• Berlin
  • Kriminalitätsstatistik

Blockaden zählen als Straftat gegen Berliner Polizei

Laut Berliner Kriminalstatistik nimmt Gewalt gegen die Polizei zu, doch die Kriterien sind umstritten

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Verbrechens-Quote in der Hauptstadt hat sich von der Corona-Flaute erholt. So lässt sich Berlins Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das vergangene Jahr zusammenfassen. Die Anzahl an Straftaten lag 2022 mit 519 827 Delikten 7,8 Prozent über dem Vorjahr und sogar knapp über 2019. Am Freitag stellten die SPD-Innensenatorin Iris Spranger und die Polizeipräsidentin Barbara Slowik den Bericht vor. Spranger ging auf den Anstieg von Jugendgewalt ein und kündigte an, neben repressiver Polizeiarbeit auch soziale Präventiv-Maßnahmen stärken zu wollen. Außerdem beklagte sie die wachsende Zahl an Straftaten gegen Polizei- und Einsatzkräfte.

Doch die Stadt redet aktuell weniger über Jugend- als über Polizeigewalt. Seit der Veröffentlichung des Videoclips am Donnerstag, das einen Berliner Polizeibeamten zeigt, wie er einem Aktivisten der Letzten Generation Schmerzen androht und anschließend vermutlich Schmerzgriffe anwendet, hagelt es Kritik an der Polizei. In Verbindung mit der neuen PKS wirft das Video außerdem folgende Frage auf: Was steckt hinter den Zahlen zu Straftaten gegen Polizeibeamte? Denn passive Blockierer*innen müssen nicht nur mit Schmerzgriffen rechnen. Sie erwartet im Nachgang oftmals eine Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, die dann in die Kriminalitätsstatistik einfließt.

Auf diesen Punkt weist Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, in einer Stellungnahme hin. Die Zahl der Gewalttaten ist im Vergleich zu 2021 um 1,8 Prozent gestiegen, laut Franco ein Höchstwert. »Allerdings ist es absurd, von einer Zunahme an Gewalt gegen Polizist*innen zu reden, wenn der Anstieg maßgeblich auf einen Anstieg der Widerstandshandlungen zurückzuführen ist.«

Trotz dieses weiten Gewaltbegriffes setzt die SPD-Innensenatorin Iris Spranger einen Fokus auf Straftaten gegen die Polizei. Am Freitag kündigte sie an, sich in der Innenministerkonferenz für verschärfte Gesetze stark zu machen. Widerstandshandlungen und tätliche Angriffe sollten dann grundsätzlich als »Angriff auf die Rechtsordnung« gelten und härtere Strafen ermöglichen.

Die Letzte Generation spielt auch im Bereich der politisch motivierten Kriminalität eine Rolle. 404 Fälle, 98 mehr als im Vorjahr, bringt die PKS mit Klimaschutz in Zusammenhang, 373 Fälle davon ordnet sie dem Bereich »links« zu, wiederum 317 Fälle betreffen Aktionen der Letzten Generation. Linksmotivierte Straftaten verzeichnen dennoch mit insgesamt 985 Fällen einen erheblichen Rücklauf.

Die rechtsextremistischen Straftaten nahmen hingegen um 4,8 Prozent zu: 2189 Fälle zählt die Polizei für 2022, darunter zwei Terrorismusdelikte. Franco hält das für beunruhigend. Er kritisiert, dass Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag trotzdem einen Fokus auf politisch motivierte Kriminalität von links legt. »Da kann man nur hoffen, dass nicht im falschen Moment ein Reichsbürger übersehen wird.«

Abgesehen von dem Bereich politisch motivierter Kriminalität gab es einen beachtlichen Anstieg bei der Jugendkriminalität. Die Anzahl der tatverdächtigen Kinder bis einschließlich 13 Jahre stieg von 3736 auf 5007, die der 14- bis 17-Jährigen von 8367 auf 10 678. Von 136 570 Tatverdächtigen insgesamt waren 24 799 unter 21 Jahre alt. »Wir sehen mit Sicherheit einen Nachhol-Effekt aus der Corona-Zeit«, sagte Slowik dazu der RBB-Abendschau. Jugendliche würden sich wieder häufiger in Gruppen treffen, wenn dann zwei Gruppen aufeinanderstießen und sich provozierten, käme es zu Streit. Migrationshintergrund spiele dabei keine Rolle, betonte Slowik.

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