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Hertha BSC sendet ein Lebenszeichen im Abstiegskampf
Dank eines 2:1-Sieges gegen den VfB Stuttgart kann Hertha drei wichtige Punkte im Kampf um den Klassenerhalt einfahren
Kay Bernstein ballte hoch oben auf der Tribüne des Berliner Olympiastadions die Fäuste. Der Präsident von Hertha BSC ließ aber kurz nach dem 2:1-Erfolg gegen den VfB Stuttgart auch den Kopf nach hinten fallen. Der Überlebenskampf in der Bundesliga schlaucht halt, erst recht, wenn man Chef des hochgradig abstiegsbedrohten Tabellenletzten ist.
Derweil gab es unten auf dem Rasen nach dem ersten Dreier seit dem 2:0-Erfolg am 25. Februar gegen den FC Augsburg kein Halten mehr bei den Akteuren des Gastgebers. Die Wechselspieler standen in der fünfminütigen Nachspielzeit ständig an der Seitenlinie. Sie bejubelten Ballbehauptungen wie die von Jessic Ngankam nahe der Eckfahne. Als Schiedsrichter Deniz Aytekin abpfiff, gab es großen Jubel auf und neben dem Platz.
Hertha ist nach wie vor Schlusslicht. Doch der kürzliche Trainerwechsel von Sandro Schwarz zu Pál Dárdai wäre wohl endgültig verpufft, wenn es nach der nicht erwarteten 2:4-Heimpleite gegen Werder Bremen und der 0:2-Niederlage bei Bayern München eine weitere Begegnung ohne Sieg gegeben hätte.
Die Erleichterung war greifbar. »Ich bin einfach stolz auf die Jungs. Es war eine geile Leistung von uns gegen einen guten Gegner. Genauso muss man auftreten im Abstiegskampf«, sagte Angreifer Florian Niederlechner. »Es war ein wichtiger erster Schritt. Ich hoffe, dass am Freitag in Köln der nächste folgt.« Alle drei Treffer fielen bereits in der ersten Hälfte. Hertha spielte sich mit der 1:0-Führung durch den früheren Stuttgarter Marc Oliver Kempf (29.) Mut an. Die ebenfalls in den Abstiegskampf verstrickten Schwaben kamen durch Serhou Guirassy nur neun später Minuten zum Ausgleich. Doch in der Nachspielzeit brachte Niederlechner Hertha erneut in Front.
Der Teamgeist scheint bei Hertha zu funktionieren. Wechselspieler Kevin-Prince Boateng ist zwar nur noch verbal eine Führungskraft. Doch diese Rolle füllt er nahezu perfekt aus. Er stürmte nach dem Pausenpfiff auf den Rasen, um jeden seiner aktiven Mitspieler abzuklatschen und Mut zuzusprechen.
Gewisse Kräfte konnte Dárdai in den letzten Wochen freisetzen. Beide Tore fielen nach Standardsituationen, die im Training intensiv geübt worden waren. Dass mit Kempf und Niederlechner zwei Akteure zu ihren ersten Saisontreffern für Hertha kamen, ist sicher nicht planbar gewesen. Aber sie hatten vielleicht das am meisten verinnerlicht, was ihnen Dárdai etwas unkonventionell vorab suggeriert hatte. »Der Trainer hat gesagt: ›Kackt euch nicht in die Hosen. Geht raus, spielt Fußball. Wir haben eh nichts mehr zu verlieren‹«, berichtete Niederlechner. »So sind wir auch aufgetreten. Es war kämpferisch eine Top-Leistung.« Niederlechner war in der Winterpause vom Ligakonkurrenten FC Augsburg verpflichtet worden. So richtig fruchtete sein Wechsel bislang nicht, obwohl der 32-Jährige vor der WM-Pause vier Mal für den FCA eingenetzt hatte.
Abgesehen von den rund 7500 Stuttgarter Anhängern unter den beachtlichen 63 443 Besuchern im Olympiastadion, standen die Heim-Fans ohne Vorbehalt hinter ihrer Mannschaft. Die Stimmung und Lautstärke waren grandios. Für den erhofften Klassenerhalt ziehen scheinbar alle an einem Strang.
Die Probleme des Klubs wurden dennoch von der aktiven Fanszene angesprochen beziehungsweise plakatiert. »Verkauft, verbrannt, verkackt … & weiter gefangen im Hamsterrad!«, stand auf einem riesigen Banner. Den neuen Investor 777 Partners betrachten etliche Fans genauso argwöhnisch wie Lars Windhorst, den früheren Investor. Spätestens auf der Mitgliederversammlung am kommenden Sonntag dürften damit verbundene Probleme erneut zu Wort kommen.
Die Mannschaft kann die Stimmung vorab aufhellen, wenn sie am Freitag beim 1. FC Köln den nächsten Erfolg einfährt. Vier Siege aus den letzten vier Spielen hatte Chefcoach Dárdai eingefordert. Der gegen Stuttgart war nur ein Anfang, auch wenn der VfB mit in den Abstiegssumpf gezogen werden konnte.
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