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Die Augen von Eberhard Diepgen
Berlins CDU gibt schwarz-rotem Koalitionsvertrag einstimmig ihren Segen und feiert Landeschef Kai Wegner ab
Berlins CDU-Chef Kai Wegner ist kaum zu bremsen in seiner Euphorie. »Was ich seit dem Wahlabend am 12. Februar erlebt habe, war der Wahnsinn. Aber ich kann euch sagen: Auch dieser Parteitag war der Wahnsinn«, ruft der designierte Regierende Bürgermeister am Montagabend den Delegierten seiner Partei zu, die ihn im Anschluss nahezu frenetisch abfeiern. Für Wegner heißt das: sehr viele Hände schütteln, sehr viele Selfies, sehr viel Smalltalk. Und lächeln, lächeln, lächeln. Das werde »eine richtig gute Sache für Berlin«, sagt Wegner mit Blick auf die kommenden dreieinhalb Jahre mit ihm als Senatschef.
Kurz zuvor hatten die 275 Delegierten des CDU-Landesparteitags den mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag abgesegnet – wohlgemerkt ohne eine einzige Gegenstimme oder Enthaltung. Schon der vorangegangene Tagesordnungspunkt 6, die »Politische Aussprache« zum Koalitionsvertrag, konnte in einer schmucklosen Halle auf dem Schöneberger Euref-Campus mangels Aussprachebedarf innerhalb einer halben Minute abgehakt werden. Verhältnisse, von denen die Parteispitze der in der Koalitionsfrage tief gespaltenen SPD nur träumen kann.
Auf die Sozialdemokraten – bis zur Wahl im Februar eine Art Endgegner der Union – will Kai Wegner an diesem Montag nichts kommen lassen: »Hier ist neues Vertrauen entstanden und das müssen wir weiter pflegen.« Das Wahlergebnis sei vor allem ein »Stoppschild« für Rot-Grün-Rot gewesen. »Jetzt heißt es: Vorfahrt für Schwarz-Rot. Und, liebe Freundinnen und Freunde, das Steuer übernehme ich gern.« Eine Formulierung, die später auch Reinickendorfs neue Bürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner aufnehmen wird. »Wir freuen uns auf unseren Steuermann«, wendet sich die Versammlungsleiterin an den mit ihr trotz der Namensgleichheit nicht verwandten Wegner.
Berlins großer Steuermann selbst erinnert bei der Gelegenheit noch einmal daran, dass ihm vor der Wiederholungswahl kaum jemand zugetraut habe, dass er nun ins Rote Rathaus einziehen wird. Beim letzten CDU-Landesparteitag im vergangenen November, sagt Wegner, habe es »nicht viele« gegeben, »die wirklich daran geglaubt haben, dass es gelingen kann«. Aber dann habe er damals in die erste Reihe, »in die Augen von Eberhard Diepgen gesehen«. Und die Augen des 2001 im Zuge des Berliner Bankenskandals zu Fall gekommenen letzten CDU-Senatschefs hätten ihm gesagt, dass es gelingen kann.
Er werde nun »hart daran arbeiten, dass diese Stadt wieder einen starken Bürgermeister bekommt, wie Sie es damals waren«, verspricht Wegner dem auch diesmal wieder in der ersten Reihe sitzenden Ehrenvorsitzenden der CDU Berlin. Der hatte hingegen einst über sich selbst gesagt: »Blässe ist mein Markenzeichen.« Auch ansonsten gehen in der Bewertung der insgesamt über 15 Jahre währenden Amtszeit des »blassen Ebi« die Meinungen auseinander.
Unterdessen hat der Landes- und Fraktionschef von Wegners künftiger Regierungspartnerin SPD bereits deutlich gemacht, dass er nicht davor zurückschrecken wird, Rabatz zu machen, sollte ihm etwas im schwarz-roten Senat gegen den Strich gehen. So erklärte Raed Saleh kurz vor dem CDU-Parteitag, er werde dessen »Wirken, insbesondere das der CDU, als Landes- und Fraktionsvorsitzender kontrollieren und nötigenfalls korrigieren«.
Darauf angesprochen gibt sich Stefan Evers, Generalsekretär der Berliner CDU und künftiger Finanzsenator, gelassen. »Also wir haben ja Erfahrung mit der SPD und wir haben auch viel Erfahrung mit Raed Saleh«, sagt Evers am Rand des Parteitags zu »nd«. Und im Grunde habe der SPD-Chef auch nur »zutreffend die Aufgabe des Parlaments beschrieben in seinem Selbstbewusstsein«. Davon abgesehen kenne die CDU Saleh »aus der Vergangenheit als jemanden, der, wenn man Verabredungen mit ihm getroffen hat, die auch immer verlässlich eingehalten hat«.
Zur Wahrheit gehört, dass das Verhältnis des CDU-Generals zu Saleh spätestens seit dem Wahlkampf als durchaus belastet gilt – um es freundlich zu formulieren. Evers ficht das nicht an, wenigstens nicht öffentlich. Da Saleh »ja auch maßgeblich zu den Architekten dieser Koalition gehört, gäbe es ja auch gar kein Interesse von ihm, da ein Scheitern zu provozieren oder die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, eine Koalition im Dauerstreit«, zeigt sich der designierte Nachfolger von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) am Montag optimistisch.
Dass Saleh aus alter Gewohnheit auch in den kommenden Jahren querschießen könnte, sobald er die Finanzierung sozialdemokratischer Lieblingsprojekte in Gefahr sieht, will Evers nicht ausschließen: »Ich glaube, der Finanzsenator ist nicht zwingend dafür bekannt, dass er sich bei allen beliebt macht.«
Gute Chancen, sich ebenfalls nicht bei allen beliebt zu machen, hat auch Manja Schreiner, die künftige Verkehrs- und Umweltsenatorin. Kurz vor der Wiederholungswahl hatte sie in einem Fernsehinterview erklärt, sollte sie Mitglied des Senats werden, werde sie »als erstes, zentrales Element« dafür sorgen, »dass die Beteiligungsverfahren überarbeitet werden«. Denn: »Bürgerbeteiligung ist gut und schön, aber in einem Rahmen, den das Gesetz auch vorgibt.« Auch dürfte sich die Politik nicht von »irgendwelchen Aktivisten aus der Stadt« treiben lassen.
»Im Wahlkampf ist natürlich alles immer auch etwas schnittiger formuliert«, sagt Schreiner nun beim Parteitag zu »nd«. Sie habe auch nichts gegen Beteiligungsverfahren der Stadtgesellschaft bei Bauvorhaben. »Sie müssen aber richtig gemacht sein.« Und sie dürften sich nicht ewig in die Länge ziehen, vielmehr gelte es hier »professionell zu straffen«. Überhaupt, sagt Schreiner, »muss dann irgendwann auch Schluss sein«. Klar sei ohnehin: »Du wirst nicht immer alle Beteiligten zufriedenstellen.«
Aber all die Detailfragen spielen am Montag ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Für Kai Wegner und die Berliner CDU ist der Weg frei, ab Donnerstag Regierungsverantwortung in der Hauptstadt zu übernehmen. Nur das zählt. »Ich habe selten so viele glückliche Gesichter bei einem CDU-Parteitag gesehen, und das fühlt sich richtig gut an«, sagt Wegner. »Berlin, was für eine geile Stadt«, ruft der Gute-Laune-Steuermann an anderer Stelle aus. Sein schwarzes Schiff kennt ihm zufolge nur noch eine Richtung: »Wir können Berlin, und das werden wir jetzt auch beweisen.« Für nicht wenige in der Stadt klingt das eher nach einer Drohung.
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