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Klima für neun Prozent grün in Brandenburg
Ökopartei ersehnt in Brandenburg mehr Stimmen für mehr Macht
Er bemerkt es selbst. Das nasskalte Wetter am Samstag passt nicht zu den Bemerkungen von Benjamin Raschke. Der Landtagsfraktionschef spricht beim Landesparteitag der Grünen in der Potsdamer Schinkelhalle von ausgetrockneten Flüssen und von 111 Hitzetoten in Brandenburg im vergangenen Jahr. Als er geboren wurde, seien es weniger als halb so viele Hitzetote gewesen, erinnert der 40-Jährige. Doch der Politiker will wegen der Klimakrise keine Panik machen. »Es gibt Hoffnung und wir alle kennen die Farbe der Hoffnung«, tröstet er schmunzelnd. Die Farbe der Hoffnung ist grün. Aber Raschke weiß: »Für 100 Prozent Klima reichen zehn Prozent Grüne nicht aus.«
Die Grünen wollen mehr Macht und Einfluss, um Brandenburg nach ihren Vorstellungen zu gestalten. 10,8 Prozent hatte die Ökopartei bei der Landtagswahl 2019 erhalten. Das war ein Rekordergebnis. Ein »starkes zweistelliges Ergebnis« soll es bei der Landtagswahl 2024 werden, gibt Raschke die Marschrichtung vor. Er war Spitzenkandidat und würde wieder zur Verfügung stehen, wenn die Parteifreunde ihn denn wollen, meldet der Politiker sein Interesse an.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) glaubt, dass Raschke »der Beste« für diese Aufgabe wäre. Wie inszeniert landen beide auf der Bühne, fallen sich in die Arme. Doch Baerbock kann Raschke nicht zum Spitzenkandidaten ernennen. Er müsste nominiert werden. Baerbock stellt klar: »Wir sind eine demokratische Partei. Das war meine persönliche Meinung.«
Die bereits amtierende Landesvorsitzende Alexandra Pichl jedenfalls will nicht Spitzenkandidatin werden und die neu hinzugewählte Landesvorsitzende Hanna Große Holtrup auch nicht. Der Ex-Landesvorsitzenden Julia Schmidt dagegen wurden solche Ambitionen nachgesagt. Doch im Februar ist die 29-Jährige überraschend zurückgetreten – nachdem ihr der Landesvorstand das Vertrauen entzogen hatte. Von Fehlverhalten war nebulös die Rede und das Schmidt »in eigener Sache unterwegs gewesen« sei. Was genau vorgefallen ist, verschweigen die Grünen bis heute.
Die Delegierten wählen Hanna Große Holtrup am Samstag mit beachtlichen 121 von 132 Stimmen in die Doppelspitze des Landesverbandes. Es gibt nur acht Gegenstimmen und drei Enthaltungen. Die Kandidatin hat allerdings keine Konkurrenten. Große Holtrup studierte in Potsdam Jura und arbeitete als Referentin der Landtagsfraktion in dem Untersuchungsausschuss, der sich mit den Skandalen im Rundfunk RBB befasst. Jetzt ist Große Holtrup schon im Alter von 25 Jahren hauptamtliche Landesvorsitzende. Geboren und aufgewachsen ist sie in Erfurt. Die Eltern sind aber – es passt ins Bild – erst nach der Wende aus dem Westen nach Thüringen gezogen. DDR-Biografien gibt es bei den Brandenburger Grünen auffällig wenige.
Dass Hanna Große Holtrup noch so jung ist, passt übrigens ebenfalls ins Bild. Der Landesverband kann dazu zwar keine Zahl nennen, bestätigt jedoch, dass in den zurückliegenden Jahren sehr viele junge Leute beigetreten sind. Auf der anderen Seite sind nur 25 Prozent der Mitglieder 60 Jahre und älter. Für eine Partei in Brandenburg ist das eine geringe Quote. Insgesamt zählt der Landesverband 2625 Mitglieder. 2019 waren es lediglich 1377 Mitglieder. Allein seit November 2022 gab es 113 Neueintritte.
Das starke Wachstum ermutigt die in der DDR geborene Landesvorsitzende Pichl. Sie hofft, dass es noch im laufenden Jahr die erste hauptamtliche Bürgermeisterin der Grünen in Brandenburg geben wird. Die besten Aussichten dafür bestehen in Falkensee. Die Arbeit am Programm für die Landtagswahl 2024 ist bereits angelaufen.
»Die Zeiten, da wir belächelt wurden, sind lange vorbei«, verkündet Fraktionschef Benjamin Raschke selbstbewusst. »Sie fürchten uns«, übertreibt er und beruft sich darauf, dass es für grüne Ideen eine Mehrheit in der Bevölkerung gibt. Er nennt da die Zustimmung von 70 Prozent der Brandenburger zum Ausbau der Windkraft laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap. Dass die Grünen in dieser Umfrage in der Wählergunst nur bei neun Prozent stehen, lässt Raschke dabei aus.
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