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Rechtsterroristische »Atomwaffen Division«: Glorifizierte Gewalt
Bundesanwaltschaft fordert Haft für rechten Bombenbastler
Rund zwei Kilogramm Sprengstoff hortete Marvin E. in seinem Kinderzimmer. Mehr als ein Dutzend Sprengsätze hatte der junge Neonazi damit bereits zusammengebaut, fünf davon mit Stahlkugeln ummantelt, die sich bei einer Explosion in tödliche Geschosse hätten verwandeln können. Und das, glaubt die Bundesanwaltschaft, sollten sie auch, schon bald. »Der Angeklagte war fest entschlossen, diese Sprengvorrichtungen bei einem Anschlag für die ›Atomwaffen Division‹ einzusetzen«, sagt Staatsanwalt Felix Ziemer, als er am Montag im Terrorprozess vor dem Frankfurter Oberlandesgericht den Schlussvortrag der Anklagebehörde hält. »Es hing nur noch vom Zufall ab, wann und wo er zuschlagen würde.«
Die rechtsterroristische »Atomwaffen Division« (AWD) wurde 2015 in den USA gegründet und bestand als feste Organisation nur wenige Jahre. Doch mit ihrer offen nationalsozialistischen Ideologie, ihrem Aufruf zum »führerlosen Widerstand« durch kleine Terrorzellen, ihrem Traum von der Entfesselung eines »Rassen- und Bürgerkriegs«, der in den rechten Umsturz münden soll – damit fasziniert sie Rechtsextreme in aller Welt noch immer. Der Schreiner-Azubi Marvin E. im nordhessischen Spangenberg war einer von ihnen. Daraus hat der heute 21-Jährige in seinem seit nun mehr fast neun Monate dauernden Prozess vor dem Staatsschutzsenat in Frankfurt keinen Hehl gemacht.
Auch weil der Angeklagte sein Weltbild vor Gericht so freimütig offenbart hat, hält die Bundesanwaltschaft den Anklagevorwurf für erwiesen: Marvin E. habe einen hessischen Ableger der »Atomwaffen Division« gründen und bewaffnete Aktionen starten wollen. »Der Angeklagte konnte sich voll und ganz mit der AWD und der von ihr glorifizierten Gewalt identifizieren«, sagt Staatsanwalt Ziemer und fordert fünf Jahre Jugendstrafe – wegen versuchter rädelsführerschaftlicher Gründung einer terroristischen Vereinigung, der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie Verstößen gegen das Sprengstoff- und Waffengesetz.
Das Geständnis des Angeklagten, der aus einer sehr konservativen Familie stammt und ein halbes Jahr vor seiner Festnahme noch als Kommunalwahlkandidat der örtlichen CDU angetreten war, war allerdings nicht uneingeschränkt. Etliche seiner Sprengsätze wollte er lediglich als Feuerwerkskörper gebaut haben. Und ein Pamphlet mit dem bizarren Titel »RanzKacke«, in dem sich Marvin E. unter anderem über den »totalen Rassenkrieg« ausließ, sei bloße »Verarschung« gewesen, beteuerte er. Die Bundesanwaltschaft mochte ihm das aber nicht abnehmen.
Die Versuche von Marvin E., in seinem Umfeld Gefolgsleute für den ersehnten Ableger der Terrortruppe zu rekrutieren, waren fast allesamt kläglich gescheitert. Ein ehemaliger Mitschüler quittierte Propagandavideos, die ihm vom Angeklagten geschickt wurden, mit Smileys und zeigte sich interessiert, an einer geplanten Plakataktion in Kassel teilzunehmen. Das war’s auch schon.
Als »gefühlskalter, gekränkter Einzelgänger« und damit als »prototypischer Amokläufer« wird Marvin E. im Plädoyer der Bundesanwaltschaft beschrieben – gehänselt in der Schule, tyrannisiert von der eigenen Mutter, ohne echte Freund*innen. Ein Täter, der zugleich auch Opfer gewesen sei. Aber, betont der Staatsanwalt: »Es war seine Entscheidung, dem rechtsextremen Hass nachzugeben.« Marvin E. hat versprochen, diesen Hass überwinden zu wollen. Bereits kurz nach Prozessbeginn ließ er sich in das hessische Aussteigerprogramm Ikarus aufnehmen. Doch Staatsanwalt Felix Ziemer sieht bis zu einer wirklichen Läuterung noch einen weiten Weg: »Der Angeklagte hat kein Konzept von Reue – jedenfalls keines, das er in Worte fassen könnte.«
Am 8. Mai wird das Urteil erwartet.
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