Flüchtlingsgipfel: Brandenburg und Sachsen wollen Grenzkontrollen

Vor der Bund-Länder-Konferenz zur Flüchtlingspolitik mehren sich die Forderungen an den Bund

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Innenminister von Sachsen und Brandenburg haben stationäre Kontrollen an der Grenze ihrer Länder zu Polen und Tschechien gefordert, um die Migration von Geflüchteten zu begrenzen. Die Minister Armin Schuster und Michael Stübgen (beide CDU) wandten sich vor dem für Mittwoch geplanten Flüchtlingsgipfel in einem gemeinsamen Schreiben an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie verwiesen auf die bestehenden Grenzkontrollen in Bayern, die wirksam und richtig seien.

Die beiden CDU-Politiker sehen die Kapazitäten ihrer Kommunen am Limit: Die Zuzugszahlen aus »irregulärer Migration« stiegen »nahezu ungebremst«, heißt es in der Mitteilung. »Vor dem Hintergrund der vergleichbaren Migrationssituation an den Grenzen Brandenburgs zu Polen sowie Sachsens zu Polen sowie der Tschechischen Republik haben wir die Bundesinnenministerin gemeinsam angeschrieben und um befristete Wiedereinführung von stationären Binnengrenzkontrollen gebeten«, sagte Sachsens Innenminister Schuster. Sein Amtskollege Stübgen betonte: »Wenn wir die Freizügigkeit im Schengen-Raum erhalten wollen, müssen wir einen Kontrollverlust an der Bundesgrenze verhindern. Wir erwarten daher, dass der Bund umgehend stationäre Binnengrenzkontrollen einführt und seine Grenzschutzmaßnahmen intensiviert.« Vor allem die Grenzen zu Polen, aber auch zu Tschechien stünden »unter hohem Migrationsdruck«. Von März bis April habe die Bundespolizei an der polnischen Grenze 3093 ›illegale‹ Grenzübertritte festgestellt, an der Grenze zu Tschechien 1060.

Zuvor hatten bereits der Landkreis- sowie der Städte- und Gemeindetag in Sachsen gefordert, die Zuwanderung zu beschränken. Die Verbände sprachen sich dafür aus, den Familiennachzug zu beschränken sowie Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien als sichere Herkunftsländer einzustufen, um Abschiebungen dorthin zu erleichtern.

Beratungen im Kanzleramt

Anlass der Schreiben ist ein Treffen der Bundesländer mit Kanzler Olaf Scholz am Mittwoch im Kanzleramt, bei dem sie über die Kosten für die Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten beraten wollen. Die Landesregierungen fordern mehr Geld vom Bund. So forderten etwa Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und der Regierende Bürgermeister Berlins, Kai Wegner (CDU), mehr Bundeszuschüsse. Berlin trage im besonderen Maße eine finanzielle Last, sagte Wegner am Sonntag dem »Spiegel«: »Hier erwarte ich, dass der Bund seiner Verantwortung gerecht wird und die Länder stärker finanziell unterstützt.« Auch Die Linke kritisierte die Bundesregierung und forderte mehr finanzielle Unterstützung bei der Flüchtlingshilfe. Christian Görke, der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion, sagte dazu: »Vielen Kommunen steht das Wasser finanziell bis zum Hals, deshalb ist es unverantwortlich, bei der Flüchtlingshilfe zu kürzen. Der Bund muss sich gefälligst fair an den Kosten beteiligen.« Ohne eine ausreichende Finanzierung sei der »soziale Frieden im Land« gefährdet», sagte Görke weiter. Er nannte auch konkrete Zahlen: «Die Kommunen brauchen mindestens 1000 Euro pro Geflüchteten, um durch diese Krise zu kommen und die Menschen aufnehmen zu können.»

Die Bundesregierung weist die Forderungen zurück. Sie wirft den Ländern vor, Geld vom Bund nicht voll an die Kommunen weiterzuleiten, die für die Versorgung der Menschen zuständig sind. Wie aus einem Entwurfspapier der Bundesregierung für das Spitzentreffen hervorgeht, will sie bei der Kostenverteilung den Ländern und Kommunen nicht entgegenkommen. Der Bund unterstütze trotz eines Haushaltsdefizits schon in Milliardenhöhe.

Steigender Bedarf

Im vergangenen Jahr gab es nach einem Rückgang in den Corona-Jahren wieder mehr Asylanträge. Knapp 218 000 Erstanträge wurden gestellt, 47 Prozent mehr als 2021. Hauptherkunftsländer sind nach wie vor Syrien und Afghanistan. Auch in den ersten Monaten dieses Jahres ist die Zahl der Asylanträge gestiegen. Außerdem sind bis zum 31. März dieses Jahres 81 647 Menschen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg eingereist.

Zeitgleich stellte die Bundespolizei 19 627 unerlaubte Einreisen nach Deutschland fest. Die Bundesregierung führt bereits seit Herbst 2015 in Bayern Grenzkontrollen zu Österreich und Schleierfahndungen an anderen Grenzen durch. Nun sind noch stärkere Grenzsicherungen geplant, ebenso eine zuverlässigere Registrierung, Asylverfahren an der Grenze sowie eine gerechtere Verteilung der Schutzsuchenden.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl zeigte sich derweil empört über Pläne zur Verschärfung der Asylverfahren. Es drohten «De-facto-Haftlager und die Aushebelung des Flüchtlings- und Menschenrechtsschutzes an den EU-Grenzen», teilte die Organisation mit. Pro Asyl forderte die Ampel-Koalition daher auf, «für die Ziele im Koalitionsvertrag einzustehen und sich gegen die Zustimmung zu EU-Grenzverfahren auszusprechen».

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.