Funkhaus in Berlin-Oberschöneweide: Neue Blöcke an der Spreeküste

Am alten Funkhaus in Oberschöneweide soll eine Bürostadt entstehen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.
Dort, wo links Büroblöcke stehen sollen, ist heute noch freie Sicht entlang der Köpenicker Chaussee.
Dort, wo links Büroblöcke stehen sollen, ist heute noch freie Sicht entlang der Köpenicker Chaussee.

Bis Donnerstag können Interessierte noch ihre Meinungen zu zwei Entwürfen für das Projekt Spreeküste abgeben. Auf etwa 30 Hektar soll rund um das alte Funkhaus in Oberschöneweide ein Büro- und Gewerbegebiet inklusive eines Hochhauses entstehen. Es dürfte eines der größten Entwicklungsprojekte Berlins in den kommenden Jahren sein.

Im Januar wurden im Rahmen eines ersten Werkstattverfahrens zwei Siegerentwürfe der Architektenbüros O&O Baukunst und Capattistaubach sowie der Büros ENS Architekten und Freiraumplanung Wolf ausgewählt. Auf ihrer Grundlage soll anschließend ein städtebauliches Leitbild für das Gebiet formuliert werden. Dabei geht es noch nicht um einzelne Bauprojekte.

Die städtebaulichen Entwürfe, die im Internet einsehbar sind, kommen aber schon jetzt bei vielen nicht gut an. Kommentare auf der Website kritisieren, dass kein Wohnraum geschaffen werde, deshalb eine tote Bürostadt entstehe, die Baumasse viel zu groß sei und die Ideen »wenig innovativ« seien.

Dabei soll das Quartier, das vom Stichkanal Rummelsburg im Norden entlang der Köpenicker Chaussee bis zur Kleingartenkolonie Wilhelmstrand im Süden reicht, eigentlich genau das sein – zumindest in den Augen der Investoren. Weil die Bezirksgrenze zwischen Lichtenberg und Treptow-Köpenick durch das Gebiet verläuft, sind beide unter Lichtenberger Federführung daran beteiligt. Den Hut auf hat allerdings der private Projektentwickler Archigon. Er hat das Werkstattverfahren in Kooperation mit den Bezirksämtern und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung durchgeführt.

Archigon ist bisher vor allem mit dem Bau luxuriöser Wohnanlagen aufgefallen, beispielsweise in Treptow mit den Bouchégärten. Dem Projektentwickler gehören selbst etwas mehr als drei Hektar des Gesamtgebiets. Er ist einer von einem Dutzend Grundstückeignern des Gesamtareals, aber derjenige, der sein Grundstück entwickeln wollte und deshalb das Verfahren angestoßen hatte. Für das Teilprojekt »Spreewerk« von Archigon sollen auch vertiefende Konzepte durch eines der Gewinnerbüros gemacht werden.

Das Werkstattverfahren hatte Anfang des Jahres Schlagzeilen gemacht. Wie der »Tagesspiegel« berichtete, hatte der Eigentümer des Funkhauses an der Nalepastraße, Uwe Fabisch, in einer Mail geschrieben: »Korruptes Werkstattverfahren Spreeküste«. Der Name eines angeblichen Gewinners des Werkstattverfahrens wurde genannt, letztlich bekamen aber zwei Büros den ersten Preis, der behauptete Gewinner ist nicht darunter. Das Bezirksamt Lichtenberg erstattete Anzeige wegen Verleumdung.

Fabisch gehören große Teile des Gesamtgebiets der »Spreeküste«. In seinen Besitz fällt auch das Alte Kraftwerk Rummelsburg. 2019 kaufte er die Reederei Riedel, eines der alteingesessenen Fahrgastschiffunternehmen in Berlin. Bei dem Kauf dürfte es dem Investor auch um das Hafengrundstück der Reederei gegangen sein, das zwischen Kraftwerk und Funkhaus liegt. Auf dem Hafengrundstück entstand dann beispielsweise eine temporäre Veranstaltungsfläche, passend zur Nutzung des ehemaligen Funkhauses für Proberäume, Studios und einen Konzertsaal.

Ein weiterer Eigentümer vor Ort ist die Firma Trockland, der mit dem Projekt »Funkytown« einen Campus für Kultur- und Kreativnutzung rund um einen ehemaligen und zu sanierenden DDR-Verwaltungsbau entwickeln will. Diese Entwicklung ist noch Zukunftsmusik. Am schnellsten dürfte es auf den Flächen in Lichtenberg vorangehen.

Auf dem Grundstück des Projektentwicklers Archigon sollen ein 28-geschossiges Hochhaus und kleinere Blöcke entstehen. Insgesamt sind für den Teil über 100 000 Quadratmeter Geschossfläche vorgesehen. Für die Fläche von Archigon sei das Bezirksamt bereits im Bebauungsplanverfahren, sagt Lichtenbergs Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD). »Ich gehe davon aus, dass wir nach einer zweijährigen Planungsphase dann auch Baurecht schaffen werden.« Man werde die Baumasse zwar im Zuge der Auswertung der Bürgerbeteiligung noch einmal überdenken. Hönicke sagt aber auch, es sei gewünscht, die Fläche mit einer großen Baumasse auszunutzen.

Beim Thema Wohnungsbau macht er wenig Hoffnung. Die Bezirksverordnetenversammlung habe sich vor Jahren schon gegen eine Wohnbebauung ausgesprochen. Auf der Lichtenberger Seite seien alle Flächen in privater Hand. »Wenn hier Wohnungen gebaut werden würden, wären diese hochpreisig. Deshalb haben wir gesagt, hier sollen lieber Flächen für Gewerbe entstehen, die andernorts keinen Platz mehr finden.« In der Umgebung gebe es Wohnungsbauprojekte. »Es wird keine tote Bürostadt, wir wollen das Gebiet auch durch gastronomische Einrichtungen abends beleben«, sagt der SPD-Politiker. »Ganz wichtig ist mir, dass der Uferweg frei zugänglich ist«, so Hönicke.

Kritisch blickt Katalin Gennburg, die Stadtentwicklungsexpertin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, auf das ganze Projekt »Spreeküste«. »Wir beobachten mit Sorge, wie ein letzter unbebauter Teil in die Fänge von Investoren und Kapitalverwertern gerät.« Das Ganze sei zudem in einer »abstrusen Größenordnung« geplant. Es sei auch völlig unklar, wer dort überhaupt einziehen solle.

Die Linke wolle deshalb vorschlagen, hier ein Entwicklungsgebiet auszuweisen. Über das sogenannte Besondere Städtebaurecht sei es dann möglich, »Gemeininteressen« zu sichern und den Investoren einen Riegel vorzuschieben.

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