- Berlin
- Holocaust-Gedenken
Vor 80 Jahren deportiert: Hertha BSC gedenkt Arzt Hermann Horwitz
Der Berliner Fußballverein Hertha BSC erinnert an den jüdischen Mannschaftsarzt Hermann Horwitz und seine Deportation vor achtzig Jahren
Unter den Regenschirmen klingt ein hebräisches Trauerlied hervor und übertönt den Lärm der Ellen-Epstein-Straße. Trotz Regen haben sich am Mittwochnachmittag rund dreißig Menschen am Gedenkort Güterbahnhof Moabit zusammengefunden, um an die Deportation von Hermann Horwitz vor genau achtzig Jahren zu erinnern. Manche der Anwesenden tragen blau-weiße Schals von Hertha BSC, auf einem Schirm prangt das Logo des Fußballvereins. Denn der jüdische Horwitz war in den 1920er und 30er Jahren Mannschaftsarzt von Hertha BSC.
Geboren wurde Horwitz 1885 im heutigen Prenzlauer Berg. Er studierte Medizin und diente 1917 als Kriegsarzt im Ersten Weltkrieg. Mit Kriegsende führte er seine medizinische Karriere fort und konzentrierte sich auf das damals noch junge Forschungsfeld der Sportmedizin. In der Saison 1923/24 begann er seine ehrenamtliche Tätigkeit als Mannschaftsarzt bei Hertha BSC. 1933 änderte der Verein seine Satzung. Verwahrte er sich vorher »jeglicher politischen und religiösen Bestrebung«, sollte die »leibliche und seelische Erziehung« nun »im Geiste des nationalsozialistischen Volksstaates« geschehen. Im September 1938 schloss Hertha BSC Hermann Horwitz als Vereinsmitglied aus, im Mitgliederverzeichnis steht die Bemerkung »Nichtarier«. Kurz darauf folgte ein endgültiges Berufsverbot.
Im April 1943 wurde Horwitz zusammen mit anderen Gefangenen von dem Sammellager Große Hamburger Straße zum Güterbahnhof Moabit verschleppt. Der Bahnhof diente von 1942 bis 1944 der Deportation von rund 30 000 Jüd*innen. Am 19. April 1943 fuhr ein »Osttransport« von Berlin nach Auschwitz, Horwitz saß in diesem Zug.
Die Informationen über Horwitz’ Leben vor seiner Ermordung sind einer Recherchegruppe aus dem Verein Hertha BSC zu verdanken. Zusammen mit der Fanbetreuung und dem Fanprojekt der Sportjugend Berlin veröffentlichten sie 2017 das Buch »Dr. Hermann Horwitz – Eine Spurensuche«. Seitdem gehört Horwitz zum Vereinsgedächtnis.
Der Geschäftsführer von Hertha BSC, Thomas Herrich, betont in einer Rede, wie wichtig es sei, nicht nur über den Tod, sondern auch über das Leben von Horwitz zu reden. »Seine modernen sportmedizinischen Ansätze trugen maßgeblich zum Gewinn der deutschen Meisterschaft 1931 bei«, so Herrich. Das Gedenken an alle Opfer des Holocausts hält er für eine ethische Verpflichtung des Vereins. »Wir müssen uns weiterhin gegen jede Diskriminierung und jeden Hass einsetzen.«
Die Spurensuche geht derweil weiter. Die Recherche über Hermann Horwitz ist zwar abgeschlossen, doch der Fanbetreuer Stefano Bazzano erzählt »nd«, dass sich ein neues Projekt mit verfolgten und ermordeten Vereinsmitgliedern beschäftigt. »Die Idee ist, nachzuschauen, wer noch ausgeschlossen wurde. Wir haben einen Herrn Haschke ausgesucht. Er war ein normales Vereinsmitglied ohne besondere Stellung und hat auch sonst ein normales, gutbürgerliches Leben geführt«, so Bazzano.
Ein Teilnehmer der Recherchegruppe, der am Mittwoch dem Gedenken beiwohnt, sieht in der Arbeit einen pädagogischen Wert. »Natürlich gibt es auch rechte Menschen, wie in allen Fanclubs. Ich denke, dass unsere Aufklärung einen positiven Effekt auf sie hat«, so der Hertha-Fan.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.