgen betroffen sind, gebe es weder Demokratie noch Menschenrechte mehr. »Dass das unsere Zukunft wird, müssen wir verhindern«, sagt er.

Angesprochen auf die Spaltungs-Vorwürfe von Fridays for Future erklärt Carla Hinrichs, dass sich alle Teile der Klimagerechtigkeitsbewegung nach wie vor gegenseitig unterstützten. »Verschiedene Strategien können sich ergänzen. Inhaltlich wollen wir alle dasselbe«, so Hinrichs. Während der nun anstehenden Aktionen gibt es jeden Mittwoch um 9 Uhr einen Brunch in der St.-Thomas-Kirche, bei dem Interessierte sich den Protesten anschließen können.

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